Komplexe
Einfachheit
Das
Stuttgarter Duo Fifty-Fifty von Manfred Kniel und Ekkehard Rössle bastelt an
Strategien der Reduktion
Foto: Manuel Wagner
30
Jahre lang hatte der Stuttgarter Schlagzeuger Manfred Kniel moderne Jazzmusik
gespielt, dabei mit so renommierten Namen wie dem Trompeter Frederic Rabold,
der Vokalistin Lauren Newton und dem Vibrafonisten David Friedman gearbeitet,
bis in ihm mit der Zeit eine andere Vision reifte: Ihm schwebte ein
komprimierter Jazz vor, der sich aufs Wesentliche beschränkt und jede
Geschwätzigkeit vermeidet. Kniel dachte über die Vorteile der Einfachheit nach
und bastelte an Strategien der Reduktion. Er nennt es “Jazz der mittleren
Dichte”.
Foto: Manuel Wagner
Mit
dem Saxofonisten Ekkehard Rössle gründete Kniel das Duo Fifty-Fifty, um das
Konzept musikalisch umzusetzen. Kompositionen entstanden, die sich
baukastenartig und doch völlig organisch aus raffinierten Grooves entwickeln -
mit knappen Melodielinien, pfiffigen Arrangements und prägnanten
Kurzimprovisationen versehen. Die instrumentale Beschränkung auf nur zwei
Instrumente führt die Musik auf ihre Ur-Elemente zurück: Melodie und Rhythmus.
Das schafft Tranzparenz und Raum.
Mit
der Saxofon-Schlagzeug-Kombination reiht sich Fifty-Fifty in eine Tradition
ein, die 1967 mit einem Paukenschlag begann, als John Coltrane mit Schlagzeuger
Rashied Ali das bahnbrechende Album “Interstellar Space” aufnahm. Zur gleichen
Zeit entwarfen in Europa Willem Breuker (Saxofon) und Han Bennink (Schlagzeug)
ihren “New Acoustic Swing”. Seither gab es immer wieder Musiker, die sich von
dieser speziellen Besetzung faszinieren ließen: Lee Konitz und Matt Wilson,
John Zorn und Milford Graves, Ernst-Ludwig Petrowsky und Michael Griener. Sie
alle wählten die freie Improvisation als Ausgangspunkt, im Gegensatz zu Kniel
und Rössle, die eine genau abgesteckte Konzeption aus Komposition und
Improvisation verfolgen.
Wenig
zu spielen, kann eine Herausforderung sein. “Das Problem besteht darin, dem
Erwartungsdruck der Zuhörer nicht nachzugeben und seine Virtuosität und
Spieltechnik im Zaum zu halten. Man braucht nicht alles zu zeigen, was man
kann,” erklärt Ekkehard Rössle. “Man muss der Angst vor der Stille widerstehen
und nicht alles mit Tönen und Klängen zukleistern.”
Als
Drummer verwandelt sich Kniel in eine Präzisionsmaschine, die polymetrische
Grooves in akustische Loops verwandelt. Aus einer Zen-artigen Versunkenheit
schlägt er rhythmische Pattern, die hochkomplex und einfach zugleich sind und
manchmal an die Beats aktueller elektronischer Clubmusik erinnern, nur eben
akustisch erzeugt. Rössles Saxofon besticht durch einen warmen Ton - er hat
beim Cooljazz-Saxofonisten Hans Koller gelernt. Dazu bläst er Linien, die
Geschichten zu erzählen scheinen und voller Poesie sind.
Auf
ihrem neuen Album haben die beiden die australische Vokalistin Rebecca Harris
vom Experimental-Ensemble Nista Nije
Nista ins
Boot geholt, die die verknappte Verse gekonnt intoniert. Harris gibt nicht dem
Drang nach, sich als Jazzdiva profilieren zu müssen, sondern reiht sich perfekt
in das Gruppenkonzept ein. Manchmal singt sie nur ein paar Töne oder rezitiert
Worte in repetitiver Manier, wobei ein minimalistischer kammermusikalischer Jazz
entsteht, der den Charme einer Spieluhr versprüht - auf jeden Fall verzaubert.
Neuerscheinung:
Fifty-Fifty
(Manfred Kniel / Ekkehard Rössle / Rebecca Harris): Let’s Count
(Klangbad/Broken Silence)
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