Wednesday, 14 January 2015

IKUE MORI und FRED FRITH in STUTTGART

Heimat der Avantgarde

Seit fünf Jahren dem musikalischen Experiment verpflichtet -  der “Stromraum” in Stuttgart feiert Jubiläum

Ikue Mori
cw. “Stromraum” nennt sich ein größeres Kellerstudio in einem Hinterhaus in Stuttgart-Cannstadt. In der König-Karl-Straße 27 ist die musikalische Avantgarde zuhause. Seit fünf Jahren finden hier regelmäßig Konzerte statt, ungefähr eins im Monat, oft gespielt auf elektronischen Klangerzeugern wie Synthesizer, Musikcomputer oder Laptop. Die Zuschauerzahl ist überschaubar, der Rahmen intim. Man ist zum Zuhören gekommen, vielleicht auch um neue Klangerfahrungen zu machen, denn darauf legt das Programm Wert. “Erwarte das Unerwartete” könnte sein Moto lauten. Wer musikalisch neugierig ist, befindet sich hier am richtigen Ort.

Jetzt ist dem Veranstalter, dem Verleger Eckhart Holzboog, ein echter Coup gelungen. Am Samstag, den 17. Januar (20 Uhr), ist im “Stromraum” ein hochkarätiges Duo zu Gast. Die Elektronikerin Ikue Mori aus New York und der Gitarrist Fred Frith aus Kalifornien sind Spitzenmusiker der internationalen Avantgarde. Zusammen werden sie die Zuhörer auf eine musikalische Abenteuerfahrt nehmen. Der Auftritt ist das einzige Konzert der beiden in Europa. Am 28. Februar geht es dann weiter auf ähnlich hohem Niveau. Dann hat der Vokalist und Maulwerker Phil Minton aus London sein Kommen zugesagt.

DNA
Vom Schlagzeug über die Drum-Maschine zum Laptop, auf diese Kurzformel könnte man die Karriere der in New York lebenden Japanerin Ikue Mori bringen. Ende der siebziger Jahre geriet sie bei einer Touristenreise in den Strudel der New Yorker New-Wave-Szene und tauchte als Schlagzeugerin des legendären Trios DNA wieder auf. Bis heute ist die gelernte Grafikdesignerin Profimusikerin geblieben und gilt seit Jahren als eine der interessantesten Elektronikerinnen der amerikanischen Experimental-Szene.

Wenn Ikue Mori ihre Klangmaschine anwirft, dann zirpt, knistert, blubbert und raschelt es. Auch einen knarzenden Elektro-Beat bringt sie manchmal hervor. Oder es dringen Sounds ans Ohr, wie man sie noch nie gehört hat: Klänge so buntschillernd wie eine Pfauenfeder oder ein exotischer Schmetterling.

Wenn sie nicht gerade auf Tournee ist, sitzt die Klangkünstlerin daheim am Bildschirm und bastelt an außergewöhnlichen Sounds. Das Klänge werden so lange bearbeitet, durch Filter geschickt, verzerrt, manipuliert und umgewandelt, bis sie ihren Vorstellungen entspricht. So entstehen das Klangmaterial, aus dem sie bei Auftritten schöpft.

Mori ist eine Virtuosin auf dem Laptop, der inzwischen zum Emblem des digitalen Musikzeitalters geworden ist und die E-Gitarre abgelöst hat, die für die Rock-Ära stand. Mit der Gitarre wurde Fred Frith groß. Der Engländer, der mit einer Stuttgarterin verheiratet ist und heute am renommierten Mills College in Kalifornien lehrt, wurde in den siebziger Jahren mit der experimentellen Rockgruppe Henry Cow bekannt, bevor er nach Amerika zog. Dort war er jahrelang auf der New Yorker Szene aktiv, wobei er in Gruppen von John Zorn und Bill Laswell spielte.

Improvisation und Komposition sind die beiden Pole, zwischen denen sich Frith bewegt. Er entgrenzt das Gitarrenspiel, geht weit über gängige Vorstellungen hinaus, welche Sounds einer Gitarre entlockt werden können. Wenn er Tischtennisbälle über die Saiten hüpfen lässt oder Metallfedern dazwischenklemmt, erklingen die abenteuerlichsten Klänge und Geräusche. Ikue Mori wird kein Problem haben, darauf eine adäquate Antwort zu finden.

Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Südwestdeutschland.

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