Saturday 30 January 2021

Neue Musik für Cembalo: Brillantes Album von Mahan Esfahani

 Mahan Esfahani
setzt seine Mission fort, das Cembalo zu einem relevanten Instrument der zeitgenössischen Musik zu machen

 


cw. Das Cembalo gilt als period instrument, das im Barock, bei Bach, Händel, Couperin und Rameau, seine Blütezeit erlebte. Danach wurde es vom leistungsfähigeren Hammerklavier abgelöst, weshalb zeitgenössische Werke für Cembalo relativ dünn gesät sind, obwohl Komponisten wie Henze, Ligeti, Glass oder Nyman für das Instrument geschrieben haben. 

 

Der iranisch-amerikanische Tastenmusiker Mahan Esfahani hat sich zur Aufgabe gestellt, dem Cembalo in der zeitgenössischen Musik mehr Gewicht zu verschaffen, indem er zeigt, wie viele ungenutzte Klangmöglichkeiten in dem Instrument noch stecken. Dass dieses Anliegen nicht unbedingt den Applaus der Anhänger klassischer Cembalomusik findet, hat Esfahani des öfteren erfahren. Als er 2016 in einem Konzert in der Kölner Philharmonie Werke von Johann Sebastian Bach und seinem Sohn Carl Philipp Emanuel neben einer Komposition von Steve Reich präsentierte, brach ein Sturm der Entrüstung los.

 

An solche Traditionalisten sendet Esfahani nun mit dem Album Musique? eine eindeutige Botschaft. Der Tastenmusiker hat ausschließlich zeitgenössische Werke in die Veröffentlichung aufgenommen, wobei die älteste Komposition (Set of four) von Henry Cowell aus dem Jahr 1960 stammt und die jüngste (Intertwined distances) von Anahita Abbasi aus dem Jahr 2018. Dazwischen finden sich Kompositionen von Luc Ferrari, Toru Takemitsu, Kaija Saariaho und Gavin Bryars, die das Cembalo in den unterschiedlichsten Farben zeigen, manchmal als rein akustischer Klangerzeuger, dann wieder von Elektronik verfremdet und verzerrt. 

 

Das klanglich harscheste und auch längste Stück ist Luc Ferraris Programme commun «Musique socialiste?» von 1972. Von flirrenden Tonkaskaden und heftigen Akkordclustern ausgehend, mündet die Komposition in einen wahren Karatekampf mit dem Instrument, der mit gezielten Handkantenschlägen in die Tastatur und gegen den hölzernen Korpus geführt wird. Erst gegen Ende kehrt die fast 20minütige Komposition in ruhigeres Fahrwasser zurück, um schließlich nur noch einzelne leise Töne – mit langen Pausen dazwischen – anzuschlagen, bis das Stück schließlich in der Stille verklingt. 


 

Ganz anders Gavin Bryars. Er hat mit After Handel’s ’Vespers’ ein Stück voller historischer Bezüge entworfen, das die Blütezeit des Cembalos noch einmal anklingen läßt, um sie dann mit dichten Akkorden, schelmischen Zitaten und dynamischen Sprüngen ins Zeitgenössische zu wenden. 

 

Insgesamt ist Mahan Esfahani mit «Musique»? ein rundum brillantes Album gelungen, welches das Fragezeichen im Albumtitel als rein ironisch erscheinen läßt. Den Verächtern moderner Cembalomusik gibt Esfahani die Versicherung auf den Weg: «Be assured, my friends, that much more of this is on its way.» Man darf gespannt sein. 


Mahan Esfahani: «Musique»? Modern and electro-acoustic works for harpsichord. 

Toru Takemitsu, Kaija Saariaho, Anahita Abbasi, Gavin Bryars, Henry Cowell, Luc Ferrari (Hyperion CDA68287)

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