Wednesday, 31 January 2024

Jodeln als musikalisches Esperanto

Festival LAUTyodeln München 9. – 11. Mai 2024

OPAS DIANDL – Baslan Nr5  mit Veronika Egger, Buson (Daniel Faranna), Markus Prieth (youtube)



Nach längerer, Covid-bedingter Pause findet dieses Jahr wieder das LAUTyodeln-Festival in der dritten Ausgabe statt.

Das Festival umfaßt etliche Jodel-Workshops und drei Konzerte: 


9. Mai 2024, Fraunhofer Wirtshaus, München

Traudi Sifelinger präsentiert traditionelle Oberbaierische Jodelgesänge, Blas- und Saitenmusik


10. Mai 2024 Carl-Orff-Saal, Gasteig, München

Ernst Molden, Ganes und Stimmreise. ch 3


Die Alpen sind ein Herzland des Jodelns. Um Traditionen zu bewahren, gilt es, das Alte mit neuen Ideen aufzufrischen. Beim Festival LAUTyodeln Vol. 3 beleben drei Gruppen mit viel Fantasie den traditionellen Jodelgesang der Alpenregion und zeigen ihn in seiner ganzen Vielfalt.

 

Stimmreise.ch 3 ist ein Vokalensemble aus der Schweiz, das von Nadja Räss ins Leben gerufen wurde. Der A-Cappella-Gesang der vier Frauen gleicht einer Tour durch die unterschiedlichsten Jodellandschaften. Die Musik oszilliert zwischen Tradition und Moderne und bezieht Elemente aus Pop, Jazz und der Avantgarde ein. 

 

Die Gruppe Ganes der Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen kommt aus einem Dorf in den Dolomiten, wo noch Ladinisch gesprochen wird, was ihren Liedern eine besondere Prägung verleiht. Mit ihren Stimmen, einem beachtlichen Arsenal an Saiten- und Blasinstrumenten sowie elektronischen Effekten weben Ganes Klänge, die voller Magie und Zauber stecken.  

 

Ernst Molden, einer der Großen der österreichischen Szene, ist mit den Dudlern seiner Heimatstadt Wien ebenso vertraut wie mit dem „American Yodeling“, das einst die frühe Countrymusik prägte. Unterstützt von Maria Petrova am Schlagzeug, singt Molden Songs von Jimmie Rodgers oder Hank Williams so überzeugend im „Weaner“ Dialekt, dass man meint, die Lieder wären nicht am Mississippi, sondern an der Donau entstanden.   


Ernst Molden & Maria Petrova (Promo)




11. Mai 2024, ZIRKA Halle, München

 

Opas Diandl & Vue Belle plus Jodeln für alle 


Zwei Ensembles bestreiten den letzten Abend des LAUTyodeln Festival 2024, der zum großen Finale in ein Jodeln für alle mündet, moderiert von Anna Veit und Markus Prieth.

 

Opas Diandl ist ein Ensemble aus dem Vorarlberg, das mit einem feinen Gespür für die Gesangstraditionen ihrer Region eine Klangpoesie entfaltet, die ineinander verflochtene Jodelmelodien, sinnliche Texte und einfühlsame Saitenklänge zu einer neo-traditionellen Stubenmusik verbindet, die unter die Haut geht. Eine außergewöhnliche Kombination von akustischen Instrumenten wie Viola Da Gamba, Zither, Banjo oder die schwedischen Nyckeharpa prägen neben dem mehrstimmigen Gesang den Gruppenklang.

 

Wie man weiß, sind die Alpen nicht die einzige Region, wo gejodelt wird. Überschlagenden Gesang gibt es auch an anderen Orten der Welt. Vue Belle nennt sich ein Ensemble, das als Bandprojekt von Geflüchteten 2018 entstanden ist. Zusammen mit der Gruppe unternehmen Anna Veit und Paul Huf den Versuch, das Potential des Jodelns als Mittel der Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg auszuloten und so einen offenen Austausch zwischen den musikalischen Wurzeln aller Beteiligten zu ermöglichen. Vue Belle geht es darum, das Jodeln als interkulturelles musikalisches Esperanto zur Geltung bringen.

 

Die Esperanto-Idee wird dann unter Anleitung von Anna Veit (Vue Belle) und Markus Prieth (Opas Diandl) im zweiten Teil des Abends beim Jodeln für alle weitergesponnen. Der Konzertsaal wird dafür in einen musikalischen Erlebnisraum umgedacht, um zusammen die erhebende Kraft gemeinsamen Jodelns zu erleben. 

 


Saturday, 20 January 2024

Popvideo extraordinaire 5: Aoife O'Donovan - All My Friends

Aoife O'Donovan, Singer-Songwriterin aus Brooklyn, ist mir zum ersten Mal durch ihr Mitwirken am Pete-Seeger-Album des Kronos Quartets aufgefallen. Jetzt kündigt sie für Ende März ein neues Album an. Vorab daraus das eindrucksvolle Titelstück als Single – eine Hommage an die historische Frauenbewegung.

Aoife O'Donovan - All My Friends (YEP ROC RECORDS/BRUTUS)




Wednesday, 17 January 2024

Zum Tod von Sigi Schwab (1940 – 2024), Gitarrist, Sitar-, Veena- und Tarang-Spieler extraordinaire

Als Ravi Shankar meine Sitar spielte 

 

Sigi Schwab führte die Sitar in den deutschen Underground-Rock ein – jetzt ist der Münchner Saitenvirtuose gestorben


Embryo, 1971, mit Sigi Schwab (Gitarre) ganz links, Dave King (b), Christian Burchard (dr), Edgar Hoffmann (Sax) v.l.n.r



 

Siegfried "Sigi" Schwab, Mitglied von Wolfgang Dauner's Et Cetera, Embryo und der Chris Hinze Combination sowie im Duo mit Peter Horton, war ein virtuoser Jazz- und Rockgitarrist, der das indische Saiteninstrumentarium in den deutsche Underground-Rock einführte: Sitar, Veena und Tarang. In einem Interview erzählte er mir 2011, wie er einmal dem indischen Sitarmeister Ravi Shankar aus der Patsche half: 

 

Durch die "Great Sitar Revolution" englischer Popgruppe wie der Beatles, der Stones und Traffic spitzten junge Musiker auch in Deutschland die Ohren. Inspiriert durch ein Konzert von Ravi Shankar und Yehudi Menhuin, das Sigi Schwab im Fernsehen gesehen hatte, begann er sich Mitte der 60er Jahre für die Sitar zu interessieren. Allerdings hatte er ein Problem: In Deutschland war keine Sitar aufzutreiben. Erst in London wurde Schwab fündig, allerdings kostete allein die Holzkiste, die eigens für den Versand der Sitar hätte gezimmert werden müssen, genauso viel wie das Instrument selbst, was die Sitar für Schwab unerschwinglich machte. Er suchte weiter. Schließlich hörte er von einem Instrument, das ein Angehöriger der indischen Botschaft verkaufen wollte, der er in seine Heimat zurückkehrte. Diesmal kam der Kauf zustande, und Schwab erhielt noch eine kleine Einführung in die Handhabung und Spieltechnik des Instruments. Den Rest brachte er sich selber bei. Mit indischer Musik hatte das allerdings nichts zu tun. Schwab spielte einfach westliche Gitarrenläufe auf dem Instrument. 


Embryo mit Sigi Schwab (ganz links)


 

Bald konnte er das Instrument bei Studioaufnahmen einsetzen. Die neuen Sounds waren gefragt, nicht zuletzt in den Filmstudios von Berlin, wo Schwab öfters für Soundtrack-Einspielungen engagiert wurde. “Das war das große Faszinosum um 1966”,  erinnert er sich. In Berlin, wo Schwab beim Rias-Tanzorchester unter der Leitung von Werner Müller spielte, machte das Wort die Runde, dass da einer auf der Sitar zugange sei.

 

Eines Tages erhielt er einen Anruf erhielt. “Es war jemand dran, der sagte, Ravi Shankar sei in Berlin, um Aufnahmen zu machen,” erzählt Schwab, der aus allen Wolken fiel. “Allerdings sei sein Instrument wegen eines Streiks auf dem Londoner Flughafen liegengeblieben, und ob ich mit meiner Sitar aushelfen könnte?”  Zuerst dachte Schwab an einen Scherz, machte sich dann aber doch auf den Weg: “Ich komme da hin, und er ist wirklich da: Ravi Shankar! Er machte den Deckel meines Instrumentenkastens auf und freut sich gleich: die gleiche Marke wie seine eigene Sitar - Rikhi Ram. Er setzte mir auseinander, dass meine Sitar in schlechtem Zustand sei und mehr Pflege bedürfe.” Ravi Shankar säuberte Schwabs Sitar erstmal sorgfältig - über eine Stunde lang. Das Griffbrett wurde gereinigt, um den kleinste Widerstand zu entfernen. “Mit ungeheurer Sorgfalt hat Shankar die Bünde poliert, was Voraussetzung für einen schönen Ton ist.” Danach wurden die Resonanzsaiten gestimmt. “Ich habe gesehen mit welcher Akribie man diese Saiten stimmen muss, damit sie wirklich mitschwingen”.  


Embryo, 1971 – Sigi Schwab, zweiter von rechts



Durch das Erlebnis angespornt, fand Schwab in Professor Manfred Junius einen Lehrer, der lange Zeit in Indien gelebt hatte, um dort klassische indische Musik zu studieren. Von ihm erhielt er wertvolle Hinweise. Schwab spielte die Sitar immer nur bei Studioaufnahmen, weil die Verstärkung des Instruments bei Live-Auftritten Probleme machte. Dafür waren die indische Veena, ein Saiteninstrument, sowie das indische Tarang, ein der Autoharp verwandtes Instrument, das auch Bulbul Banjo genannt wird, besser geeignet. Sie ließen sich leichter elektrifizieren, was für einen Einsatz in einer Rockband die Vorbedingung war. 

 

 

 

Monday, 15 January 2024

Krautrock-Archäologie: Nektar – Psychedelia aus Klang und Farbe

Fünf Briten in Deutschland

Klang und Farbe – die psychedelische Metamorphosen der Rockgruppe Nektar 


Interview mit Nektar-Bassist Derek "Mo" Moore


 

 

In Deutschland waren sie in der ersten Hälfte der 1970er Jahre allgegenwärtig, spielten selbst in den kleinsten Ortschaften, so auch einmal in der städtischen Turnhalle meiner Geburtsstadt Balingen in Südwestdeutschland. Nektar war eine Rockgruppe, die aus dem Rahmen fiel: Obwohl sie als Bandkommune in Seeheim bei Darmstadt lebten, waren alle fünf Mitglieder Briten. Außerdem hatte sie eine Lightshow, die genau so wichtig war wie die Musik. Mit dieser engen Verbindung von Klang und Farbe führten sie eine Tradition fort, die in den 1960er Jahren in San Francisco und London („Ufo-Club“) entstanden war und psychedelische Sounds mit wabernd-flüssiger psychedelischer Lichtkunst verband. Nach dem riesigen Erfolg ihrer dritten LP „Remember the Future“ in den USA, ließ sich Nektar Mitte der 1970er Jahre in Amerika nieder.

 

 

Nektar war eine britische Rockgruppe, die in Deutschland lebte. Wie kam es dazu?

 

Derek "Mo" Moore: Ich ging Ende der 1960er Jahren nach Frankreich, wo ich in den Clubs der amerikanischen Armee spielte. Keiner der späteren Musiker von Nektar war mit von der Partie, außer Ron Howden, dem Schlagzeuger. Wir verdienten kaum Geld, hungerten. Dann kam ein Angebot aus Deutschland, das wir sofort annahmen. Wir spielten im Dezember 1969 in Clubs in Hamburg, als unser Gitarrist sich entschied, nach England zurückzukehren. Da wir Roye Albrighton kannten, schickten wir ihm ein Telegram, ob er sich uns nicht anschließen wolle, wir würden einen Gitarristen suchen. Er hatte jedoch kein Geld, die Fahrt zu bezahlen, weshalb wir ihm das Fahrtgeld schickten. Unser erster Auftritt verlief vielversprechend, und daraus ging letztlich Nektar hervor. Wir wohnten zu Beginn in Hamburg.

 

Wo waren die einzelnen Bandmitglieder her?

 

DM: Der Schlagzeuger Ron Howden und ich waren aus Yorkshire, Roye Albrighton war aus Coventry, unser Keyboarder Allan „Taff“ Freeman aus Motherwell in Schottland und unser Lichtkünstler Mick Brockett aus London. 

 

Die Lightshow war ein Markenzeichen von Nektar. Wie kam sie in die Band?

 

DM: Mick Brockett hatte in England unter dem Namen Fantasia Light Circus mit Pink Floyd und anderen Rockgruppen im Londoner Roundhouse gearbeitet. Dann hatte er 1968 für ein dreitägiges Rockfestival in Utrecht mit Pink Floyd, Fleetwood Mac, The Nice und Jethro Tull die Lightshow geliefert, auch im Oktober 1969 für das Pop & Blues-Festival in der Essener Grugahalle. (dem ersten kommerziellen Popfestival in Deutschland überhaupt. CW.) 

 

Bei einem Auftritt in einem Club in Fürth mit unserer Band, die sich damals noch „Prophecy“ nannte, lernten wir ihn kennen, weil er dort die Lightshow machte. Wir nahmen ihn als vollwertiges Mitglied in die Band und entwickelten ein Konzept, bei dem das Visuelle mit der Musik eine enge Verbindung einging. 



Mick Brockett war der Mann für die Lightshow bei Nektar

 

 

Nektar lebte als Bandkommune in de Nähe von Darmstadt. Wie kam es dazu?

 

Bei einem Auftritt in Darmstadt lud uns der Betreiber des „Underground“-Clubs Maarten Schiemer ein, in seinem Haus in Seeheim zu übernachten. Er hatte Platz und bot uns an, uns fest dort einzuquartieren, weil von dort Auftrittsorte in ganz Deutschland leichter zu erreichen waren. 

 

Nektar war omnipräsent.....

 

DM: Wir spielten überall, wo man uns haben wollte. In der ersten Hälfte der 1970er Jahre manchmal 250 Gigs im Jahr, was uns recht bekannt machte. Wir verdienten gutes Geld. Das Touren kam den zwischenmenschlichen Beziehungen zu gute. Wir waren gerne auf Tour. Wir hatten viel Spaß, weil wir gerne spielten. Wenn wir zu lange zuhause waren, kam es zu Spannungen und Reibereien zwischen den einzelnen Bandmitgliedern. Das Chaos fing immer an, wenn wir von einer Tour zurückkamen. Wir traten häufig mit deutschen Gruppen auf, man freundete sich an. Wir kannten Guru Guru, Amon Düül und Frumpy.

 

Unterhielt Nektar auch Verbindungen zu anderen englischen Musikern in Deutschland?

 

DM: Wir waren mit der Gruppe Message befreundet, weil unser Keyboarder Allan „Taff“ Freeman und Allan Murdoch, der Gitarrist von Message, aus der selben Stadt namens Motherwell stammten, das südlich von Glasgow in Schottland liegt. Sie kannten sich. Wir spielten ein paar Mal in Sindelfingen, wo unsere Freunde von Message wohnten.

 

Ich buchte die Gigs für Nektar und habe auch viele Auftritte für Message vermittelt, nicht selten traten die beiden Bands zusammen im gleichen Konzert auf. Wir pflegten gute Beziehungen, manchmal schauten die Musiker von Message bei uns in Seeheim vorbei, wenn sie irgendwo in der Nähe auftraten oder wenn sie auf dem Weg bzw. Rückweg von Konzerten waren. Gelegentlich übernachteten sie auch bei uns.




Wie reagierten die Einheimischen in Seeheim, als dort plötzlich fünf langhaarige Gestalten aus Großbritannien auftauchten?

 

DM: Wir waren in Seeheim wohl gelitten, hatten die besten Beziehungen zur örtlichen Bank, zur Apotheke und zur Metzgerei, die gegenüber von unserem Haus auf der anderen Straßenseite lag. Uns gefiel es in Seeheim. Wir fühlten uns dort zuhause. Nie gab es irgendwelche Probleme oder Beanstandungen. 

 

Warum ist Nektar dann 1976 nach Amerika ausgewandert? Hatte das finanzielle Gründe?

 

DM: Wir verdienten ziemlich gut in Deutschland. Das einzige Problem war, dass wir überall gespielt hatten und kaum noch neue Orte fanden, wo wir auftreten konnten. Alles abgegrast! Und dann kam mit unserer dritten LP der große Erfolg in den USA, weshalb wir in Deutschland unsere Zelte abbrachen und nach Amerika gingen, wo es anfangs allerdings recht schwierig war. Wir hatten keine Wohnung, wohnten im Hotel, was sehr teuer war. Wir spielten überall, wo man uns ließ. 1976 beschloß unser Gitarrist Roye Albrighton nach England zurückzukehren. Ich verließ die Gruppe zwei Jahre später. Nektar ist dann erst wieder nach Jahren zusammengekommen.


Nektar: Cast your fate / Live in Genf, 1973 (youtube)




Saturday, 13 January 2024

Verlupft: Ringsgwandl schreibt einen Roman

Ringsgwandl als Literat



cw. Georg Ringsgwandl, ehemaliger Oberarzt am Klinikum in Garmisch-Partenkirchen, der zum Rock ‘n‘ Roll-Kabarettist mutierte, hat einen Roman geschrieben, der – stark autobiographisch gefärbt – sein Leben und seine Karriere als Profimusiker schildert. Merkwürdigerweise beschreibt Ringsgwandl (Jahrgang 1948) das Geschehen aus der Perspektive seiner weiblichen Tourmanagerin – der sogenannten „Tourschlampe Doris“, die schon als Zwölfjährige mit dem Herrn Doktor in Kontakt kam, um dann jahrelang seinen Laden zu schmeißen, bevor sie mit vierzig aus dem Betrieb ausstieg, was auch das Ende der Handlung bedeutet.

 

Ringsgwandl, von dem ja ein paar wirklich eindrucksvolle Dialekt-Songs stammen, ist ein flüssiger, eloquenter Schreiber – er nahm 1994 sogar einmal am Ingeborg-Bachmann-Literatur-Wettbewerb in Klagenfurt teil –, doch kennt seine Erzählung weder Richtung noch Ziel, sondern läuft eigentlich auf nichts hinaus. Die 438 Seiten hätten noch einmal 438 Seiten so weiter mäandern können, wobei er in einem Interview einräumte, dass der Roman ursprünglich 1300 Seiten lang war.  

 

Inhaltlich geht es in Dutzenden Anekdoten – immer mit Kurzformeln überschrieben – um die Höhen und Tiefen des Showgeschäfts. Es wird das Rockmusikerleben „on the road“ geschildert, wo – wie könnte es anders sein! – der „Wahnsinn" regiert. Mißerfolge werden neben glanzvollen Triumphen bilanziert, wobei das menschliche Durcheinander der Ringsgwandl-Band im Zentrum steht, die im Laufe der Jahre kontinuierich ihr Personal wechselt. So stoßen immer wieder ein paar neue schräge Vögel zur Truppe, um mit unerwarteten Absonderlichkeiten das trübe Tourleben etwas aufzuhellen und aufzuheitern. Eine typische "bad boys"-Geschichte, wie sie in der Popszene seit ewigen Zeiten zur Grundausstattung gehört. "Ach, was sind wir doch für ein verwegener Haufen!" feiert man sich selber.




 

Am Problematischsten erscheint mir allerdings die Sprache. Obwohl immer wieder etwas Dialekt eingestreut wird, ist der ganze Roman in diesem vermeintlich „super-coolen“, flapsig-schnodrigen Sprücheklopfer-Sprech gehalten, den auch andere Rockmusiker draufhaben (am signifikantesten Udo Lindenberg), der jeder tieferen Ausleuchtung echter Gefühls- und Seelenlagen im Wege steht. In diesem Jargon ist immer alles „easy“ – selbst die größte Existenznot, etwa wenn der Freund von Doris an seiner Herionsucht langsam zu Grunde geht.

 

Wirklich peinlich wird es allerdings, wenn sich Ringsgwandl in Gestalt der Tourschlampe Doris selber über den grünen Klee lobt und akribisch seine ausverkauften Konzerte und Theateraufführung auflistet, bei denen – wie könnte es bei einem derart Großen auch anders sein – immer bereits nach kurzer Zeit alle Karten weg waren. Bescheidenheit ist auch eine christliche Tugend, das sollte einem im katholischen Oberbayern doch eigentlich geläufig sein. Oder treiben hier untergründig ein paar unverarbeitete Minderwertigkeitskomplexe ihr Spiel?

 

Georg Ringsgwandl: Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris. dtv. Euro: 28.-

 

Wednesday, 3 January 2024

Music Jokes 9:

Auf der ganzen Welt werden die Briten wegen ihres Humors bewundert. In den sogenannten "Christmas Crackers" (=Weihnachtskracher) kommt die Blüte dieser Kunst zur vollen Entfaltung. Immer enthalten die Cracker neben einer Papierkrone, einem kleinen Gegenstand auch einen "Christmas Joke". Hier meiner von diesem Jahr:




Wie nennt man eine Kuh, die Gitarre spielt: eine Muuuh-sikerin!



Monday, 1 January 2024

Best of 2023: Persönliche Favoriten

Best of 2023

Jedes Jahr sendet die Zeitschrift Jazzthetik einen Fragebogen an ihre Mitarbeiter mit der Bitte, ihre persönlichen Favoriten des Jahres aufzulisten – hier sind meine:

 

Bestes Konzert: 

Courtney Marie Andrews (Club Manufaktur, Schorndorf)

The Comet is Coming (Manchester, Aviva Studios)

 

Lieblingsmusik: 

Courtney Marie Andrews: Loose Future (Fat Possum)

Dell-Lillinger-Westergaard: Beats II (Plaist)




Spätnachts:

Agnese Toniutti; John Cage – Sonatas & Interludes for Prepared Piano (Neuma Records)

PJ Harvey: I Inside The Old Year Dying (Partisan Records)

 

Aus aller Welt:

Rose City Band: Garden Party (Thrill Jockey)

Erik Griswold: Sunshowers (Room40)

 

Entdeckung:

Anna Webber ­– Shimmer Wince (Intakt)

Kathleen Supové  – The Debussy Effect (New Focus Recordings)




 

Wild Thing: 

Sophia Jani: Music as a mirror (Neue Meister/Edel Kultur)

Christopher Dell: Monodosis III (edition nieler werft)

 

Geschenktipp:

András Schiff: Clavichord (ECM)

Alexander Hawkins Trio: Carnival Celestial (Intakt)


Veröffentlicht in der Zeitschrift JAZZTHETIK 1/2-2024