Barockes Akkordeon
CW. Sie sind nicht die natürlichsten Partner: Johann Sebastian Bachs “Goldberg-Variationen” und das Akkordeon. Hier: eines der schwierigsten Werke barocker Tastenkunst. Dort: ein Instrument, das früher als “Schweineorgel” geschmäht wurde und eher am Tanzboden oder im Wirtshaus daheim zu sein scheint. Wie soll das zusammengehen? Teodore Anzellotti schafft das Kunststück auf seinem neuen Album, das unter dem Titel “The Goldberg Variations” gerade bei der Münchner Nobelmarke Winter & Winter im besonderen CD-Schuber erschienen ist. Geschult in der Interpretation avantgardistischer E-Musik sowie klassischer Kompositionen, ob Janácek oder Satie, läßt Anzellotti die barocke “Clavier Übung” so natürlich klingen, als wäre sie ursprünglich für das Akkordeon komponiert worden.
Das Akkordeon kam erst hundert
Jahre später in die Welt - ein ähnlicher Geniestreich! Der revolutionäre
Klangerzeuger war ein Wunderwerk, der es von nun an jedermann erlaubte, ohne
große Vorkenntnisse Musik zu machen. Das verwandelte die Ziehharmonika in eine
(Hand-)orgel der Vorstädte, aus der man Gassenhauer und Tanznummern pumpte. Bis
sie zu einem voll entwickelten Instrument wurde, auf dem alles (selbst komplexe
Barockmusik) gespielt werden konnte, verging noch einmal ein Jahrhundert. Weil
das Akkordeon aus zwei Manualen besteht, rechts die Oberstimme und links der
Bass, war das Instrument wie prädestiniert für Barockmusik, die eigentlich für
ein Cembalo mit zwei Tastenreihen gedacht war. Es musste nur jemand kommen und
den Versuch wagen: Professor Hugo Noth, der in Trossingen lehrt, war einer der
Pioniere, der bereits in den 60er Jahren die barocke Musikwelt für das
Akkordeon erschloss.Aktulles Album: Teodoro Anzellotti: J.S. Bach - Goldberg Variationen (Winter & Winter)
Beim Münchner Label ECM ist 2012 eine Einspielung der 'Goldberg Variationen' des ungarischen Pianisten Andràs Schiff erschienen, was mit Anzellottis Einspielung ein wunderbares Parallelhören ermöglicht.

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