Hopfen
und Malz, Gott erhalt’s!
München
gilt als Welthauptstadt des Biers – eine Ausstellung geht der mehr als
500jährigen Beziehung der bayerische Landeshauptstadt mit dem Gerstensaft nach
cw. B
wie Bier - B wie Bayern! Überall auf dem Globus wird der Freistaat mit dem
Gerstensaft gleichgesetzt. Das macht München zur Welthauptstadt des Biers,
wobei die bayerische Landeshauptstadt mit dem Hofbräuhaus und dem Oktoberfest gleich
zwei international bekannte “Bier”-Institutionen vorweisen kann. Aus Anlaß des
500jährigen Jubiläums des “Reinheitsgebots” geht eine große Ausstellung im
Münchner Stadtmuseum den vielschichtigen Wechselwirkungen nach, die das Bier und
München mit einander verbinden. “Bier. Macht. München” lautet der vieldeutige Titel.
Der
Marienplatz vor dem Alten Rathaus war einst der Mittelpunkt des Biergewerbes. Auf
dem ehemalige Markt, wo sich heute täglich zur Mittagszeit Tausende von
Touristen tummeln, um das historische Glockenspiel zu erleben, kreuzten sich früher
die beiden Hauptstraßen der bayerischen Landeshauptstadt. Dort war der
wichtigste Umschlagplatz des Gerstenhandels, einem unverzichtbaren Bestandteil
des Brauereigewerbes.
Zuerst
brauten die Klöster den Gerstensaft. Für die Mönche war Bier ein Grundnahrungsmittel,
das vor allem über die Fastenzeit vor Ostern hinweghalf, weil es als “flüssiges
Brot” nicht unter das Fastengebot fiel. Mit der Zeit kamen zu den Klosterbrauereien
die bürgerlichen Braustätten hinzu, von denen es um 1500 bereits 39 in München
gab. Bis 1630 hatte sich deren Zahl auf 74 erhöht. Eines dieser Brauhäuser war
das 1589 gegründete Hofbräuhaus am Platzl, das später weltbekannt zum
Wahrzeichen von München wurde.
Im
19. Jahrhundert wurde es den Brauereien in der Innenstadt zu eng. Damit das
Bier über den Sommer nicht schlecht wurde, musste es kühl gelagert werden. Das
erforderte tiefe Keller, die nur außerhalb der Stadtmauer gegraben werden
konnten, was München den Ruf der “Kellerstadt” einbrachte. Um die
Sonneneinstrahlung zu minimieren, wurden die Tiefkeller mit einer dicken
Kiesschicht isoliert und mit schattenspendenden Bäume überpflanzt. Nicht lange
und die Brauereien stellten zwischen den Baumreihen Tische und Bänke auf: der Münchner
Biergarten war geboren! Er wurde bald zum populären Ausflugsziel an den Wochenenden
für die ganze Familie und alle gesellschaftlichen Schichten.
Die
Lagerkeller wurden anfangs mit Natur-Eis gekühlt, das im Winter mit Spezialwerkzeug
wie Eiszangen und Eishaken aus der Isar gesägt wurde, wobei sich der saisonale
Beruf des “Eiserers” etablierte. Die Nachfrage nach Kühleis war so groß, dass
oft der Vorrat durch Lieferungen aus dem Umland aufgestockt werden musste. Das
bescherte Bauern einen Nebenverdienst in der kalten Jahreszeit. Sie fluteten
Flächen, um Eisblöcke herauszuschlagen, die dann möglichst rasch in die
Eiskammern der Brauereien gebracht wurden.
Erst
die Einfuhr von Dampfmaschinen aus England im letzten Drittel des 19.
Jahrhunderts erlaubte die Herstellung von künstlichem Eis. Auf der
Weltaustellung in Wien 1877 wurde die Erfindung künstlicher Kühlung einer
staundenden Öffentlichkeit präsentiert. Die Erfindung von Kühlmaschinen und
anderer Gerätschaften sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse brachten die
Umstellung von der handwerklichen zur industriellen Bierproduktion. München avancierte
zu einem Zentrum der wissenschaftlichen Erforschung des Bierbrauens, das inzwischen
zum Hauptgewerbzweig Bayerns geworden war.
Immer
größere Brauereien entstanden und das Wort von den Münchner “Bierbaronen”
machte die Runde. Die gesamte Produktion der Pschorr-Brauerei lief nun auf
Dampfkraft, wobei die Firma den mit 55 Meter höchsten Kamin der
Landeshauptstadt besaß. Solche Großunternehmen verkauften ihr Bier nicht nur in
München und im “Bierland” Bayern,
sondern bald in ganz Deutschland, bevor der Export ins europäische
Ausland und dann nach Übersee in Angriff genommen wurde. Die Münchner
Löwenbrauerei produzierte um 1900 eine halbe Million Hektoliter jährlich. “Kein
Land ohne Löwenbräu” lautete der Werbeslogan des Unternehmens, das mehr als
Tausend Arbeiter und Angestellte beschäftigte, darunter Mälzer, Biersieder, Gärführer, Kellermeister,
Maschinisten und Bierführer.
Mit
Pferdefuhrwerken oder Ochsenkarren wurde das Bier damals in großen Fäßern zu den
Lagerkellern gebracht, um von dort in kleinen Holzfässern an Schenken und Gastwirtschaften
ausgeliefert zu werden. Wer am Abend zuhause eine Maß trinken wollte, musste das
Bier im Krug aus der nächsten Wirtschaft holen. Das Bierholen wurde als
typische Aufgabe der Kinder der Familie oder des Dienstpersonals betrachtet.
Mehrere Krüge konnten mit einer Bierkrugtrage transportiert werden, die entweder
aus Holz oder Eisendraht war.
Mit
diesem Brauch machte das Flaschenbier Schluß. Es kam um 1860 auf, wobei anfangs
die Flaschen noch mit Korken verschlossen waren, bevor sich der Bügelverschluß durchsetzte.
Jetzt konnte jedermann problemlos ein paar Flaschen Bier zum Privatverbrauch in
der Wohnung lagern. Mit dem Slogan “Flaschenbier in jedes Haus!” kurbelte die
Münchner Pschorr-Brauerei den Verkauf an.
Flaschenbier
erleichterte den Export. Kisten um Kisten gelangten zuerst mit der Eisenbahn
von München in die Seehäfen nach Hamburg und Bremen oder Genua und Triest, wo
sie auf “Schraubendampfer” verladen wurden, die dann die Reise übers Meer antraten.
Um den Umsatz zu steigern, richteten Brauereien Bierlokale im Münchner Stil in
London und Paris ein, auch in Verona, Algier, Kairo und Daressalam. In New York
gab es Anfang des 20. Jahrhunderts ein Hofbräuhaus und selbst in Canton in
China betrieb die Münchner Hackerbrauerei einen Bierausschank. “Trinke Spaten
in allen Staaten” reimte die Münchner Firma Spatenbräu.
Beim
Bier kannten die Münchner keinen Spaß. Sonst eher gemütlich veranlagt und auf
Ausgleich bedacht, kam es 1844 und 1888 zu den sogenannten “Münchner
Bierrevolten”, als die Obrigkeit den Bierpreis erhöhen wollte. 1844 dauerte der
öffentliche Aufruhr fünf Tage, dann annulierte der König die Preissteigerung,
weil sich das Militär weigerte, gegen die Aufständische vorzugehen, die
Brauereien gestürmt hatten.
Der
Ausbruch des 1. Weltkriegs markierte das vorläufige Ende der Erfolgsgeschichte.
Da der Bierexport in “feindliches Ausland” verboten war, brach der Umsatz ein.
Die Münchner Bierindustrie brauchte Jahrzehnte um sich von dem Tief zu erholen.
Erst in den 1970er Jahren näherten sich die Exportzahlen wieder denen vor den
beiden Weltkriegen an.
Mit
dem weltweiten Siegeszug des Biers wurde auch die Münchner “Gemütlichkeit” in
aller Welt berühmt. Gastlichkeit und Geselligkeit wurden als ausschlaggebend
für das Wohlbefinden der Gäste empfunden. “Radihändler” (=Radieschenverkäufer),
“Brezn”-Verkäuferinnen und Zeitungsburschen zogen durch die Bierpaläste,
Zigarrenverkäufer machten die Runde, genauso wie Portraitmaler und Fotografen.
“Der Münchner ist auf den Einkauf am Tisch angewiesen, weil er regelmäßig über
Stunden im Wirtshaus sitzt und so weder rechtzeitig zum Tabaks- noch zum
Zeitungsladen kommt,” erläuterte ein Beobachter.
Eine
Zeitung beschrieb das Biertrinken als eine Art gemeinschaftlicher “Sozialarbeit”,
während in einem anderen Blatt 1924 zu lesen war: “Eine Kellermaß, recht frisch
vom Faß, ist für den Münchner wie für die Münchnerin, trotz aller durch die Anti-Alkoholbewegung
verursachten Ableugnungsversuche, immer noch eines der höchsten aller Gefühle.”
Daran hat sich bis heute wenig geändert, wenn auch inzwischen das Bier – wenig
traditionsbewußt – vor allem aus der Dose getrunken wird. Ein Six-Pack hätte allerdings
dem “Münchner im Himmel” sicherlich genügt, anstatt des Mannas, das ihm von
Petrus angeboten wurde. “A Bier wui i”, brüllte der Engel Aloisius. “Himml Herrgott –
Saggerament!”
Die Ausstellung BIER.MACHT.MÜNCHEN im Münchner Stadtmuseum ist noch bis Anfang Januar 2017 zu sehen.
Der Artikel erschien zuerst im Wpchenendjournal des SCHWARZWÄLDER BOTE - große Tageszeitung in Baden-Württemberg
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