Wednesday, 13 March 2013

JAZZTRENDS: Fifty-Fifty - Strategien der Reduktion


Komplexe Einfachheit

Das Stuttgarter Duo Fifty-Fifty von Manfred Kniel und Ekkehard Rössle bastelt an Strategien der Reduktion 

                                                                                                                                       Foto: Manuel Wagner                             
                          
cw. Jazzmusiker geizen normalerweise nicht mit Tönen. Der ökonomische Umgang mit den musikalischen Mitteln zählt nicht zu den Tugenden des Stils – im Gegenteil: die Improvisationen bieten den Solisten die Möglichkeit, ihre Virtuosität und Fingerfertigkeit ausgiebigst unter Beweis zu stellen. Von diesem Musizierideal weicht die Gruppe Fifty-Fifty ab. Ihr Motto lautet: “Weniger ist mehr!”

30 Jahre lang hatte der Stuttgarter Schlagzeuger Manfred Kniel moderne Jazzmusik gespielt, dabei mit so renommierten Namen wie dem Trompeter Frederic Rabold, der Vokalistin Lauren Newton und dem Vibrafonisten David Friedman gearbeitet, bis in ihm mit der Zeit eine andere Vision reifte: Ihm schwebte ein komprimierter Jazz vor, der sich aufs Wesentliche beschränkt und jede Geschwätzigkeit vermeidet. Kniel dachte über die Vorteile der Einfachheit nach und bastelte an Strategien der Reduktion. Er nennt es “Jazz der mittleren Dichte”.
                                                                                                                                                                            Foto: Manuel Wagner
Mit dem Saxofonisten Ekkehard Rössle gründete Kniel das Duo Fifty-Fifty, um das Konzept musikalisch umzusetzen. Kompositionen entstanden, die sich baukastenartig und doch völlig organisch aus raffinierten Grooves entwickeln - mit knappen Melodielinien, pfiffigen Arrangements und prägnanten Kurzimprovisationen versehen. Die instrumentale Beschränkung auf nur zwei Instrumente führt die Musik auf ihre Ur-Elemente zurück: Melodie und Rhythmus. Das schafft Tranzparenz und Raum.

Mit der Saxofon-Schlagzeug-Kombination reiht sich Fifty-Fifty in eine Tradition ein, die 1967 mit einem Paukenschlag begann, als John Coltrane mit Schlagzeuger Rashied Ali das bahnbrechende Album “Interstellar Space” aufnahm. Zur gleichen Zeit entwarfen in Europa Willem Breuker (Saxofon) und Han Bennink (Schlagzeug) ihren “New Acoustic Swing”. Seither gab es immer wieder Musiker, die sich von dieser speziellen Besetzung faszinieren ließen: Lee Konitz und Matt Wilson, John Zorn und Milford Graves, Ernst-Ludwig Petrowsky und Michael Griener. Sie alle wählten die freie Improvisation als Ausgangspunkt, im Gegensatz zu Kniel und Rössle, die eine genau abgesteckte Konzeption aus Komposition und Improvisation verfolgen.

Wenig zu spielen, kann eine Herausforderung sein. “Das Problem besteht darin, dem Erwartungsdruck der Zuhörer nicht nachzugeben und seine Virtuosität und Spieltechnik im Zaum zu halten. Man braucht nicht alles zu zeigen, was man kann,” erklärt Ekkehard Rössle. “Man muss der Angst vor der Stille widerstehen und nicht alles mit Tönen und Klängen zukleistern.”
                                                            
Wochenlang brütet Kniel über einem einzigen Rhythmus, variiert, verfeinert und komplettiert ihn, um jedem Beat einen eigenständigen Charakter zu geben. Mit Zangen und Hämmern bearbeitet er Metallbecken, bis sie seinen Klangvorstellungen entsprechen. Trommeln werden abgedämpft für den richtigen Sound.  “Von zehn Rhythmen, an denen ich feile, kommt am Ende vielleicht nur einer zum Einsatz,” beschreibt er den rigorosen Auswahlprozeß. “Die anderen werden verworfen, weil sie noch nicht meinen Ansprüchen genügen.”
  Foto: Manuel Wagner
 
Als Drummer verwandelt sich Kniel in eine Präzisionsmaschine, die polymetrische Grooves in akustische Loops verwandelt. Aus einer Zen-artigen Versunkenheit schlägt er rhythmische Pattern, die hochkomplex und einfach zugleich sind und manchmal an die Beats aktueller elektronischer Clubmusik erinnern, nur eben akustisch erzeugt. Rössles Saxofon besticht durch einen warmen Ton - er hat beim Cooljazz-Saxofonisten Hans Koller gelernt. Dazu bläst er Linien, die Geschichten zu erzählen scheinen und voller Poesie sind.

Auf ihrem neuen Album haben die beiden die australische Vokalistin Rebecca Harris vom Experimental-Ensemble Nista Nije Nista ins Boot geholt, die die verknappte Verse gekonnt intoniert. Harris gibt nicht dem Drang nach, sich als Jazzdiva profilieren zu müssen, sondern reiht sich perfekt in das Gruppenkonzept ein. Manchmal singt sie nur ein paar Töne oder rezitiert Worte in repetitiver Manier, wobei ein minimalistischer kammermusikalischer Jazz entsteht, der den Charme einer Spieluhr versprüht - auf jeden Fall verzaubert.

Neuerscheinung:
Fifty-Fifty (Manfred Kniel / Ekkehard Rössle / Rebecca Harris): Let’s Count (Klangbad/Broken Silence)


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