Der Menschenfreund
Liedermacher Hans Söllner vor ausverkaufter Kulisse in Tübingen
Fotos: C. Wagner
cw. „In Bayern sind alle Anarchisten und die wählenzu 60 Prozent die CSU," hat der Schriftsteller und Filmemacher Herbert Achternbusch vor einiger Zeit einmal gesagt. Einer von diesen Zeitgenossen, die die Herrschaftslosigkeit propagieren und auch zu leben versuchen, ist der Sänger und Liedermacher Hans Söllner, von dem man allerdings sicher sein kann, dass er nicht CSU wählt, wenn er überhaupt zum Wählen geht, was man bezweifeln kann.
Denn seit über dreißig Jahren – so lange dauert seine Karriere schon – wird der Widerspenstige aus Bad Reichenhall von der bayerischen Staatsmacht verfolgt, die ihn schon zigmal vor Gericht gebracht hat wegen Beleidigung von Politikern oder Drogenbesitzes, denn Söllner ist ein überzeugter Kiffer: „Aus religiösen Gründen“, wie er sagt, da er sich der jamaikanischen Glaubensrichtung Rastafari zugehörig fühlt.
Konsequent tritt der Politsänger deshalb für die Legalisierung von Mariuhana ein, was die Staatsmacht regelmäßig auf den Plan ruft, die glaubt mit Razzien, Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen ihrer polizeilichen Aufgabenpflicht nachkommen zu müssen. Kein Wunder, dass sich Söllner schikaniert und drangsaliert fühlt. Auch beim Konzert in Tübingen war die Polizei in voller Stärke präsent, hatte die Bundesstraße 27 abgesperrt, um verdächtig aussehende Fans genauer unter die Lupe zu nehmen, wobei man sich fragen kann, ob da noch die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt blieb.
Diese Scharmützel mit dem Staat, die sich schon über Jahre hinziehen, bestimmten thematisch auch in großen Teilen den Auftritt von Söllner im Freilicht-Ambiente des Tübinger Sudhauses, das schon seit Wochen restlos ausverkauft war, denn Söllner hat eine treue Fangemeinde, die seine Ansichten und Glaubensbekenntnisse teilt und auch von weit her zu seinen Auftritten pilgert. Beim Song „Edeltraud“ („du hast a sauguats Gras anbaut“) oder „Mei Vodda“ („Mein Vater hat einen Mariuhana-Baum“) sang das Publikum aus vollen Kehlen mit, wobei sich beinahe eine alternative Schunkelstimmung breitmachte.

Natürlich nimmt der Liedermacher die Mächtigen ins Visier, wobei ein Politiker wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für den Impfgegner inzwischen zu einem roten Tuch geworden ist, den er kritisiert und attacktiert. Aber auch der ehemalige grüne Außenminister Joschka Fischer bekommt sein Fett ab, dem der aufrechte Linke vorwirft, seine Ideale verraten zu haben. Söllner appelliert an Solidarität und Mitgefühl, ruft seine Fans auf, sich wieder öfters in die Augen zu sehen, wobei der Vegetarier fordert, den Versuch zu wagen, sich ein Jahr lang ohne Hühnerfleisch zu ernähren. Daneben kommt auch das große Thema der Liebe nicht zu kurz, die Söllner vom Zustands des Verliebtseins unterscheidet. Trotz seiner Meinungstärke kommt Söllner nicht als verbiesterter Fanatiker daher, sondern trägt seine Einsichten lässig und mit viel Ironie und Witz garniert vor. Hier wundert sich einfach jemand über die Welt und den Wahnsinn, der um ihn herum stattfindet.

Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Baden-Württemberg
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