Friday, 1 August 2014

CAPELLA SAGITTARIANA DRESDEN in Schwäbisch Gmünd

Energie und Ekstase

Seit 25 Jahren bietet das “Festival Europäische Kirchenmusik” in Schwäbisch Gmünd exquisite Aufführungen “Alter Musik”


cw. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten galt in der Welt der Musik die Zeit vor Johann Sebastian Bach als unbekanntes Terrain. Dann begannen verstärkt in den sechziger Jahren Musiker und Musikwissenschaftler die Klänge des Mittelalters, der Renaissance und des Frühbarocks zu erkunden und sich intensiv mit der damaligen Aufführungspraxis zu befassen. Ein vibratoloser Gesang wurde entwickelt und exotische Instrumente wie Zink, Theorbe und Viola da Gamba ließen eine vergessene Klangwelt wieder auferstehen. Eine musikalische Gattung namens “Alte Musik” war geboren, die im Englischen “Early Music” genannt wird und in den letzten Jahrzehnten eine explosionsartige Entwicklung genommen hat. Eine Fülle von CD-Veröffentlichungen, Fachzeitschriften, Spezialisten-Ensembles, Festivals und Konzertaufführungen zeugen von diesem Aufbruch.

Im süddeutschen Raum ist das Festival “Europäische Kirchenmusik” in Schwäbisch Gmünd eine der profiliertesten Veranstaltungen dieses Genres. Die diesjährige Konzertreihe dauert noch bis zum 10. August. Das Festival findet seit nunmehr 25 Jahren statt und legt neben anderen Prämissen auch jeweils einen Schwerpunkt auf “Alte Musik”. Mit eindrucksvollen Kirchgebäuden und einem ansprechenden mittelalterlichen Ambiete bietet die ehemalige Freie Reichstadt im Remstal den idealen Rahmen für Aufführungen aus Gotik, Renaissance und Barock.

Mit der Capella Sagittariana Dresden kam in diesem Jahr eines der profiliertesten deutschen Ensembles dieser Gattung nach Schwäbisch Gmünd und wusste mit einem fulminanten Programm mit Werken frühbarocker Komponisten zu begeistern. Das Konzert wurde von SWR2 aufgezeichnet und wird am 9. August in der Sendereihe “Geistliche Musik” (Beginn: 19:05 Uhr) im Sender zu hören sein.

Der Name des “Alte Musik”-Ensembles aus Dresden ist dem Komponisten Heinrich Schütz (lateinisch: Henricus Sagittarius) entlehnt, um dessen Werk sich das Programm unter der Überschrift “Garten der Liebe” rankte. Schütz war im 30jährigen Krieg Leiter der Hofkapelle in Dresden gewesen und gilt als der bedeutenste deutsche Komponist dieser Ära. Warum das so ist, konnte man in den geistlichen Gesängen und Symphonien erfahren, die in ihrer kunstvollen melodischen Gestaltung und  dynamischen Textausdeutungen als Meisterwerke gelten müssen. Mit einem Solistenchor von sechs Vokalisten und einem Instrumentalensemble von ähnlicher Stärke gelang es der Capella Sagittariana Dresden drei Werke ihres Namensgebers eindrucksvoll in Szene zu setzen, wobei die abschließende Hochzeitsmusik den Höhepunkt des Konzerts markierte.


Dazwischen hatte Norbert Schuster, der Leiter des Ensembles, geschickt Motetten und Madrigale von Melchior Franck, Stefano Bernardi und Christoph Demantius sowie ein paar Instrumentalnummer von Erasmus Widmann plaziert, einem Komponisten der keine 50 Kilometer weit entfernt in Schwäbisch Hall 1572 zur Welt gekommen war und 1613 mit dem “muscalischen Tugendtspiegel” ein Notenbuch mit Tänzen vorgelegt hatte, die sowohl Grazie als auch Raffinesse besitzen. In den energiegeladenen Darbietungen konnten neben den drei Blechbläsern mit ihren Barockposaunen vor allem die beiden Zink-Spielerinnen glänzen, die die gebogenen Holztrompete mit einer Leichtigkeit und Präzision zu handhabten wissen, wie es sie  früher einfach nicht gab. Dann zum Abschluß abermals mit den Sängern und Sängerinnen im Tutti vereint, zeigte die Capella Sagittariana Dresden erneut wieviel Energie und Ekstase in einer Musik steckt, die obwohl sie bereits vor 400 Jahren entstanden ist, bis heute alles andere als “alt” klingt.  

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