Saturday, 5 September 2015

JAZZTRENDS: Anna Webber goes Minimal

Klangfarbenkünstlerin

Die New Yorker Saxofonistin Anna Webber mit ihrer Gruppe Percussive Mechanics in Stuttgart und Singen

cw. Dass den Frauen im Jazz die Zukunft gehört, prophezeite schon in den fünfziger Jahren der Jazzerneuerer Lennie Tristano: Ihre größere Empathie und intuitiven Fähigkeiten prädestiniere sie für die improvisierte Musik! Bis heute hat sich Tristanos Vorhersage nur zum Teil bewahrheitet. Obwohl es inzwischen mehr Jazzpianistinnen, Saxofonistinnen und Schlagzeugerinnen gibt als je zuvor, sind die Männer weiterhin in der Überzahl. Doch treten in jüngster Zeit vermehrt junge Bandleaderinnen in den Vordergrund, die sich über die alten Rollenverteilung hinwegsetzen. Die Männerdomäne Jazz wird – wenn auch nur langsam - feminisiert.

Vor allem auf der New York Jazzszene haben sich in den letzten Jahren eine Handvoll starken Frauen hervorgetan: Die deutsch-amerikanische Saxofonistin Ingrid Laubrock gehört dazu, die Gitarristin Mary Halvorson und die Pianistin Kris Davis sowie Anna Webber, Saxofonistin und Flötistin, Komponistin und Bandleaderin, die aus Kanada in den “Big Apple” zog.

Eine Filiale ihrer Aktivitäten hat Webber nun in Berlin eröffnet, wo sie eine Gruppe namens Percussive Mechanics gegründet hat, die jetzt zu Gastspielen nach Stuttgart in die “Kiste” (10. September) und in die “Gems” zum Jazzclub Singen  (11. September) kommt.

Das Repertoire des Ensembles besteht aus Webbers eigenen Kompositionen, die sie den Musikern genau auf den Leib geschrieben hat. Dabei macht die Bandleaderin Anleihen bei der Minimal Music, indem sie Konstruktionsprinzipien wie Repetition und Schichtung in ihren modernen Jazz einbezieht. Oft wird eine kurze Melodie von einem Instrument angespielt und wiederholt, dann von einem anderen aufgegriffen und variiert. Ein Muster entsteht, das Webber weiter ausbaut, indem mehr und mehr Ebenen übereinander geschichtet werden. Die Melodieschlaufen verflechten sich und setzen ein Räderwerk in Gang, bei dem wie bei einem mechanischen Uhrwerk ein Zahnrad ins andere greift. Aus diesen Kompositionssequenzen schälen sich Improvisationen heraus, die langsam die musikalische Architektur auflösen, um sie danach in ein anderes Muster zu überführen.

Um ihre komplexen Kompositionen mit der nötigen Kompetenz in Szene zu setzen, hat Anna Webber eine Band aus Spitzenkönnern der Berliner Jazzszene zusammengestellt. Dazu gehört der junge Pianist Elias Stemeseder, der bereits im Trio des New Yorker Drummers Jim Black für Aufsehen sorgte. Zwei Schlagzeuger und ein Vibrafonist, der auch Marimba spielt, sorgen für eine starke rhythmische Grundierung, dazu bringen Saxofon, Klarinette, Querflöte und Kontrabaß eine bunte Klangfarbenmischung ein. Dass die Frauen in Zukunft im Jazz ein gewichtigeres Wort mitreden werden, daran dürfte kein Zweifel bestehen, wenn man Anna Webbers originelle Musik hört.


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