Die Königsdisziplin
Lars Duppler
wandelt auf Solopfaden
Lars Duppler ist
ein Pianist der Kölner Szene. Er hat dort an der Musikhochschule studiert und
sich seit zwanzig Jahren in der Domstadt als brillanter Tastenmusiker einen
Namen gemacht - ob in eigenen Projekten und als Sideman. Nach seinem
elektrischen Island-Bandprojekt Raetur (Lars’ Mutter stammt aus dem nordeuropäischen
Land) hat sich Duppler jetzt dem akustischen Solospiel zugewandt. Der Pianist schätzt
die Kontraste.
Du warst in den letzten Jahren mit verschiedenen Gruppen aktiv. Jetzt spielst
du solo. Warum?
Lars Duppler:
Generell gilt das Solospiel ja als die Königsdisziplin der Pianisten. In meinem
Fall war es aber ungeplant, eher dem Zufall geschuldet. Als meine Tochter
geboren wurde, habe ich mir ein paar Wochen frei genommen und bin jeden Tag in
den Proberaum. Es war Sommerloch, wenig los, also Wartezeit: Das habe ich
genutzt! Es gibt hier in Köln ein schönes Klavierstudio gleich um die Ecke, wo ich
wohne. Da kann man sich einmieten. Die hatten einen tollen Steinway-Flügel, und
da habe ich täglich gespielt. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich zwei,
drei Stücke hatte, die sich gut für ein Soloprogramm eignen würden. Ich
verfolgte das weiter, habe in meinem Kompositionsskizzenbuch noch nach anderen
Ideen geschaut. Ich habe dann Stücke im Hinblick auf ein Klaviersoloprogramm
fertiggeschrieben.
Deine Solomusik klingt zurückgenommen, eher beschaulich….
Lars Duppler: Ich
hatte immer die Vorstellung, um solo aufzutreten, müsste man ein Tastenlöwe wie
Simon Nabatov sein, russische Klavierschule, der ein Liszt-mäßiges Feuerwerk
abbrennen kann. Ich bin ja ein ganz anderer Pianisten-Typ. Als ich mich dann mit
dem Solospiel beschäftigte, habe ich bemerkt, dass es auch anders geht. Ich
habe zwei Soloauftritte organisiert, um das einmal auszuprobieren, und habe
gemerkt: Das funktioniert! Viele meiner Stücke sind eher kleine Miniaturen:
kontemplativ, schöne Klangfarben – diese Richtung. Wenn ich ‘live’ spiele,
gehts natürlich dazwischen auch schon mal energischer zur Sache. Ich bin froh,
einen Weg zum Solo gefunden zu haben, der mir entspricht.
Gibt es Einflüsse?
Lars Duppler: Ich
hatte mich länger mit der spätromantischen Klavierliteratur beschäftigt, mit
Komponisten wie Arthur Honegger, Lutoslawski, Frederic Mompou. In deren
Kompositionen finden sich Akkorde, die auch für Jazzmusiker interessant sein
können. Davon ließ ich mich inspirieren. Dazu kommt: Als Student habe ich viel
Paul Bley gehört. Auf den ECM-Platten aus den Siebzigern gibt es viele sehr
schöne ruhige Stücke, die wunderbar funktionieren und die mich lange begleitet
haben.
Wie entstehen deine Stücke?
Lars Duppler:
Vieles entwickelt sich in der Improvisation. Manchmal, wenn ich diesen Luxus
des ungezielten Übens habe, stoße ich auf kleine Figuren, Akkordfolgen, die mir
interessant erscheinen und an denen ich dann weiter rumprobiere. Daraus können
sich schöne Sachen ergeben. Ich sammle diese Ideen, notiere sie und arbeite
irgendwann daran weiter. Das geht nicht an einem Tag - braucht Zeit! Manche
Stücke spiele ich sehr lange, immer wieder und wieder, schiebe bestimmte Teile
herum, streiche auch Parts, neue Ideen kommen dazu, bis es irgendwann passt.
Was ist für dich die Attraktivität des Solospiels? Das kann ja auch
eine recht einsame Angelegenheit sein.
Lars Duppler:
Deswegen habe ich das Album “Naked” genannt. Als Solist kann man sich nicht
hinter einer Band verstecken. Man sitzt da ganz alleine. Nach 20 Jahren
Ensemblespiel war das eine Herausforderung. Das war spannend. Wenn der Raum
komisch klingt oder irgend etwas am Flügel nicht stimmt, muß ich den Karren
selber aus dem Dreck ziehen. Niemand kann helfen. Ich habe gerade beim
“Winterjazz” in Köln gespielt - einen Soloset vor Mitternacht. Da waren 250
Leute im Saal, darunter die ganzen Kölner Pianistenkollegen. Da habe ich kurz
gedacht: “Warum tust du dir das an?” Aber genau das habe ich ja gewollt: Mich
ungeschützt dem Röntgenblick der Szene aussetzen. Jazzquartett – das kenne ich
nach 20 Jahren aus dem Effeff. Das Solospiel war dagegen das Gegenteil von
Routine.
Du hast ja in letzter Zeit viel mit Fender-Rhodes-Piano gearbeitet,
auch mit Synthesizern. Hat das den Hunger auf akustische Klänge geweckt?
Lars Duppler: Nach
Jahren mit akustischem Ensemblejazz habe ich das Fender-Rhodes für mich
entdeckt. Es war wie ein neues Hobby. Ich hab geschaut, was kann man da machen
mit Effekten. Da habe ich mich richtig reingekniet. Aber dann kamen bald nur
noch Anrufe von Leuten, die einen Rhodes-Pianisten für ihre Groove- oder Boogaloo-Band
suchten. Das wurde mir auf die Dauer zu einseitig. Ich hab dann die Bremse
gezogen. In den Bands von Niels Klein (Tubes & Wires) und Benny Greb
(Moving Parts) spiele ich weiterhin
Rhodes. Alles andere machen ich wieder akustisch. Das ist ja das Schöne am
Musikerberuf: Man kann selbst die Richtung bestimmen und entwickelt sich sogar weiter
dabei.
Lars Duppler:
Naked (GLM)
Das Interview erschien zuerst in der JAZZTHETIK (jazzthetik.de)
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