SCHEIBENGERICHT 8:
Günter Baby Sommer plus
Günter Baby Sommer & The Lucaciu 3
Karawane
(Intakt Records)
Wertung: 4 von 5
Baby Sommer Kiecktett
Quiétude Fragile
(Neos Music)
Wertung: 4 von 5
Die erste Platteneinspielung, an der er beteiligt war, stammt von 1965. Günter „Baby“ Sommer hat sich in seiner Karriere von den Radebeuler Tanzrhythmikern zu einem der profiliertesten Schlagzeuger des modernen Jazz entwickelt. Nächstes Jahr wird der Trommelveteran aus Dresden achtzig Jahre alt.
Sommer ist ein klangbewußter Schlagzeuger mit einem Gespür für die melodischen Seiten des Instruments. Der Dresdener spielt kein Schlagzeug von der Stange, sondern eine höchstindividuelle Zusammenstellung spezieller Trommeln, Pauken, Becken und Gongs, auf denen er eine ganz eigene Diktion entwickelt hat. Vielleicht sollten man ihn eher als Perkussionisten betrachten, der mit Timbres, Klanggeweben und Akzenten arbeitet, die bis ins Geräuschhafte gehen können.
Günter Baby Sommer & The Lucaciu 3 (Promo)
Für das Album „Karawane“ hat sich Sommer mit den Brüdern Antonio, Simon und Robert Lucaciu aus Leipzig zusammengetan und einen melodiestarken Jazz mit starkem rhythmischen Fundament entworfen, der manchmal fast hymnisch gerät und mit kurzen Abstechern in die Welt der Dur-Tonalität an das klassische Quartett von Keith Jarrett mit dem Saxofonisten Dewey Redman aus den 1970er Jahre erinnert. Ein Dutzend Titel enthält das Album, die von Sommer, aber auch von zwei der Lucaciu-Brüder stammen und ein weites stilistisches Feld abstecken, das von packenden Groove-Nummern im Shuffle-Beat über träumerische Balladen und raffinert verschachtelten Jazzminimalismus bis zu Ausflügen in Samba und Calypso reicht. Oft bilden Sommers Schlagmuster die Ausgangsbasis der Titel, über die Antonio Lucaciu mit seinem Altsaxofon ekstatische Linien bläst. Sein Bruder Simon antwortet mit luftigen Klavierakkorden und originellen Dissonanzen, während Robert Lucaciu am Baß für die nötige Erdung sorgt. Auf einem Stück verwandelt sich der Drummer in einem Oberdada, der selbstgestrickte Lautgedichte à la Hugo Ball oder Kurt Schwitters Ursonate rezitiert.
Günter Baby Sommer & Uli Kieckbusch (Promo)
Im Unterschied zu dieser „Boy Band“ ist Sommer‘s Kiecktett ein paritätisch besetztes Ensemble, in welchem Uli Kieckbusch Piano, Katharina Sommer Querflöte und Laura Strobl Bratsche spielt. „Comprovisationen“ nennen die vier ihr musikalisches Konzept, was bedeutet: Hier kann Auskomponiertes für sich alleine stehen, aber auch als Wegweiser fungieren, um dem freien Spiel eine Richtung zu geben und so Redundanzen zu vermeiden. Stimmungen und Atmosphären variieren. Die Kombination der Instrumente wird vielfältig genutzt, wobei manchmal nur zwei, manchmal drei der Beteiligten miteinander interagieren, dann aber auch wieder das ganze Ensemble zum Einsatz kommt. Mit der chinesischen Hulusi-Mundorgel, einem Instrument mit Messingzunge, gespielt von Katharina Sommer, kommt ein ganz anderer Klang ins Spiel, den Uli Kieckbusch mit der Mundharmonika flankiert, während Günter Sommer auf einer Marimbafon ein komplexes Schlagmuster unterlegt, was für weitere Abwechslung in dieser an Vielfalt und Originalität nicht armen Musik sorgt.
Baby Sommer Kiecktett: Schlakl (youtube)