Exzentrische Stimmkunst
Lauren Newton bei den Tübinger Jazz & Klassik-Tagen
cw. Die Amerikanerin Lauren Newton ist
die einzige Tübinger Jazzmusikerin von internationalem Rang. Einst machte sie
mit ihrer exzentrischen Gesangskunst im Vienna Art Orchestra Furore und war
neben Bobby McFerrin eine der Beteiligtem beim Vocal Summit. Daneben ließ sie immer
wieder mit eigenen Gruppen und Projekten aufhorchen. Seit die Stimmakrobatin
jedoch an der Musikhochschule in Luzern Jazzgesang unterrichtet, hat sie sich auf
der Konzertszene rar gemacht. Einen ihrer seltenen Auftritte absolvierte sie
jetzt als Heimspiel bei den Tübinger Jazz & Klassik-Tagen und stellte dabei
erneut ihre Extraklasse unter Beweis.
Im Trio mit Karoline Höfler am Kontrabass
und dem Rezitator Hartmut
Andres stellte Newton eines der Hauptwerke des Dadaismus ins Zentrum ihres
Konzerts: die “Ursonate” von Kurt Schwitters - entstanden in den 1920er Jahren.
Die Dadaisten waren wilde Gesellen, die die Kunst so radikal zerlegten, dass
kein Stein auf dem anderen blieb. Und die “Ursonate”
macht da keine Ausnahme.
Es ist ein Lautgedicht, das in einer Fantasiesprache gehalten ist, also
neuerfundene Wortgebilde und Satzkonstruktionen ohne Sinn in
expressiv-poetischer Manier verbindet. Mit Verve trug Hartmut Andres den
Originaltext von Kurt Schwitters vor, der in seiner Radikalität heute noch
verblüfft, während Newton und Höfler darauf mit kurzen Improvisationseinwürfen
antworteten.
Angeregt durch die Exzentrik des Ausgangsmaterials ließ Newton sich zu
vokalistischen Höhenflügen inspirieren. Sie zog alle Register der Gesangskunst
und lotete den Rachenraum als Experimentierlabor für ihre “Maulwerke” aus.
Zwischen opernhaftem Koloraturgesang und jazzmäßiger Scat-Vokalistik war da von
röcheln, hecheln und stöhnen bis zu grunzen, glucksen und zischen alles an
archaischen Urlauten zu vernehmen. Karoline Höfner unterlegte das Ganze mit
nicht minder ausgefallenen Kontrabassklängen, die etwa dadurch erzeugt wurden,
dass die Stuttgarter Bassvirtuosin Wäscheklammern an die Saiten klemmte, die
sie vibrieren und schnarren ließ.
Im zweiten Teil des ausverkauften Konzerts, das im SWR-Studio auf dem
Tübinger Österberg stattfand, knüpften die drei nahtlos an Kurt Schwitters
Klassiker an. Eigene Stücken kamen nun zur Aufführung, die nicht weniger
ausgefallen wirkten und Elemente von konkreter Poesie à la Ernst Jandl mit
kreativen Jazzexperimenten kombinierten. Obwohl diese Welt aus Klängen, Lauten
und Geräuschen oft nicht einfach zu verdauen war, gerieten die musikalischen
Darbietungen dennoch manchmal so witzig, skurril und vergnügt, das die Zuhörer
in spontanes Gelächter ausbrachen und die Künstler nicht ohne Zugabe von der
Bühne ließen.
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