Monday, 6 June 2016

GILLES PETERSON ehrt MPS

Spitzenjazz aus dem Schwarzwald

Die DJ-Szene entdeckt das Villinger Schallplattenlabel MPS 
 
cw. Obwohl die Villinger Schallplattenfirma MPS bereits vor mehr als dreißíg Jahren den Betrieb einstellte, stehen ihre Schallplatten bis heute hoch im Kurs. Gerade erleben sie sogar ein fulminantes Comeback: In der Club-Szene und unter DJs sind die LPs des Labels aus dem Schwarzwald weltweit hoch gefragt und erzielen Höchstpreise bei Auktionen. Jetzt hat der Londoner Star-DJ Gilles Peterson gerade ein neues Album mit MPS-Titel veröffentlicht, das den Boom noch weiter anheizen wird.

Peterson ist Plattenproduzent, Mixer und Remixer. Darüber hinaus hat er sich seit Mitte der achziger Jahre vor allem als “Acid Jazz”-DJ einen Namen gemacht. Tausende pilgerten zu den “Rave Nights”, bei denen der Engländer hinter den “Desks” stand und Platten auflegte. Dann engagierte die BBC den leidenschaftlichen Plattensammler. Jahre lang sorgte er mit wilden Stilmischungen in seinen populären Sendungen für Furore. Nun hat er ein Album mit Jazznummern aus dem Archiv des legendären Labels MPS (=Musik Produktion Schwarwald) veröffentlicht. “In den siebziger Jahren war MPS zweifellos das beste europäische Jazzlabel, fast so bedeutend wie Blue Note in den USA,” schwärmt Peterson. “Es gab niemanden in Europa, der der Villinger Firma das Wasser reichen konnte, was die Vielfalt und die musikalische Qualität ihrer Veröffentlichungen anbelangt.” Den Titel seines Samplers hat er mit Bedacht gewählt. “Magic Peterson Sunshine” heißt das Album. Abgekürzt: MPS!

Schon früh stolperte Peterson über Vinylplatten des Labels, als er die Sommerferien bei seiner Oma in der Normandie verbrachte. “Einmal in der Woche ging sie zum Großeinkauf in die Stadt. Ich begleitete sie und trieb mich dann in Caen herum, bis sie ihre Einkäufe erledigt hatte,” erinnert er sich. “Ich fand diesen Plattenladen und kaufte drei LPs, darunter eine MPS-Platte von George Duke.” Natürlich hatten die drei Buchstaben damals noch keinerlei Bedeutung für den Teenager. Die Signifikanz des Labels wurde ihm erst später klar, als das Kürzel MPS zu einer Art Zauberformel für ihn wurde, die für Jazz der Spitzenklasse stand.

Es war ein Bekannter aus Freiburg i.B., der Peterson die MPS-Schallplatten nahe brachte. Sein Name: Rainer Trüby. Der Schallplattenhändler, DJ und Clubbetreiber reiste in den achtziger Jahren regelmäßig nach London, um mit raren Vinylplatten zu handeln. Einer seiner Kunden: Gilles Peterson! “Rainer hatte immer auch ein paar MPS-LPs dabei, die er mir ans Herz legte und die ich natürlich sofort kaufte. Darüber hinaus erzählte er mir über die Geschichte des Labels,” erinnert sich der Londoner DJ.

Peterson fing Feuer und erwarb nun jede MPS-Scheibe, die ihm in die Hände fiel, ob auf dem Flohmarkt oder bei Internet-Auktionen. Das Label wurde geradewegs zu einer Obsession: Der DJ wollte unbedingt jede einzelne Schallplatte aus dem Gesamtkatalog von mehr als 500 Veröffentlichungen besitzen. Die Tonqualität der Aufnahmen begeisterte ihn, auch die stilistische Vielfalt der Musik. Dazu kamen die sorgfältigen Produktionen und die originellen Cover, die oft kühn gestaltet, graphisches Gespür verrieten. “Bei den MPS-Platten stimmte einfach alles. Ich lernte da Bands kennen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte,” erzählt er. “Labelchef Hans Georg Brunner-Schwer hatte das richtige Händchen. Er installierte in Villingen ein tolles Studio, behandelte die Musiker zuvorkommend und schuf so eine persönliche Atmosphäre, was für jedes erfolgreiche Label die Grundvoraussetzung ist. Er war nicht nur am Geschäft interessiert, sondern vor allem an der Musik.”
 Modern Jazz Group Freiburg
Etliche ausgefallene Namen hat Peterson auf seine aktuelle Zusammenstellung gepackt, darunter ein Stück der Modern Jazz Group Freiburg des Pianisten Waldi Heidepriems. “Ich wählte einige eher obskure Titel und Künstler aus, die nicht jeder kennt und die trotzdem fantastisch sind,” erläutert er sein Auswahlverfahren. “Natürlich wollte ich auch ein paar der großen Namen dabei haben, etwa George Duke oder Don Ellis.”

Dem Engländer bleibt jetzt nur noch eines: Nächsthin will er selbst nach Villingen reisen, um das MPS-Studio zu besichtigen, das seit einiger Zeit unter Denkmalschutz steht und für die Öffentlichkeit zugänglich ist. “Das wird eine absolute Pilgerreise für mich,” freut er sich schon heute. ”Die ganze Geschichte! All diese unglaublichen Musiker, die in diesem Studio aufgenommen haben. Das ist heilige Erde für mich!”

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