Thursday 28 December 2023

Scheibengericht 25: Kraan - Zoup

 Altersfrische   

 „Zoup“ das neue Album von KRAAN



 

 cw. Meistens waren sie zu viert, zeitweise auch ein Quintett. Heute sind Kraan auf ihren Urkern mit Hellmut Hattler (Baßgitarre), Jan Fride (Schlagzeug) und Peter Wolbrandt (Gitarre) zusammengeschmolzen. Für jede dieser Besetzungen in der Bandgeschichte wurde jeweils ein passendes Konzept gefunden. So hat sich die Band – ursprünglich aus Ulm stammend, in den 1970ern als Bandkommune auf dem abgelegenen Hofgut Wintrup am Rande des Teutoburger Walds lebend – über die Jahre immer wieder gehäutet, wobei sie sich momentan in einer recht produktiven Phase befindet. Wie ihr neues Album „Zoup“ dokumentiert, steht Kraan mittlerweile für eine abgehangene Rockmusik, die – meist instrumental – sehr organisch, entspannt und selbstverständlich daherkommt und einen natürlichen Flow besitzt.

 

In über fünf Jahrzehnten als Profimusiker haben sich die drei zu ausgefuchsten Instrumentalisten und hochkarätigen Solisten entwickelt, die mit abgeklärter Souveränität agieren. Drummer Jan Fride sorgt mit kraftvollem Trommelspiel, eng verzahnt mit Hellmut Hattlers druckvollem Baß, nicht nur für ordentlich Drive, sondern für eine Grundierung, die Gitarrist Peter Wolbrandt für die Ausbreitung einer enormen Palette an Sounds zu nutzen weiß. Von schillernden Akkorden über psychedelische Sphären-Klänge bis zu den synkopischen Rhythmen schwarzer Funkmusik bringt Wolbrandt viel Unterschiedliches wohldosiert in die Musik ein.

 

Gelegentlich erhöht Hattler, von dem alle zehn Stücke des neuen Albums stammen, mit wuchtigen Baßläufen die Temperatur, wobei er bisweilen wie ein zweiter Gitarrist klingt. Als Gastmusiker steuert Martin Kasper bei ein paar Stücken delikate Synthi-Einwürfe bei, und zur Überraschung tritt Ur-Kraan-Saxofonist Johannes Pappert sowie der 2019 verstorbene Keyboarder Ingo Bischof jeweils bei einem Stück noch einmal in Erscheinung.


KRAAN zu dritt (Promo-Foto)



 

Singbare Melodien, kantige Riffs, prägnante Unisono-Passagen und mächtige Grooves verdichten sich zu einem raffiniert verzahnten Spiel, das manchmal in metallisch funkelnde Klangfelder mündet, dann wieder in eine eingängige Melodie übergeht, deren Hookline sich in den Ohren verfängt. 

 

Kraan haben als Trio zu einem eigenständigen Stil gefunden, der sich nicht in aufgewärmter Krautrock-Nostalgie ergeht. Weder rückwärtsgewandt, noch revolutionär, destillieren sie aus bekannten Elementen einen Sound, der so süffig wie einprägsam ist. Respekt vor so viel Altersfrische!

 

Kraan: Zoup (36music / Broken silence)


Kraan: Plain Vanilla (youtube)




Sunday 24 December 2023

AUGEundOHR 31: Cimbalom-Orchester vom Balkan, ca. 1925

Es ist auf dem ganzen Balkan verbreitet, doch in Ungarn gilt das Cimbalom als Nationalinstrument. Bei dem Saiteninstrument handelt sich um ein großes Hackbrett, das über alle Töne und Halbtöne verfügt und mit Fußpedalen ausgestattet ist, was Dämpfereffekte und Klangmutationen erlaubt. Das Instrument wird mit kleinen Filzklöppeln gespielt und ist für allen unter Roma-Musikern beliebt. Hier sieht man zwei Cimbaloms als Teil eines größeren Orchesters mit Geigen, Klarinetten und zwei Kontrabässen. Der Geiger vorne in der Mitte ist wohl der Bandleader.
 

Saturday 23 December 2023

50 Jahre "Musicland" in Albstadt-Tailfingen

Ein Wald aus Schlagzeugen, eine Wand aus Gitarren 

 

Das Tailfinger „Musicland“ feiert 50jähriges Bestehen – Hans Herter hat das Musikgeschäft zu einer Institution der südwestdeutschen Popszene gemacht

 





Bei uns jungen Rockmusikern aus Balingen sprach sich die Nachricht im Herbst 1973 schnell herum: In Tailfingen hätte ein Musikgeschäft aufgemacht, das Schallplatten, aber auch Gitarren und Verstärker verkaufen würde. Also fuhren wir hin, um den Laden in Augenschein zu nehmen,  weil unser Balinger Musikalienhändler, Herr Ohnmacht, mit aktuellen Rockmusik nichts, aber auch gar nichts am Hut hatte. So habe ich 1973 Hans Herter kennengelernt, gelernter Industrie-Kaufmann, der sein kleines, unscheinbares Lädchen in einer Nebenstraße in Tailfingen betrieb. 

 

Was Herter damals anderen Musikhändlern voraus hatte: der Mann hatte Ahnung, spielte selber Gitarre in einer Rockband, nämlich bei Äxepäxe, und wußte, was die Szene brauchte. Hansi war einer von uns. Mit seinem Geschäft für Bandequipment traf er einen Nerv der Zeit und füllte eine Marktlücke, weshalb der Laden auch schnell expandierte. Bald zog er in ein Haus an der Straße von Pfeffingen am Hang von Langenwand herab, was es im Winter manchmal bei vereisten und verschneiten Straßen nicht leicht machte, dort hin zu gelangen.  

 

Meistens hingen ein paar Burschen aus dem Umfeld von Äxepäxe in den Verkaufsräumen herum, wo sich immer mehr Equipment – Verstärker, Drum-Kits, Gitarren und Keyboards – stappelte. Unterm Dach wurde ein Studio eingerichtet, im Keller probte nach Geschäftsschluß Äxepäxe. 


Lustpfropf, ca. 1975, mit mir selbst am Schlagzeug






Als Drummer war ich immer wieder dort, um mein Instrumentarium zu vervollständigen. Auch die anderen Musiker unserer Balinger Jazzrockband Lustpfropf kauften im „Musicland“ ein – wie das Geschäft inzwischen hieß. Mehr und mehr wurde Herters Laden ein Begriff für junge Rock-, Pop- und Tanzmusiker aus der näheren und weiteren Umgebung. Brauchte man einen Verzerrer, ein Wah-wah-Pedal oder ein Crash-Becken, ging es nach Tailfingen, denn einen vergleichbaren Laden gab damals wohl nur noch in Stuttgart. Und Herter machte einem immer einen fairen Preis.

 

Auch für die Konzert-Initiative ZAK-Musik (ZollernAlbKreis-Musik) wurde das Musicland angesteuert, wenn wir in den 70ern mit Flyern und Plakaten Auftritte von Embryo, Missus Beastly, Sahara, Aera, Kickbit Information, Zomby Woof oder Munju publik machen wollten. Hans Herter war ein williger Abnehmer unseres Werbematerials, wobei er mit Äxepäxe auch einmal in der Balinger Eberthalle als Headliner eines halben Dutzends lokaler Bands auftrat. 


Und dann half mir Herter zweimal echt aus der Patsche: Für das erste Konzert unseres neugegründeten Balinger Kulturvereins Mitte der 1980er Jahre mit dem experimentellen Gitarristen Peter Cusack aus London mussten wir ein „Tape“ für Zuspielmusik beschaffen. Erst am Nachmittag stellte sich heraus, dass damit kein Cassettendeck gemeint war, sondern ein vierspuriges Tonbandgerät, die es zu diesem Zeitpunkt kaum mehr gab. Panisch haben wir es zuerst am Balinger Gymnasium versucht. Wir wußten, dass dort im Musiksaal ein Uher-Tonbandgerät stand, dass sich allerdings – so ein Scheiß! – als zweispurig herausstellte. Was nun? Hans Herter wurde zum Retter in der Not und lieh uns die besagte Maschine aus, sodaß das Konzert auf den letzten Drücker doch noch ordnungsmäßig stattfinden konnte.


Peter Cusack – Bouzouki, Gitarre (Foto: Carolyn Forbes)






Als wir dann ab 1987 mit dem Kulturverein die „Balinger Sommersprossen“ in der kleinen Siechenkirche beim Balinger Krankenhaus veranstalteten, verlangte der New Yorker Schlagzeuger Jerome Cooper (Rahsaan Roland Kirk, The Revolutionary Ensemble usw.) ein Drum-Kit mit Naturfellen – aber woher ein so seltenes Teil nehmen? Ein Besuch im Musicland, jetzt schon im mehrstöckigen Flachdach-Gebäude beim Tailfinger Bahnhof daheim, brachte aus der hintersten Ecke im Keller ein Schlagzeug mit Naturfellen zum Vorschein. Hans Herter erwies sich zum zweiten Mal als Retter in der Not.

 


 

Die Auswahl an Instrumenten, die im Musicland zum Verkauf standen, wurde immer  atemberaubender. Dem Laden kann heute im südwestdeutschen Raum wohl niemand das Wasser reichen. Herter hat sein Geschäft seit langem zur ersten Adresse gemacht, wenn es um den Kauf eines Popinstruments geht. Jede Instrumentengruppe wird auf einer ganzen Etage präsentiert, wobei außer Gitarren, Keyboards und Schlagzeugen, ein ganzes Stockwerk den Blasinstrumente vorbehalten ist. Will man einen Musikunkundigen einmal schwer beeindrucken, empfehle ich einen Besuch im Tailfinger Musicland. Vor dem Wald aus Schlagzeugen und der Wand aus Gitarren bekommen Unbedarfte oft den Mund kaum mehr zu.

 

Und immer stand bei Herter die Fachberatung im Vordergrund. Ahnungslose Verkäufer wird man hier nicht finden, sondern ausschließlich Experten – oft hochversierte Musiker –, die wissen, wovon sie reden.  

 

Mit Werbeauftritten bekannter Musiker trug das Musicland zudem zur Bereicherung der nicht gerade übersprudelnden Musikkultur in Albstadt bei. Ich erinnere mich an einen fulminanten Auftritt des Session-Drummers Curt Cress (Passport, Ike & Tina Turner usw.), der eine halbstündige Kostprobe seines Könnens gab und sich dabei etwas in die Karten gucken ließ. Ungefähr 60 ambitionierte junge Drummer hockten auf dem Boden vor dem Trommelstar, der es ordentlich rocken ließ, aber auch die unbequeme Wahrheit verbreitete, dass es ohne tägliches stundenlanges Üben – leider! – nicht geht.


Hans Herter mit Sohn Marc Herter




Gerade feiert Hans Herter mit dem Musicland 50jähriges Bestehen, was eine beeindruckende Lebensleistung ist. Das Musicland hat für viele Musiker Tailfingen überhaupt erst auf die Landkarte gesetzt. Darüber hinaus würde die Popszene der Region um einiges ärmer dastehen, hätte es Herter und das Musicland nicht gegeben. Matthias Zumbroich, einstiger Keyboarder der Bombast-Rockgruppe Zomby Woof aus Reutlingen, hat erst neulich in einem Telefongespräch beiläufig erwähnt, sein ganzes Equipment in Tailfingen beschafft zu haben. Hans Herter hat – wie schon etliche mittelständische Unternehmen vor ihm – den Beweis erbracht, dass man sich nicht in den urbanen Zentren ansiedeln muß, um Erfolg zu haben – im Gegenteil: Die Provinz bietet offenbar ein paar unbestreitbare (Standort-)Vorteile. Man muß sie nur zu nutzen wissen.


Wie man hört, wird, wenn der Senior einmal aufhört, sein Sohn den Laden weiterführen. Es ist also für Kontinuität gesorgt, auch wenn wir für den Balinger Kulturverein das "Back-Up" nicht mehr brauchen. Unser Verein hat sich vor 30 Jahren aufgelöst.

 

Monday 18 December 2023

Music Jokes 9: Pauline Oliveros – LEGO set

Pauline Oliveros (1932 – 2016) war eine amerikanische Avantgarde-Komponistin, Synthesizer- und Akkordeoninstrumentalistin und Botschafterin des "Deep Listening". 2005 hat sie für mein Buch "Auge und Ohr / Ear and Eye – Begegnungen mit Weltmusik / Encounters with World Music" (Schott / Edition Neue Zeitschrift für Musik) einen Beitrag über "Rodeo in Houston - The Accordion Club of my Childhood" verfasst.




 Buch: AUGE & OHR

Sunday 10 December 2023

Jazz-Futurismus: Das DLW-Trio

The Music formerly known as Jazz

Das Trio Dell-Lillinger-Westergaard (DLW) greift weit über den Jazz hinaus

 

Dell-Lillinger-Westergaard (Foto: Nino Halm)


cw. Kann Musik ihrer Zeit voraus sein? Wenn das möglich ist, dann trifft es gerade auf das Trio Dell-Lillinger-Westergaard zu. 2021 hat die Berliner Gruppe mit dem Album „Beats“ einen Pflog eingeschlagen. Auf innovative Weise schafften es die drei Musiker, Techniken der DJ-Culture, mit vertrakten Grooves sowie Fragmenten aus Jazz und der avantgardistischen E-Musik zu verschalten, was einen Sound aufleuchten ließ, der momentan als einer der aufregendsten Entwürfe der „Music formerly known as Jazz“ gelten kann. 

In den zwölf Jahren ihres Bestehens haben Dell-Lillinger-Westergaard, die auch unter dem Kürzel DLW firmieren, ein einzigartiges Konzept entwickelt, das auf Repetition und Differenz basiert. Der Ausgangspunkt für ein Stück bildet stets ein einzelner Takt, der rhythmisch verschachtelt und trancehaft wiederholt wird, bis kleinste Unregelmäßigkeiten auftreten, die festgeschrieben und kreativ weiterverarbeitet werden. Aus dieser „Überlagerungskombinatorik“ (Christopher Dell) entspinnt sich ein Perpetuum-Mobile-artiger Flow, der auf Schallplatte durch Klangverfremdungen und Cut-Up-Techniken noch radikalisiert wird. 

Christopher Dell (Jahrgang 1965), mit einem Background in Philosophie, der im Zweitberuf Architekturtheorie lehrt, ist der intellektuelle Kopf der Gruppe. Zwischen seinem ersten Album 1988 mit dem Bujazzo, dem deutschen Bundesjazzorchester, und der aktuellen Einspielung des DLW-Trios liegen nicht nur 35 Jahren, sondern Welten – Klangwelten! 


Christopher Dell (Foto: Astrid Ackermann)




 

Nach einem Studium beim Vibrafonisten Gary Burton am renommierten Berklee College of Music in Boston, kehrte Dell nach Deutschland zurück, um mit Saxofonaltmeister Heinz Sauer und Schlagzeug-Größe Wolfgang Haffner zu musizieren. Danach begann für den Vibrafonisten die langwierige Erkundung einer Idee, die ihn immer weiter weg vom amerikanischen Jazz und tiefer hinein in die Gefilde der europäischen E-Musik-Avantgarde führten, ein Paradigmenwechsel, den er mit Christian Lillinger (Drums) und Jonas Westergaard (Bass) noch entschiedener vollzog. „Als Europäer schwebte mir eine andere Form von Jazz vor als die amerikanische,“ beschreibt Dell seinen Standpunkt.

Die Abkehr vom amerikanischen Modell fand allerdings nicht im Zeitraffer statt, sondern war eine kollektive, langwierige, intellektuelle und praktische Anstrengung. „Unser Konzept ist nur durch unablässiges Proben als Gruppe zu erreichen,“ erklärt Dell. „Die Musik muß ins Unterbewußtsein eingehen, in den Körper und die Motorik übergehen, sonst funktioniert es nicht.“ Die drei nutzten die Zwangspause der Pandemie, um sich in intensivste Probearbeit zu stürzen, war doch plötzlich ein Übermaß an Zeit vorhanden. Dell ist sich sicher: „Unter normalen Bedingungen hätten wir das nie geschafft!“ 

Die unermüdliche Übungspraxis setzt einen starken Glauben an die gemeinsame Kunstmission und ein hohes Maß an Pflichtbewußtsein voraus, was in der Jazzszene heute alles andere als üblich ist, kommen Musiker doch meistens nur recht flüchtig für eine paar Auftritte zusammen. Anders Dell-Lillinger-Westergaard: Seit zwölf Jahren besteht die Formation in derselben Besetzung, wobei nur für spezielle Projekte Gastmusiker herangezogen werden, ob der Violinist Mat Maneri, die Pianistin Tamara Stefanovich oder die E-Musik-Avantgardisten vom Klangforum Wien. 


Dell-Lillinger-Westergaard & Brecht – live / Evangelische Stueler Kirche, Peitz (Youtube)




 

Solche langjährige Hingabe an ein einziges Bandprojekt ist selten, weil nicht leicht mit dem Leben als Jazzmusiker zu vereinbaren, da man – gerade in Berlin – in vielen Gruppen aktiv sein muß, um finanziell über die Runden zu kommen. Als hochgefragte Musiker der dortigen Szene sind Dell, Lillinger und Westergaard in etliche Seitenprojekte involviert. Vor allem der junge Schlagzeug-Star Christian Lillinger brennt vor Energie und hält gleich mehrere Bandprojekte am Laufen, ob das Trio Punkt.Vrt.Plastik, das Quartett Amok Amor oder das Duo mit dem Tastenmusiker Elias Stemeseder. Daneben spielt er außerdem in einer Supergruppe mit dem Keyboard-Meister Michael Wollny und dem französischen Saxofonstar Émile Parisien zusammen. Trotz all der Aktivitäten gelingt es Dell-Lillinger-Westergaard immer wieder, Auszeiten fürs Proben zu finden.

 

Zur Ensemblearbeit kommt das Solospiel. Da die Arbeit in der Gruppe für Christopher Dell immer Vorrang hatte, haben erst Konzertanfragen ihn zu einem Soloprogramm inspiriert. Ganz Methodiker, schuf der Vibrafonist zuerst unter der Überschrift „Monodosis“ einen Rahmen, um die Sache nicht zerflettern zu lassen. Mit dem Terminus „Fond“ werden die einzelnen Stücke bezeichnet, die durch das Entstehungsdatum oder die Nummer der Schallplatte, auf der sie erschienen sind, einen formelhaften Titel erhalten. 

 

Wie andere Leute Frühgymnastik machen, tritt Dell jeden Morgen an sein Instrument, um den Tag mit einer ersten Übungssession zu beginnen. „Es werden Spieltechniken ausgelotet, sowie die Klangmöglichkeiten des Vibrafons erforscht,“ erklärt er. Sein oszillierend-flirrender Sound, dem das Psychedelische von Natur aus eingeschrieben zu sein scheint, macht das Vibrafon als Schlaginstrument einerseits extrem konkret und körperlich, gleichzeitig hochgradig abstrakt, kurzum: zum idealen Klangerzeuger eines Stroms schwebender Töne, die feinnervig wuchern, sich verästeln und verzweigen und so die ganze Klanglichkeit des Vibrafons zum Vorschein bringt. Für den Berliner Musiker hat die jahrelange „musikalische Recherchearbeit“ Früchte getragen. Seine „neue Neue Musik“ (Dell) ist, ob im Solospiel oder bei DLW, wenn nicht ihrer Zeit voraus, so doch vollkommen einzigartig.  

 

Dell-Lillinger-Westergaard: Beats 2 (Plaist)

Dell-Lillinger-Westergaard: Extended Beats (bastille musique; erscheint im Herbst 2023)

Christopher Dell: Monodosis III (Edition Niehler Werft)


Der Text erschien zuerst in der Neue Zürcher Zeitung (NZZ)

 

 

Monday 4 December 2023

AUGEundOHR 30: Ägyptische Jugendblaskapelle, ca. 1920

Ägyptische Jugendblaskapelle, ca. 1920

Mit dem kolonialen Militär und der christlichen Mission verbreitete sich die Blasmusik von Europa aus auf der ganzen Welt. Bei dieser Blaskapelle aus Ägypten handelt es sich vermutlich um das Jugendorchester einer christlichen Mission. Solche Kapellen waren oft einer Missionsstation angeschlossen, wobei die Mission die ganze Bandbreite an Blasinstrumenten leihweise zur Verfügung stellte. Die Mitglieder haben sich für das "photo shooting" fein gemacht und ihre beste Kleidung angelegt.