Mit offenen Ohren
Mit einem neuen Album und in neuer Besetzung erlebt die Ethno-Jazzrock-Formation Embryo derzeit ein fulminantes Revival – selbst der amerikanische Hiphop-Star Madlib outet sich als Fan
CW: Embryo gibt es 2022 seit 53 Jahren. Nach dem Tod von Bandleader Christian Burchard 2018 hat sich die Münchner Formation neu aufgestellt und ist seither unter der Führung von Burchards Tochter Marja unterwegs. Das neue Album „Auf Auf“ erscheint auf dem Label Madlib Invazion des amerikanischen Hiphop-Produzenten Madlib, einem „Mover and Shaker“ der Black-Music-Scene in den USA, der von
und Kanye West mit allen gearbeitet hat. Wie kam die Verbindung zustande?
Marja Burchard: 2010 kam eine Anfrage aus heiterem Himmel, dass Madlib Interesse hätte, mit Embryo zusammenzuarbeiten. Madlib ist ein ungeheurer Musikliebhaber, der seit Jahren die Embryo-Schallplatten sammelt. Er hat ja eine der größten Plattensammlungen überhaupt, Tausende und Tausende von Vinyl-Scheiben. Sein musikalisches Interesse ist extrem weit gespannt. Als Madlib dann für Auftritte nach Europa kam, haben wir uns mit ihm getroffen hier in München im Schwabinger Keller. Mein Vater, als alter Hippie, dem Erfolg per se verdächtig war, hat ihn dann auf Herz und Nieren geprüft, ob er auch von Musik etwas versteht. Er hat ihn nach Dutzenden von Musikern befragt, und Madlib kannte sich vorzüglich aus. Das hat das Eis gebrochen. Wir haben gemerkt, das ist kein Scharlatan, der Typ kennt sich echt in der Musik aus.
CW: Gab es eine Session?
Marja Burchard: Ja, wir haben einfach unsere ganzen Instrumente aufgebaut dort unten im Keller und los gings. Er war mit Feuereifer dabei, wie so ein kleiner Junge, der sich einfach freut, mit uns hier Musik machen zu können. Er hat mal Schlagzeug gespielt, dann Keyboards. Das Marimba hatte es ihm besonders angetan. Wir hatten sofort einen direkten Draht, und das ging dann richtig ab. Er war total begeistert und wollte gar nicht mehr aufhören, immer noch ein weiteres Stück und noch eins improvisieren. Die Leidenschaft für die Musik war mit Händen zu greifen.
CW: Kam es auch zu einem Live-Auftritt?
Marja Burchard: Das war alles bereits festgezurrt und angekündigt, doch musste er dann kurzfristig wegen einer Operation absagen. Das Konzert fand trotzdem statt, allerdings ohne ihn. Es ist auf Youtube zu sehen und heißt „Embryo without Madlib“, was humorvoll gemeint ist, weil ja alle Konzerte von Embryo „without Madlib“ sind.
Madlib-Jam mit Embyro, 2010 (Foto: Embryo)
CW: War eine Schallplatte geplant?
Marja Burchard: Ja, aber dann wurde mein Vater krank. Es wurde dann versucht, das nochmals in Angriff zu nehmen, auch meinem Vater zuliebe, kam aber nicht mehr zustande. Es ist weiterhin in der Pipeline, und möglicherweise wird noch irgendwann etwas daraus. Madlib ist einfach extrem ‚busy‘.
CW: Wie kam es dazu, dass euer neues Album auf seinem Madlib Invazion-Label erscheint?
Marja Burchard: Wir blieben in Kontakt, schrieben uns ab und zu eine Email. Er und sein ‚Right Hand Man‘ Eothen Alapatt, den alle nur unter dem Namen Egon kennen, waren interessiert zu wissen, was wir machen, und wir waren andersherum ebenfalls an deren Aktivitäten interessiert. Wir erzählten ihnen, dass wir im Studio sind, um eine neue Platte aufzunehmen, und sie sprangen sofort darauf an. Sie waren heiß darauf, die Aufnahmen zu hören. Egon war völlig begeistert und hat sie gleich an Madlib weitergeleitet, und zack! – schon hatten wir ein Label. Innerhalb von ein paar Stunden kam die Zusage, wogegen wir bei anderen Labels oft Wochen und Monate auf eine Antwort gewartet haben. Egon und Madlib kennen einfach die ganze Embryo-Geschichte in und auswendig und waren begeistert, wie sich das jetzt weiterentwickelt. Andere Labels haben diese Background nicht, wussten oft nicht, woher wir kommen und konnten uns irgendwie nicht so richtig einordnen.
CW: Madlib und Egon sehen euch anders. Für die beiden seid ihr nicht die Hippie-Krautrockband, ein Image das Embryo ja in Deutschland noch immer anhaftet....
Marja Burchard: Genau. Madlib und Egon sehen das rein musikalisch. Sie wissen über die Geschichte der Band Bescheid. Sie wissen, dass Embryo mit schwarzen „Heavy Weights“ wie Mal Waldron, Jimmy Jackson und Monty Waters gespielt hat und deswegen verehren sie die Band.
CW: Was erwartet ihr von der Veröffentlichung?
Marja Burchard: Es ist natürlich toll bei Madlib die Platte herauszubringen, weil sein Label international aufgestellt ist, wodurch sich für uns hoffentlich neue Möglichkeiten eröffnen. Wir merken bereits, dass es in Hiphop-Kreisen plötzlich Interesse an Embryo gibt, weil wir mit Madlib zu tun haben. Das hat schon eine Wirkung, wobei Musiker aus dem Hiphop-Umfeld mir immer schon als die Neugierigsten vorkamen. Sie interessieren sich für jede Art von Musik – Jazz, Beat, Klassik, Ethno, Easy Listening. Diese musikalischen Fundsachen bauen sie später in ihren Mix ein.
Embryo: Auf Auf (Madlib Invazion)