DER SÜDEN DREHT AUF

Friday, 5 September 2025

Von Don Cherry gelernt: Der schwedische Baßklarinettist Christer Bothén

Jazz als universale Weltmusik

Christer Bothén über seine Jahre mit Don Cherry und die neue Gruppe Cosmic Ear



Mit 84 Jahren gilt er als ein Großer des skandinavischen Jazz: Der Multiinstrumentalist Christer Bothén (Jg. 1941) aus Stockholm ist seit den 1960er Jahren ein Fixpunkt der dortigen Jazzszene. In den 1970er Jahren arbeitete er mit Don Cherry zusammen, als dieser für vier Jahre in Schweden lebte. Mit der Gruppe Cosmic Ear erweist Bothén jetzt Don Cherry seine Referenz.


Sie sind bildender Künstler und Jazzmusiker. Wie verlief Ihre Karriere?


Christer Bothén: Ich ging fünf Jahre lang auf die Kunstakademie in Gothenburg, um Malerei und Bildhauerei zu studieren. Ich spielte damals New-Orleans-Jazz. Mein Vorbild war Johnny Dodds. Danach kam Charlie Parker, dann Ornette Coleman, John Coltrane – ich wurde ein begeisterter Anhänger des neuen Jazz, nahm zur Klarinette, das Tenorsaxofon dazu. 1969 ganz Hippie, trampte ich per Autostop nach Marokko. Ornette Coleman war in Marokko gewesen, auch Jimi Hendrix – das machte es attraktiv. Dort begegnete ich der Gnawa-Musik. Der Klang der Gnawa-Instrumente verzauberte mich. Ich hatte noch nie solche Trance-Musik gehört, war von diesem Sound wie betört. Durch die Gnawa-Musik kam ich nach Mali. Dort lernte ich das Spiel auf dem Saiteninstrument Donso Ngoni, ein heiliges Instrument.


 In Schweden spielten sie mit Don Cherry. Wie kam es dazu? 


CB: Er klopfte eines Tages an meine Tür. Zuerst dachte ich, er hätte sich in der Adresse geirrt. Das Mißverständnis klärte sich schnell auf, da er mit mir Musik machen wollte. Ein Freund hatte ihm eine Donso Ngoni aus Mali geschickt und er wollte, dass ich ihn unterrichte. Wir fingen an, zusammen Musik zu machen. Wir tourten 1973 ausgiebig in Europa. Bald setzten wir die Donso Ngoni in Konzerten ein. Ich brachte ihm die Spieltechnik bei und er zeigte mir, wie er mit Ornette Coleman improvisiert hatte.


War das eine feste Gruppe?


CB: Wir hatte ein Trio mit dem Schlagzeuger Bengt Berger, Cherry und mir. Manchmal kamen andere Musiker dazu, etwa der Saxofonist Bernt Rosengren.


Sie kamen durch Cherry nach New York ….


CB: Er rief mich eines Tages an: Ich solle nach New York kommen. Also machte ich mich auf den Weg. Ich lernte die avantgardistische Jazzszene kennen, spielte mit dem Jazz Composer’s Orchestra. Wir nahmen den Soundtrack zu Alejandro Jodorowskys Film “Holy Mountain” auf und traten auf dem Newport Jazzfestival auf. Ich traf sie alle: Carla Bley, Mike Mantler und freundete mit dem Saxofonist Frank Lowe an. Wir spielten auf unsere Tenorsaxofonen bei Nacht im Central Park. Ich war damals ein junger Musiker und von diesen Begegnungen überwältigt. Ich wohnte bei Don Cherry, spielte mit Frank Lowe. Es war wie im Traum.


Sie haben jetzt ein Album zu Ehren von Don Cherry aufgenommen. Wie kam es dazu?


CB: Es war Mats Gustafssons und Goran Kajfeš’ Idee. Sie brachten die Band Cosmic Ear zusammen. Sie wollte mich dabei haben wegen meiner Verbindung zu Don Cherry. Wir musizieren auf die selbe Weise, mit ein paar kleinen Melodien, wobei die Form improvisiert ist.


Der Jazz wird dabei zur “Weltmusik” ganz im Geist von Don Cherry ….


CB: Dass wir kein konventionelles Schlagzeug haben, macht die Musik transparenter und führt sie in eine andere Richtung. Für mich ist es wunderbar mit jüngeren Musiker zu spielen, weil man sonst abgehängt wird. Allerdings: Wenn wir musizieren, spielt das Alter keine Rolle.


Cosmic Ear: Traces (We Jazz Records)

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