Sunday, 10 July 2016

Die Ausstellung BIER.MACHT.MÜNCHEN

Hopfen und Malz, Gott erhalt’s!

München gilt als Welthauptstadt des Biers – eine Ausstellung geht der mehr als 500jährigen Beziehung der bayerische Landeshauptstadt mit dem Gerstensaft nach

cw. B wie Bier - B wie Bayern! Überall auf dem Globus wird der Freistaat mit dem Gerstensaft gleichgesetzt. Das macht München zur Welthauptstadt des Biers, wobei die bayerische Landeshauptstadt mit dem Hofbräuhaus und dem Oktoberfest gleich zwei international bekannte “Bier”-Institutionen vorweisen kann. Aus Anlaß des 500jährigen Jubiläums des “Reinheitsgebots” geht eine große Ausstellung im Münchner Stadtmuseum den vielschichtigen Wechselwirkungen nach, die das Bier und München mit einander verbinden. “Bier. Macht. München” lautet der vieldeutige Titel.

Der Marienplatz vor dem Alten Rathaus war einst der Mittelpunkt des Biergewerbes. Auf dem ehemalige Markt, wo sich heute täglich zur Mittagszeit Tausende von Touristen tummeln, um das historische Glockenspiel zu erleben, kreuzten sich früher die beiden Hauptstraßen der bayerischen Landeshauptstadt. Dort war der wichtigste Umschlagplatz des Gerstenhandels, einem unverzichtbaren Bestandteil des Brauereigewerbes.

Zuerst brauten die Klöster den Gerstensaft. Für die Mönche war Bier ein Grundnahrungsmittel, das vor allem über die Fastenzeit vor Ostern hinweghalf, weil es als “flüssiges Brot” nicht unter das Fastengebot fiel. Mit der Zeit kamen zu den Klosterbrauereien die bürgerlichen Braustätten hinzu, von denen es um 1500 bereits 39 in München gab. Bis 1630 hatte sich deren Zahl auf 74 erhöht. Eines dieser Brauhäuser war das 1589 gegründete Hofbräuhaus am Platzl, das später weltbekannt zum Wahrzeichen von München wurde.

Im 19. Jahrhundert wurde es den Brauereien in der Innenstadt zu eng. Damit das Bier über den Sommer nicht schlecht wurde, musste es kühl gelagert werden. Das erforderte tiefe Keller, die nur außerhalb der Stadtmauer gegraben werden konnten, was München den Ruf der “Kellerstadt” einbrachte. Um die Sonneneinstrahlung zu minimieren, wurden die Tiefkeller mit einer dicken Kiesschicht isoliert und mit schattenspendenden Bäume überpflanzt. Nicht lange und die Brauereien stellten zwischen den Baumreihen Tische und Bänke auf: der Münchner Biergarten war geboren! Er wurde bald zum populären Ausflugsziel an den Wochenenden für die ganze Familie und alle gesellschaftlichen Schichten.
 
Die Lagerkeller wurden anfangs mit Natur-Eis gekühlt, das im Winter mit Spezialwerkzeug wie Eiszangen und Eishaken aus der Isar gesägt wurde, wobei sich der saisonale Beruf des “Eiserers” etablierte. Die Nachfrage nach Kühleis war so groß, dass oft der Vorrat durch Lieferungen aus dem Umland aufgestockt werden musste. Das bescherte Bauern einen Nebenverdienst in der kalten Jahreszeit. Sie fluteten Flächen, um Eisblöcke herauszuschlagen, die dann möglichst rasch in die Eiskammern der Brauereien gebracht wurden.

Erst die Einfuhr von Dampfmaschinen aus England im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erlaubte die Herstellung von künstlichem Eis. Auf der Weltaustellung in Wien 1877 wurde die Erfindung künstlicher Kühlung einer staundenden Öffentlichkeit präsentiert. Die Erfindung von Kühlmaschinen und anderer Gerätschaften sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse brachten die Umstellung von der handwerklichen zur industriellen Bierproduktion. München avancierte zu einem Zentrum der wissenschaftlichen Erforschung des Bierbrauens, das inzwischen zum Hauptgewerbzweig Bayerns geworden war.
Immer größere Brauereien entstanden und das Wort von den Münchner “Bierbaronen” machte die Runde. Die gesamte Produktion der Pschorr-Brauerei lief nun auf Dampfkraft, wobei die Firma den mit 55 Meter höchsten Kamin der Landeshauptstadt besaß. Solche Großunternehmen verkauften ihr Bier nicht nur in München und im “Bierland” Bayern,  sondern bald in ganz Deutschland, bevor der Export ins europäische Ausland und dann nach Übersee in Angriff genommen wurde. Die Münchner Löwenbrauerei produzierte um 1900 eine halbe Million Hektoliter jährlich. “Kein Land ohne Löwenbräu” lautete der Werbeslogan des Unternehmens, das mehr als Tausend Arbeiter und Angestellte beschäftigte, darunter  Mälzer, Biersieder, Gärführer, Kellermeister, Maschinisten und Bierführer.

Mit Pferdefuhrwerken oder Ochsenkarren wurde das Bier damals in großen Fäßern zu den Lagerkellern gebracht, um von dort in kleinen Holzfässern an Schenken und Gastwirtschaften ausgeliefert zu werden. Wer am Abend zuhause eine Maß trinken wollte, musste das Bier im Krug aus der nächsten Wirtschaft holen. Das Bierholen wurde als typische Aufgabe der Kinder der Familie oder des Dienstpersonals betrachtet. Mehrere Krüge konnten mit einer Bierkrugtrage transportiert werden, die entweder aus Holz oder Eisendraht war.

Mit diesem Brauch machte das Flaschenbier Schluß. Es kam um 1860 auf, wobei anfangs die Flaschen noch mit Korken verschlossen waren, bevor sich der Bügelverschluß durchsetzte. Jetzt konnte jedermann problemlos ein paar Flaschen Bier zum Privatverbrauch in der Wohnung lagern. Mit dem Slogan “Flaschenbier in jedes Haus!” kurbelte die Münchner Pschorr-Brauerei den Verkauf an.

Flaschenbier erleichterte den Export. Kisten um Kisten gelangten zuerst mit der Eisenbahn von München in die Seehäfen nach Hamburg und Bremen oder Genua und Triest, wo sie auf “Schraubendampfer” verladen wurden, die dann die Reise übers Meer antraten. Um den Umsatz zu steigern, richteten Brauereien Bierlokale im Münchner Stil in London und Paris ein, auch in Verona, Algier, Kairo und Daressalam. In New York gab es Anfang des 20. Jahrhunderts ein Hofbräuhaus und selbst in Canton in China betrieb die Münchner Hackerbrauerei einen Bierausschank. “Trinke Spaten in allen Staaten” reimte die Münchner Firma Spatenbräu.
 
Beim Bier kannten die Münchner keinen Spaß. Sonst eher gemütlich veranlagt und auf Ausgleich bedacht, kam es 1844 und 1888 zu den sogenannten “Münchner Bierrevolten”, als die Obrigkeit den Bierpreis erhöhen wollte. 1844 dauerte der öffentliche Aufruhr fünf Tage, dann annulierte der König die Preissteigerung, weil sich das Militär weigerte, gegen die Aufständische vorzugehen, die Brauereien gestürmt hatten.

Der Ausbruch des 1. Weltkriegs markierte das vorläufige Ende der Erfolgsgeschichte. Da der Bierexport in “feindliches Ausland” verboten war, brach der Umsatz ein. Die Münchner Bierindustrie brauchte Jahrzehnte um sich von dem Tief zu erholen. Erst in den 1970er Jahren näherten sich die Exportzahlen wieder denen vor den beiden Weltkriegen an.

Mit dem weltweiten Siegeszug des Biers wurde auch die Münchner “Gemütlichkeit” in aller Welt berühmt. Gastlichkeit und Geselligkeit wurden als ausschlaggebend für das Wohlbefinden der Gäste empfunden. “Radihändler” (=Radieschenverkäufer), “Brezn”-Verkäuferinnen und Zeitungsburschen zogen durch die Bierpaläste, Zigarrenverkäufer machten die Runde, genauso wie Portraitmaler und Fotografen. “Der Münchner ist auf den Einkauf am Tisch angewiesen, weil er regelmäßig über Stunden im Wirtshaus sitzt und so weder rechtzeitig zum Tabaks- noch zum Zeitungsladen kommt,” erläuterte ein Beobachter.  
 
Eine Zeitung beschrieb das Biertrinken als eine Art gemeinschaftlicher “Sozialarbeit”, während in einem anderen Blatt 1924 zu lesen war: “Eine Kellermaß, recht frisch vom Faß, ist für den Münchner wie für die Münchnerin, trotz aller durch die Anti-Alkoholbewegung verursachten Ableugnungsversuche, immer noch eines der höchsten aller Gefühle.” Daran hat sich bis heute wenig geändert, wenn auch inzwischen das Bier – wenig traditionsbewußt – vor allem aus der Dose getrunken wird. Ein Six-Pack hätte allerdings dem “Münchner im Himmel” sicherlich genügt, anstatt des Mannas, das ihm von Petrus angeboten wurde. “A Bier wui i”, brüllte der Engel Aloisius. “Himml Herrgott – Saggerament!”

Die Ausstellung BIER.MACHT.MÜNCHEN im Münchner Stadtmuseum ist noch bis Anfang Januar 2017 zu sehen.

Der Artikel erschien zuerst im Wpchenendjournal des SCHWARZWÄLDER BOTE - große Tageszeitung in Baden-Württemberg


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