Tuesday, 10 December 2024

LautYodeln Vol. 3 auf CD

CD-Taufe am 16. März 2025 im Münchner 'Fraunhofer'

Das 3. LautYodeln-Festival, das im Mai 2024 in München über die Bühne ging, wird – wie schon die beiden Editionen zuvor – auf CD dokumentiert werden. Die CD wird im März 2025 beim Münchner Trikont-Label erscheinen. Auf dem Album mit dabei ist die ganze Bandbreite aktueller Gruppen, die das Festival wieder zu einem einzigartigen Glanzpunkt machten, ob Vue Belle, Stimmreise.ch, Ernst Molden & Maria Petrova, Ganes oder Opas Diandl. Die CD-Taufe wird am Sonntag, den 16. März 2025 in Form eines Frühschoppens im München Traditionslokal Fraunhofer stattfinden, mit 'Live'-Musik versteht sich.

Als 'Appetizer' hier der 'Honde N-Da Da Jodler' von der Gruppe Opas Diandl aus Südtirol, 'live' at LautYodeln-Festival Vol. 3, Munich.




Trau di Jodeln

 Die dreifache Traudi (Siferlinger).



Wednesday, 4 December 2024

Scheibengericht Nr. 32: Veretski Pass & Joel Rubin

Klezmer mit Akkuratesse

 

Veretski Pass

The Peacock And The Sunflower

 

(Borscht Beat)



 

Klezmer-Gruppen gibt es wie Sand am Meer, doch nur die wenigsten haben die Klasse von Veretski Pass. Das Trio aus Kalifornien, das aus Cookie Segelstein (Geige), Joshua Horowitz (Akkordeon und Hackbrett) und Stuart Brotman (dreisaitiges Bassetl) besteht, spielt eine Klezmer-Musik, die sich um historische Akkuratesse und Authentizität bemüht, um einem Klang nahezukommen, wie wir ihn von alten Schellack-Platten kennen, den eingefrorenen Beispielen einer Klezmermusik, wie sie vor mehr als hundert Jahren geklungen hat. Zum dritten Mal haben sich die drei für ein Album mit Joel Rubin zusammengetan, vielleicht der beste Klarinettist der aktuellen Klezmerszene.

 

Die vier Musiker sind hochvirtuose Instrumentalisten, die mit allen Wassern der Klezmer-Spielweise gewaschen sind. Sie kennen die Tricks der Intonation, die kleinen melodischen Verschiebungen und harmonischen Dissonanzen, das Biegen der Töne, die Ornamentierung und die Triller, was alles zusammen einen Gruppenklang ergibt, der dicht und kompakt, rauh und doch voller Leben ist. Die meisten Stücke sind traditionelle Melodien aus der Ukraine, andere neue Kompositionen, die überwiegend von Cookie Segelstein stammen und die sich doch strikt in der Klangwelt des alten jüdischen Osteuropas bewegen. Manchmal handelt es sich um schnelle Tänze, dann wieder um langsame getragene Melodien, in denen fast immer eine feine stille Traurigkeit schwingt. 

 

Im Booklet-Text spricht Joel Rubin von Klezmer als einer Fusion-Musik, weil sie Spurenelemente  regionaler Volksmusikstile übernommen, aber auch populäre Melodien und Gassenhauer aufgesogen hat. Der „Novosilky March“, einer von 29 Titeln des Albums und kaum eine Minute lang, ist das beste Beispiel für diese Art von musikalischem Borschtsch, ein Marsch, der irritiert, weil man in jedem zweiten Takt die Verbindung zu einem anderen populären Stil zu erkennen meint. So fremd kann Klezmer klingen.

 

Auf bandkamp zum Reinhören:

https://borschtbeat.bandcamp.com/album/the-peacock-and-the-sunflower

Tuesday, 26 November 2024

Scheibengericht Nr. 31: Ingrid Laubrock / Tom Rainey

Ingrid Laubrock / Tom Rainey

Brink

(Intakt / Harmonia Mundi)


 

 

Gleich vorneweg: Dies hier ist ein superbes Album. Es ist das Kondensat unzähliger Sessions, die Ingrid Laubrock (Saxofone) und Tom Rainey (Drums) in den letzten Jahre miteinander gespielt haben. Auf intensivste Weise pflegte das Musikerehepaar das Duospiel gezwungenermaßen in den Monaten der Pandemie, als man keine anderen Musiker und Musikerinnen treffen konnte und die beiden anfingen, jeden Freitag ein Duo „online“ zustellen, welches sie während der Woche in ihrer Booklyner Wohnung entworfen, geprobt und aufgezeichnet hatten. So kamen genau 60 „Stir Crazy“-Editionen zustande. Den Wohnungsnachbarn sei gedankt für ihre unendliche Geduld.

 

Die Essenz dieser akribischen Beschäftigung mit dem Duo-Format ist jetzt auf diesem Album zu hören: 13 kurze Titel (der längste ist 5 Minuten lang, der kürzeste knapp eine Minute) entfalten eine Klanglichkeit wie sie unterschiedlicher nicht hätte sein können. Spaltklänge, Obertöne und Klappengeräusche bestimmen neben Laubrocks brüchigen, stillen oder aufbrausenden Saxofonlinien das musikalische Geschehen, das Tom Rainey in höchst sensibler Manier perkussiv zu kolorieren weiß. Kurze Interludes namens „Brink I – VI“ wirken als Kontrastmittel, bei denen sich das Saxofon manchmal wie eine stark verzerrte E-Gitarre anhört. Jedes Stück ist ein Balanceakt, der offen läßt, ob es komponiert oder improvisiert ist und so die Schwebe als idealen Aggregatzustand wählt. 


Zum reinhören:

https://laubrock-intakt.bandcamp.com/album/brink


 

Thursday, 21 November 2024

James Brandon Lewis mit dem Red Lily Quintet in Singen

Aus Gospel wird Jazz

James Brandon Lewis würdigt Mahalia Jackson beim Jazzclub Singen 


Fotos: C. Wagner

 

Im Kinofilm „Selma“ von 2014, der den Protestmarsch der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung 1965 von Selma nach Montgomery nachzeichnet, hat sie einen kurzen Auftritt. Am Telefon macht Mahalia Jackson dem verzweifelten Martin Luther King Mut, indem sie ihm ein Spiritual singt. Jackson (1911-1972) gilt als die Urmutter des religiösen Gesangs des schwarzen Amerikas und genießt als „Gospelkönigin“ höchstes Ansehen.

 

Der amerikanische Saxofonist James Brandon Lewis, der in seiner Jugend viel in Kirchen musizierte und dem seine Oma Mahalia Jackson nahe brachte, hat mit „For Mahalia, with love“ 2023 der Gospelsängerin ein ganzen Album gewidmet, als Würdigung der großen Vokalistin, die ihr Leben lang gegen die Erniedrigung und Herabwürdigung ihrer schwarzen Landsleute mit religiösen Hymnen ansang. Der Glaube an einen gerechten Gott ließ sie die Hoffnung auf ein Ende der Rassendiskriminierung nicht verlieren. 

 

Zu seinem Konzert beim Jazzclub Singen brachte James Brandon Lewis das hochkarätige Red Lily Quintet mit, das allerdings im Unterschied zu der Besetzung, die letztes Jahr das Album einspielte, inzwischen mehrheitlich aus Jazzmusikerinnen besteht, ein weiterer Beweis dafür, dass die Frauen im Jazz mächtig auf dem Vormarsch sind. 


 

Herausragend Tomeka Reid, momentan die tonangebende Cellistin im modernen Jazz. Ebenso überzeugend die Schlagzeugerin Lily Finnegan aus Chicago. Das Spiel der beiden besticht durch Präzision, Virtuosität und Energie, was auch für die Kontrabassistin Silvia Bolognesi aus Italien gilt, das einzige Mitglied der Band, das nicht aus den USA kommt. 

 

Angesichts solcher Power-Frauen muß sich Flügelhornspieler Kirk Knuffke mächtig ins Zeug legen, was ihm problemlos gelingt, gilt er doch als einer der besten Blechbläser der New Yorker Szene: Sein Ton ist glasklar, seine Melodielinien messerscharf. Über all dem schwebt der Geist von John Coltrane, dem Urvater des modernen Jazz, dessen tiefe Spiritualität in jeder Note von James Brandon Lewis‘ Saxofonspiel schwingt. Mit bebendem Ton schmettert der 41jährige die Gospelmelodien nur so heraus und treibt so die anderen zu immer größeren Höchstleistungen an.  


 

Aus dem riesigen Repertoire von Mahalia Jackson hat Brandon Lewis ein halbes Dutzend Gospels und Spirituals ausgewählt – so „Swing Low, Sweet Chariot“ oder „Wate in the Water“ – und sie für Jazzensemble arrangiert. Oft wird die Melodie nur angespielt, dann variiert, bevor der Faden improvisatorisch bis ins Freie weitergesponnen wird, wodurch ein fast hymnischer Sog entsteht, der die Zuhörer mitreist. In solch einem Moment springen in den schwarzen Kirchen der USA die Leute auf und tanzen und singen in ekstatischer Verzückung. So weit kam es bei den Zuhörern in der Gems allerdings nicht, die trotzdem vor Begeisterung eine Zugabe erklatschten.

Wednesday, 20 November 2024

Scheibengericht Nr. 30: Gerry Hemingway – Schlagzeuger UND Singer-Songwriter

Die Verwandlung

Der Jazzschlagzeuger Gerry Hemingway wird zum Singer-Songwriter



Der Amerikaner Gerry Hemingway gilt als einer der versiertesten Schlagzeuger des modernen Jazz. Die Referenzliste der Musiker und Musikerinnen, mit denen er seit Mitte der 1970er Jahre gespielt hat, ist ellenlang und enthält ein paar der illustersten Namen des zeitgenössichen Jazz. In den 1990er Jahre war er oft mit seinem Quintet in Europa unterwegs, auch mit dem Trio BassDrumBone. In der Balinger Siechenkirche bleibt ein Soloauftritt von ihm in bleibender Erinnerung. Die letzten 20 Jahre lehrte Hemingway als Schlagzeugprofessor an der Musikhochschule in Luzern, gab aber weiterhin Konzerte, ob in Europa oder den USA.

 

Jetzt ist das Schlagzeug ein Instrument, mit dem sich schwer konkrete Emotionen und Gefühle ausdrücken lassen, was zu den Beschränkungen des Perkussionsinstruments zählt, auch wenn seine Kapazitäten weit über den einer bloßen Rhythmusmaschine hinausgehen, was niemand besser gezeigt hat als Gerry Hemingway. 




Gerry Hemingway hat dieses Manko offensichtlich gespürt und mehr und mehr als Einschränkung empfunden. Nun hat er 2022 ein Album veröffentlicht, das ihn als Singer-Songwriter präsentiert, auf dem er Schlagzeug spielt, aber auch singt. Und die Texte und Songs sind sowieso von ihm. Eine solche Konversion ist kein leichter Schritt, weil es gegen verbreitete festsitzende Vorurteile geht, die da lauten: Schuster bleib bei deinem Leisten! 

 

Und nun die Überraschung: „Afterlife“ (Auricle Records), so der Titel des Album, ist ein durchweg ausgeklügeltes Werk. Mit Sampler, Drums und der Hilfe einiger Gastmusiker hat Hemingway eine CD mit neun Songs geschaffen, die originell, musikalisch vielfältig, wunderbar arrangiert und von großer Sensibilität sind. Gelegentlich klingt es calypsohaft karibisch, manche Melodien offenbaren Ohrwurmcharakter, der Gesang ist einfühlsam und zurückhaltend und die Arrangements flimmern in den buntsten Farben. Ein rundum gelungenes Album. 


Auf Bandcamp kann man in die Platte reinhören:


https://auriclerecords.bandcamp.com/album/afterlife


 

 

Scheibengericht Nr. 29: Knipsen das Licht an

Bemerkenswertes aus Stuttgart

Das Elektronik-Trio Knipsen

Dass Stuttgart doch immer wieder interessante Musik hervorbringt, beweist die Gruppe Knipsen. Mein Kumpel Simon Steiner, der sie im Ritterstüble in Stuttgart-Heslach neulich hörte und ziemlich begeistert war, hat mich auf sie aufmerksam gemacht. Knipsen sind ein Trio mit elektronischer Schlagseite, das aus Carsten Netz (Flöte, Saxofon), Markus Merkle (Electronic, Perkussion) und Michael Fiedler (Noise, Loops) besteht. 

Den dreien gelingt es, eine außergewöhnliche Musik zu kreieren, deren Fundament aus elektronischen Sounds und Loops besteht, die schwebt, und doch rhythmisch pulsiert und über die Saxofon oder Querflöte sparsam, lange, oft angeraute Töne legen. Wie Simon berichete zog die Band das Publikum im Ritterstüble von Anfang an vollständigt in den Bann. 


 

Mich erinnert ihre Musik an frühe Aufnahmen von Terry Riley, als dieser noch Sopransaxofon spielte, auch an Cluster oder die frühen Kraftwerk, als die Band aus Düsseldorf 1970 noch mit rudimentären elektronischen Apparaten hantierte. „Ruck Zuck“ war damals Kraftwerks Paradenummer, in welcher die Tonstöße der Querflöte den Rhythmus formten. So ähnlich agieren auch Knipsen. Sie entwerfen weite, anschwellende Klangfelder oder rhythmische Loops, die in vielfältigen Farben schillern und flimmern. Meditativ, minimalistisch, sensibel und äußerst originell – absolut überzeugend!

 

Auf Bandcamp kann man in ihr Debutalbum reinhören:

 

https://knipsen.bandcamp.com/album/knipsen