Spitzenjazz
aus dem Schwarzwald
Die
DJ-Szene entdeckt das Villinger Schallplattenlabel MPS
cw. Obwohl
die Villinger Schallplattenfirma MPS bereits vor mehr als dreißíg Jahren den
Betrieb einstellte, stehen ihre Schallplatten bis heute hoch im Kurs. Gerade
erleben sie sogar ein fulminantes Comeback: In der Club-Szene und unter DJs
sind die LPs des Labels aus dem Schwarzwald weltweit hoch gefragt und erzielen
Höchstpreise bei Auktionen. Jetzt hat der Londoner Star-DJ Gilles Peterson gerade
ein neues Album mit MPS-Titel veröffentlicht, das den Boom noch weiter anheizen
wird.
Peterson
ist Plattenproduzent, Mixer und Remixer. Darüber hinaus hat er sich seit Mitte
der achziger Jahre vor allem als “Acid Jazz”-DJ einen Namen gemacht. Tausende pilgerten
zu den “Rave Nights”, bei denen der Engländer hinter den “Desks” stand und
Platten auflegte. Dann engagierte die BBC den leidenschaftlichen Plattensammler.
Jahre lang sorgte er mit wilden Stilmischungen in seinen populären Sendungen für
Furore. Nun hat er ein Album mit Jazznummern aus dem Archiv des legendären
Labels MPS (=Musik Produktion Schwarwald) veröffentlicht. “In den siebziger
Jahren war MPS zweifellos das beste europäische Jazzlabel, fast so bedeutend
wie Blue Note in den USA,” schwärmt Peterson. “Es gab niemanden in Europa, der
der Villinger Firma das Wasser reichen konnte, was die Vielfalt und die
musikalische Qualität ihrer Veröffentlichungen anbelangt.” Den Titel seines
Samplers hat er mit Bedacht gewählt. “Magic Peterson Sunshine” heißt das Album.
Abgekürzt: MPS!
Schon
früh stolperte Peterson über Vinylplatten des Labels, als er die Sommerferien bei
seiner Oma in der Normandie verbrachte. “Einmal in der Woche ging sie zum
Großeinkauf in die Stadt. Ich begleitete sie und trieb mich dann in Caen herum,
bis sie ihre Einkäufe erledigt hatte,” erinnert er sich. “Ich fand diesen
Plattenladen und kaufte drei LPs, darunter eine MPS-Platte von George Duke.”
Natürlich hatten die drei Buchstaben damals noch keinerlei Bedeutung für den Teenager.
Die Signifikanz des Labels wurde ihm erst später klar, als das Kürzel MPS zu
einer Art Zauberformel für ihn wurde, die für Jazz der Spitzenklasse stand.
Es
war ein Bekannter aus Freiburg i.B., der Peterson die MPS-Schallplatten nahe
brachte. Sein Name: Rainer Trüby. Der Schallplattenhändler, DJ und
Clubbetreiber reiste in den achtziger Jahren regelmäßig nach London, um mit
raren Vinylplatten zu handeln. Einer seiner Kunden: Gilles Peterson! “Rainer
hatte immer auch ein paar MPS-LPs dabei, die er mir ans Herz legte und die ich
natürlich sofort kaufte. Darüber hinaus erzählte er mir über die Geschichte des
Labels,” erinnert sich der Londoner DJ.
Peterson
fing Feuer und erwarb nun jede MPS-Scheibe, die ihm in die Hände fiel, ob auf
dem Flohmarkt oder bei Internet-Auktionen. Das Label wurde geradewegs zu einer
Obsession: Der DJ wollte unbedingt jede einzelne Schallplatte aus dem
Gesamtkatalog von mehr als 500 Veröffentlichungen besitzen. Die Tonqualität der
Aufnahmen begeisterte ihn, auch die stilistische Vielfalt der Musik. Dazu kamen
die sorgfältigen Produktionen und die originellen Cover, die oft kühn
gestaltet, graphisches Gespür verrieten. “Bei den MPS-Platten stimmte einfach
alles. Ich lernte da Bands kennen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte,”
erzählt er. “Labelchef Hans Georg Brunner-Schwer hatte das richtige Händchen.
Er installierte in Villingen ein tolles Studio, behandelte die Musiker
zuvorkommend und schuf so eine persönliche Atmosphäre, was für jedes
erfolgreiche Label die Grundvoraussetzung ist. Er war nicht nur am Geschäft
interessiert, sondern vor allem an der Musik.”
Etliche
ausgefallene Namen hat Peterson auf seine aktuelle Zusammenstellung gepackt,
darunter ein Stück der Modern Jazz Group Freiburg des Pianisten Waldi
Heidepriems. “Ich wählte einige eher obskure Titel und Künstler aus, die nicht
jeder kennt und die trotzdem fantastisch sind,” erläutert er sein
Auswahlverfahren. “Natürlich wollte ich auch ein paar der großen Namen dabei
haben, etwa George Duke oder Don Ellis.”
Dem
Engländer bleibt jetzt nur noch eines: Nächsthin will er selbst nach Villingen
reisen, um das MPS-Studio zu besichtigen, das seit einiger Zeit unter
Denkmalschutz steht und für die Öffentlichkeit zugänglich ist. “Das wird eine
absolute Pilgerreise für mich,” freut er sich schon heute. ”Die ganze
Geschichte! All diese unglaublichen Musiker, die in diesem Studio aufgenommen
haben. Das ist heilige Erde für mich!”
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