Von Sansibar nach Santa Fee
Auf ihrem neuen Album präsentieren sich Hiss als Abenteurer der Meere
cw. Nachdem sich Schwoißfuaß schon lange und Grachmusikoff zum Jahreswechsel in den Ruhestand verabschiedet haben, ist die Stuttgarter „Rootsmusic“-Band Hiss die letzte der legendären Gruppen aus dem Südwesten, die noch nicht das Handtuch geworfen hat. Natürlich wird das Leben als hartarbeitender Musiker nicht leichter mit zunehmendem Alter: die Kräfte schwinden, Gicht kriecht in die Finger, und das Rückgrat schmerzt vom schweren Schifferklavier. Trotzdem denken die fünf Mannen von Hiss noch nicht daran, die Segel zu streichen. Im Gegenteil: Gegründet vor fast 25 Jahren tingelt die Band um Sänger, Liederschreiber und Akkordeonspieler Stefan Hiss weiterhin unermüdlich durch die Clubs, Kellerbars und Musikkneipen der Republik. Zu ihren besten Zeiten absolvierten sie mehr als 120 Auftritte pro Jahr – von Kiel bis Konstanz, rauf und runter die Autobahn. Heute sind es ein paar weniger. Hiss hat einen Gang zurückgeschaltet – das Alter fordert sein Tribut.

Wie immer schlüpfen die Musiker in die Rollen von Geschichtenerzählern und entführen mit ihren Liedern die Zuhörer in ferne Weltgegenden – von „Sansibar nach Santa Fee“ wie einer der Titel heißt. Die Songs berichten vom aufregenden Leben der Weltenbummler und Draufgänger jenseits unserer blassen Vollkasko-Smartphone-Existenz. Nicht ohne ein Augenzwinkern bedienen Hiss Sehnsüchte nach Abenteuer und Fernweh, von denen die gesamte Urlaubsbranche lebt.
Allerdings geht es bei Hiss verwegener zu. Ihre Exkursionen sind auch Fahrten in die Vergangenheit, als noch Seeräuber, Freibeuter und Meeresungeheuer die Ozeane beherrschten und die schwarze Totenkopfflagge am Mast baumelte. Sie lassen die Welt von Herman Melvilles „Moby-Dick“ und Jack Londons „Seewolf“ wieder auferstehen, als es noch harte, verwegene Männer gab und verführerische Frauen, wobei in jedem Vers eine gehörige Portion Ironie mitschwingt. Hiss führen die Zuhörer in gefährliche Hafenkneipen irgendwo in der Fremde, in denen der Rum in Strömen fließt und durchtriebene Halunken und leichte Mädchen nach dem Geld und Leben der Matrosen trachten. So bietet die CD ein wildes imaginäres Reiseerlebnis für Süßwassermatrosen im Ohrensessel daheim.
Die „Sea Shanties“ von Hiss sind abgehangene Titel ohne Firlefanz, in originelle Arrangments verpackt und mit brillanten Soli garniert. Einmal mehr offeriert die Band Rootsrock der Extraklasse, gereift durch Tausende von Auftritten in den letzten Jahrzehnten. Je älter die Musiker werden, umso abgeklärter klingt ihre Musik. Noch geht die Mannschaft nicht von Bord.
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