Klangfarbenkünstlerin
Die
New Yorker Saxofonistin Anna Webber mit ihrer Gruppe Percussive Mechanics in
Stuttgart und Singen
cw. Dass
den Frauen im Jazz die Zukunft gehört, prophezeite schon in den fünfziger
Jahren der Jazzerneuerer Lennie Tristano: Ihre größere Empathie und intuitiven
Fähigkeiten prädestiniere sie für die improvisierte Musik! Bis heute hat sich
Tristanos Vorhersage nur zum Teil bewahrheitet. Obwohl es inzwischen mehr
Jazzpianistinnen, Saxofonistinnen und Schlagzeugerinnen gibt als je zuvor, sind
die Männer weiterhin in der Überzahl. Doch treten in jüngster Zeit vermehrt
junge Bandleaderinnen in den Vordergrund, die sich über die alten
Rollenverteilung hinwegsetzen. Die Männerdomäne Jazz wird – wenn auch nur
langsam - feminisiert.
Vor
allem auf der New York Jazzszene haben sich in den letzten Jahren eine Handvoll
starken Frauen hervorgetan: Die deutsch-amerikanische Saxofonistin Ingrid
Laubrock gehört dazu, die Gitarristin Mary Halvorson und die Pianistin Kris
Davis sowie Anna Webber, Saxofonistin und Flötistin, Komponistin und
Bandleaderin, die aus Kanada in den “Big Apple” zog.
Eine
Filiale ihrer Aktivitäten hat Webber nun in Berlin eröffnet, wo sie eine Gruppe
namens Percussive Mechanics gegründet hat, die jetzt zu Gastspielen nach
Stuttgart in die “Kiste” (10. September) und in die “Gems” zum Jazzclub
Singen (11. September) kommt.
Das
Repertoire des Ensembles besteht aus Webbers eigenen Kompositionen, die sie den
Musikern genau auf den Leib geschrieben hat. Dabei macht die Bandleaderin
Anleihen bei der Minimal Music, indem sie Konstruktionsprinzipien wie
Repetition und Schichtung in ihren modernen Jazz einbezieht. Oft wird eine
kurze Melodie von einem Instrument angespielt und wiederholt, dann von einem
anderen aufgegriffen und variiert. Ein Muster entsteht, das Webber weiter
ausbaut, indem mehr und mehr Ebenen übereinander geschichtet werden. Die
Melodieschlaufen verflechten sich und setzen ein Räderwerk in Gang, bei dem wie
bei einem mechanischen Uhrwerk ein Zahnrad ins andere greift. Aus diesen
Kompositionssequenzen schälen sich Improvisationen heraus, die langsam die musikalische
Architektur auflösen, um sie danach in ein anderes Muster zu überführen.
Um ihre
komplexen Kompositionen mit der nötigen Kompetenz in Szene zu setzen, hat Anna
Webber eine Band aus Spitzenkönnern der Berliner Jazzszene zusammengestellt.
Dazu gehört der junge Pianist Elias Stemeseder, der bereits
im Trio des New Yorker Drummers Jim Black für Aufsehen sorgte. Zwei Schlagzeuger und ein Vibrafonist, der auch
Marimba spielt, sorgen für eine starke rhythmische Grundierung, dazu bringen
Saxofon, Klarinette, Querflöte und Kontrabaß eine bunte Klangfarbenmischung
ein. Dass die Frauen in Zukunft im Jazz ein gewichtigeres Wort mitreden werden,
daran dürfte kein Zweifel bestehen, wenn man Anna Webbers originelle Musik
hört.
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