Friday 2 March 2018

Zum Tod von Trikont-Labelchef Achim Bergmann

Musikalischer Freibeuter

Zum Tod von Trikont-Labelchef Achim Bergmann (1943-2018)


cw. Von der U-Bahn-Haltestelle “Silberhornstraße” in München-Giesing ist es nur ein Katzensprung. Ein paar Rolltreppen hoch und über die Kreuzung, dann steht man vor einem ummauerten Innenhof mit Brettertür. Am Briefkasten ist ein Aufkleber mit der Aufschrift “Trikont” angebracht. “Trikont-Schallplatten – Unsere Stimme” ist vielleicht das älteste unabhängige Plattenlabel der Bundesrepublik und eines der wenigen deutschen Labels mit internationaler Reputation. Herz und Seele des Unternehmens war Achim Bergmann, der die kleine Firma mit seiner Lebensgefährtin Eva Mair-Holmes leitete. Nach mehr als 20 Jahren gemeinsamen Lebens hatten sie letztes Jahr geheiratet.

Bergmann war ein Mann mit eigenem Kopf, der seinen Betrieb zu einem bunten Paradiesvogel am Rande des Haifischteichs namens “Musikindustrie” gemacht hat, mit einem Programm, das quer zu Moden und Kommerz steht. Schroeder Roadshow, Schwoißfuaß, Hans Söllner, Georg Ringsgwandl, Attwenger, Funny van Dannen, Rocko Schamoni, Bernadette La Hengst und LaBrassBanda sind nur ein paar der Namen der alternativen deutschen Musikszene, die Trikont im Laufe seiner mehr 50jährigen Geschichte groß gemacht hat.

Ursprünglich war Trikont aus den Umbrüchen der 68er-Zeit hervorgegangen. Anfangs versorgte der Münchner Alternativverlag die rebellischen Studenten mit radikalem Lesestoff. Mit der persönlichen Genehmigung von Fidel Castro gab Trikont etwa die Tagebücher von Che Guevara heraus. Joschka Fischer, damals Sponti-Häuptling in Frankfurt, war einer der Zuträger des Verlags, der Bücher für Übersetzungen vorschlug. Stolz kramte Achim Bergmann einst bei einem Besuch einen persönlichen Brief des damaligen Außenministers hervor.   

1971 veröffentlichte Trikont die erste Schallplatte unter dem Titel “ Wir befreien uns selbst”. Weitere Einspielungen folgten, etwa aus dem Widerstand gegen das Atomkraftwerk Wyhl oder mit Musik indianischer Ureinwohner. Mehr und mehr entdeckte Bergmann widerspenstige Musik auch im eigenen Umfeld. Der Sauerländer tauchte in den alternativen Untergrund von Bayern ein, stieß auf den singenden Oberarzt Georg Ringsgwandl, die zarten Klänge der Fraunhofer Saitenmusik und den brachialen Protestsänger Hans Söllner.

Der Horizont weitete sich. Bergmann gab Cajun-Musik aus Louisiana, griechische Rembetika-Klänge und jüdische Klezmeraufnahmen heraus. Dazu kamen obskure Zusammenstellungen mit jodelnden Cowboy-Sängern oder böhmischen Polka-Musikanten aus Texas. “Mich interessieren die Musikstile von Volksgruppen, die selbstbewußt ihre eigene Kultur verteidigen und sich nicht vom Mainstream vereinnahmen lassen”, formuliert Bergmann seine Philosophie, der über die Jahre eine erkleckliche Zahl musikalischer Perlen zu verdanken sind. Bergmann war kein Musikologe, die mochte er nicht: Vielmehr war er ein echter Fan und leidenschaftlicher Enthusiast, der Musik wirklich liebte. 

Mit offenen Ohren, wachem Verstand und einer guten Spürnase gelang es Bergmann und seinem Team immer wieder neue musikalische Milieus aufzustöbern, die abseits der Hitparaden blühten. Von “atemberaubenden Samplern, zusammengestellt von Kennern mit goldenen Ohren” schwärmte die BBC. Und die englische Sonntagszeitung “Observer” erklärte Trikont schlicht zum “besten Label der Welt für vorzügliche Compilations”.


Am 1. März 2018 ist Achim Bergmann überraschend gestorben. Nach zwei schweren Operationen im Januar (Bypass und Hüfte) befand er sich eigentlich auf dem Weg der Besserung. Er sei seit dem Krankenhausaufenthalt nur immer so müde gewesen. Achim Bergmann hatte eine so starke Präsenz, war ein derart sprudelnder Quell von Ansichten und Weltsichten, Einfällen und Eingebungen, Ideen und Gedankenblitzen, dass sein Tod etwas Unwirkliches hat. Die Welt ist für mich ohne ihn nicht richtig denkbar. Irgendwie kann ich es gar nicht fassen, irgendwie ging ich davon aus, er wäre immer da. Wie kann es ohne ihn weitergehen? 

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