Tuesday 20 September 2022

Scheibengericht: Ensemble 0 – Musica Nuvolosa

Scheibengericht 6:

Delikate Musik als Ziel

Das Ensemble 0 mit neuem Album – von Ligeti bis Oliveros

 


Wertung: 4 von 5


Das französische Ensemble 0 (sprich: zero) hat sich durch diverse Projekte in den letzten Jahren einen exzellenten Ruf erworben. Im Kielwasser von Gruppen wie Bang On A Can, Alarm Will Sound und Zeitkratzer 2004 gegründet, widmet sich die Formation neben Kompositionen ihrer Mitglieder, vor allem solchen Komponisten und Komponistinnen, die in die Ritzen zwischen den Stilen fallen. Eine undogmatische Begeisterung für vielerlei Arten von moderner, post-moderner und avantgardistischer Musik prägt die Ästhetik, wobei sich die Gruppe anfangs als „post-minimalistisch“ verstand, inzwischen aber jede Kategorisierung von sich weist: Delikate Musik zu machen, sei das Ziel. 

 

Nach dem Debutalbum, einem Schelmenstreich mit dem Titel „4‘33“, das fünf verschiedene Versionen des berühmten stummen Stücks von John Cage enthielt und 2006 erschien, hat die Gruppe auf den folgenden Veröffentlichungen Kompositionen u.a. von Julius Eastman, Moondog, Arthur Russell, Lou Harrison, Gavin Bryars oder Petar Klanac auf interessante Weise in Szene gesetzt. 


 Ensemble 0 (Foto: Raphaelle Mueller)


Die aktuelle Einspielung „Musica Nuvolosa“ (=wolkige Musik) ist die sechzehnte Veröffentlichung des Ensembles und als Werk der Gegensätze konzipiert. Auf der einen Seite steht das Eröffnungsstück „Horse sings from cloud“ der Amerikanerin Pauline Oliveros – eine Meditation in monochromen Klängen aus dem Jahr 1982. Den Kontrast dazu bildet  „Musica Ricercata“ von Györgi Ligeti, ein Werk, das zwischen 1951 und 1953 entstand und dessen elf Sätze selbst schon in die Extreme gehen. Von lyrisch-verträumt über temperamentvoll-quirrlig bis zu dramatisch-expressiv reicht das Spektrum. Ligeti nimmt dabei auf die „Ricercata“ aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Bezug, eine musikalische Form, die dazu einlud, die Möglichkeiten eines Motivs auf fantasievolle Weise auszuloten.

 

Sowohl das Akkordeon-Stück von Oliveros als auch die Klavierstücke von Ligeti sehen sich vom Ensemble 0 in kammermusikalische Arrangements überführt, wobei eine farbenreiche Instrumentierung neue Facetten zum Vorschein bringt. Ligeti flirtet im fünften Satz etwa mit Tanzformen wie dem Walzer („tempo di valze“), während der fast 20minütige „Drone“ für Akkordeon und Stimme von Oliveros an einen buddhistischen Om-Gesang erinnert. 


Ensemble 0 (Foto: Promo)


 

Durch feinste Überlagerungen von Instrumenten wie Flöte, Klarinette, Violine, Bratsche, Cello, Marimba, Vibrafon und Piano gelingt es dem Ensemble 0, dem meditativ versunkenen Charakter des Stücks gerecht zu werden. Lange, sich wiederholende Töne kreieren eine ruhige Stimmung, was auf mikroskopische Weise kleinste Tonschwankungen und Schattierungen zum Vorschein bringt. Im Gegensatz dazu entfaltet bei den Ligeti-Stücken das Ensemble 0 mit riesigem Instrumentarium eine Buntheit an Klängen, deren hellwache Interpretation die „Musica Ricercata“ zu einer höchst abwechslungsreichen Angelegenheit macht, diverse Überraschungen inbegriffen.


Ensemble 0: Musica Nuvolosa (Sub Rosa)


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