Jazz-Generationenvertrag
Der Saxofonist Jürg
Wickihalder gründet mit der großen alten Dame des europäischen Jazz, Irène
Schweizer, ein hochkarätiges Quartett
CW. Im Akkordeon-Club hat sie als
junges Mädchen angefangen, danach Schlagzeug, dann Jazzpiano gespielt. Heute
gilt die Zürcherin Irène Schweizer mit 71 Jahren als die große alte Dame des
europäischen Jazz – selbst in Amerika bewundert und in vielen Stile daheim. Sie
kann Bebop-Kompositionen von Thelonious Monk genauso lässig aus dem Ärmel
schütteln wie sich in schrillen Freejazz-Improvisationen ergehen und ist im Solospiel
genauso versiert wie als Ensemblemusikerin.
Jetzt hat Irène Schweizer
sich mit dem jungen Saxofonisten Jürg Wickihalder zusammengetan und ein neues
Ensemble ins Leben gerufen, das es in sich hat. Mit dem Kontrabassisten Fabian Disler
vom Erfolgsjazztrio Rusconi und dem Berliner Schlagzeugkönner Michael Griener
haben die beiden für ihr “European Quartet” eine Rhythmusgruppe herangezogen,
die in der Lage ist, die Solisten zum Abheben zu inspirieren. Als vor einem
Jahr das Debutalbum der Gruppe mit dem Titel "Jump" auf dem Intakt-Label erschien, war die Presse
voll des Lobes, selbst in England und den USA wurde die Einspielung gepriesen. Diese
Woche stehen drei Konzerte der Gruppe in Singen (24.1. / Kulturzentrum Gems),
Lörrach (25.1. / Club Jazztone) und Schorndorf (26.1. / Manufaktur) an.
Im Februar letzten Jahres
absolvierte das Ensemble im renommierten Club “The Stone” in New York einen
ihrer ersten Auftritte außerhalb der Geborgenheit der Schweizer Heimspiel-Zone –
und die Feuertaufe gelang. Das amerikanische Publikum feierte die Formation für
einen Jazz, der viel Drive und Energie besitzt und mit kraftvollem Swing und
ekstatischen Improvisationen das Erbe des Jazzheiligen John Coltrane beschwört.
Foto: Manuel Wagner
Dabei machte Jürg
Wickihalder eine exzellente Figur. Der Musiker aus dem Glarnerland, der an der
renommierten Berklee School of Music in Boston studiert hat, bestätigte, dass
er inzwischen zur Elite der europäischen Jazzsaxofonisten gehört und selbst
Spitzenkönnern von der anderen Seite des Atlantiks Paroli bieten kann. Seine
Soli sind so vital wie sensibel, sein Ton zupackend bis ergreifend, wobei er
manchmal zum Sopran- und Tenorsaxofon gleichzeitig greift und beide Instrumente
zusammen in so aufbrausender Manier spielt, das Erinnerungen an die schwarze Jazzlegende
Rhasaan Roland Kirk wach werden oder an den englischen Saxofonartisten Dick
Heckstall-Smith von der Rockjazzformation Colloseum, die ebenfalls solche
Kunststücke fertigbrachten.
Irène Schweizer steht dem in
nichts nach. Im treibenden Jazz des “European Quartet” spielt sie wuchtige
Akkorde oder läßt die Finger in wieselflinken Läufen nur so über die Tasten
huschen. Vertraktes Notenzickzack und sperrige Intervalle machen klar, dass
einer ihrer großen Vorbilder der Jazzklavierexzentriker Thelonious Monk war,
was auch für Wickihalder gilt, der beim Monk-Kompagnon Steve Lacy, einen
Jazzsaxofongiganten, in die Lehre ging. So schließt sich der Kreis. Wenn es
noch ein Beweis für die Spitzenklasse des Schweizer Jazz gebraucht hätte – hier
ist er erbracht!
Aktuelles Album:
Jürg Wickihalder European Quartet mit Irène Schweizer: Jump (Intakt)