Spider John
Koerner
Das Comeback
eine Folklegende
„Bluestitel waren interessant für mich, weil sie oft eine Poesie besaßen,
die sehr treffend war.“
Für altgediente Folkfans ist Spider John Koerner ein Begriff. Der Gitarrist
und Sänger wurde in den sechziger Jahren mit dem Trio Koerner, Ray & Glover
bekannt, dessen mitreißende „Blues, Rags & Hollers“ (so ein Plattentitel
von 1963) einen großen Einfluß auf viele Folkmusiker ausübten. Die Gruppe war
eine der wenigen weißen Bands, die schwarzen Blues überzeugend präsentieren
konnten. Lange Zeit war es ziemlich ruhig um den Veteranen geworden. Jetzt ist
er wieder mit seiner Gitarre unterwegs und hat ein neues Album im Gepäck, das
an die großen alten Zeiten anknüpft, als selbst Bob Dylan sich von ihm
inspirieren ließ.
Will man mehr über Spider John Koerner erfahren, liefern die ‚Chronicles’
reichlich Material. Bob Dylan hat in sener Autobiographie Koerner mehrere
Seiten bewidmet und ihn als einen der wichtigsten Einflüsse seiner formativen
Jahre bezeichnet: „Ich war auf der Suche nach anderen Musikern mit ähnlichen
Interessen. In einem Beat-Café saß der erste Geistesverwandte herum, den ich in
Minneapolis kennenlernte. Es war John Koerner und auch er hatte eine akustische
Gitarre dabei,“ schreibt Robert Zimmerman. „Wir verstanden uns auf Anhieb. Er
beschäftigte sich schon ein paar Jahre länger als ich mit Folk. Aber er spielte
auch viel Blues. Er sprach mit leiser Stimme, sang aber so laut wie ein
Feldarbeiter. Koerner war ein mitreißender Sänger und von da an machten wir oft
zusammen Musik. Ich lernte viele Songs von ihm.“
Bob Dylan war nicht der einzige, der John Koerner von seinem Ingenieurstudium
abhielt. Auf einer Party traf Koerner den Gitarristen Dave Ray, der Countryblues
à la Leadbelly spielte. „Dave brachte seinen Freund Tony Glover mit, einer
Mundharmonikaspieler, und wir gründeten das Trio Koerner, Ray & Glover,“
erzählt Koerner. „Damals begann ich mich leidenschaftlich für Blues zu interessieren.“
Ihr Songmaterial fand die Gruppe auf alten zerkratzten Schellackplatten.
Darüber hinaus traten jetzt Bluessänger wie Josh White, Jesse Fuller oder Big
Joe Williams in ihren Gesichtskreis. Konzerte boten die Gelegenheit, den
schwarzen Musikern genauer auf die Finger zu gucken. Aus all diesen Einflüssen
entwickelten die drei mit der Zeit ihren eigenen Stil.
In Amerika kam Anfang der sechziger Jahre das Folkrevival allmählich in
Fahrt. Oft dienten Coffeehouses in Universitätstädten als Startrampe für junge
Talente. “Irgendwo in einer Ecke gab es meistens ein kleines Podest“, erzählt
Koerner. „Abends stieg jemand auf die Bühne und gab ein paar Songs zum Besten.“
Anfangs spielte Koerner mit seinen Freunden nur traditionelle Bluesnummern
nach. „Dann fing ich an, eigene Songs zu erfinden. Bluestitel waren interessant
für mich, weil sie oft eine Poesie besaßen, die sehr treffend war.“ Koerner veröffentlichte
ein erstes Soloalbum und trat auf dem Newport Folk Festival auf.
1972 geriet er in eine Schaffenskrise. Er gab das Musikmachen auf und
verschenkte seine Gitarre. „Ich hatte intensiv versucht, wie ein schwarzer
Bluessänger zu klingen, was mir mit der Zeit immer problematischer vorkam,“
erklärt er das Problem. „Als ich nach einem Jahr auf die Szene zurückkehrte,
war das Publikum etwas irritiert, weil ich nun statt Bluesnummern vermehrt
Folksongs spielte.“
Dabei ist es bis heute geblieben. Auf seiner aktuellen Einspielung breitet Spider
John Koerner mit Hilfe des Fiddlespielers Chip Taylor Smith, der auch zweite
Stimme singt, ein Repertoire aus, das hauptsächlich traditionelle Folksongs
umfasst. Die eine oder andere Bluesnummer ist auch darunter, dazu ein paar
eigene Lieder. Ein paar Songs werden unbegleitet gesungen, begleitet nur vom rhythmischen
Klappern der ‚Bones’.
Von seiner Vitalität hat der heute 75jährige kaum etwas eingebüßt. Noch
immer überzeugt er mit einem „unbelievably funky guitar style“, wie
Gitarrekollege Martin Simpson schwärmt. Und der ‚New Yorker’ meinte neulich, John
Koerner sei wohl das Näheste, wie man heute Charlie Patton nahe kommen könnte.
Spider John Koerner with Chip Taylor Smith: What’s Left Of Spider John
(Hornbeam Records)
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