Das
Internationale Stuttgarter Trickfilm Festival 2019 würdigte Lotte Reiniger, die
Ahnherrin des Animationsfilms
Ein
besonderer Schwerpunkt lag dieses Jahr auf der Zusammenführung von Animation und
Musik in sogenannten „CineConcerts“. Dabei führte der kanadische Indierocker
Chad VanGaalen seine fantasievollen Zeichentrickfilme bei einem Auftritt seiner
Band in der Schorndorfer Manufaktur vor, während eine andere Veranstaltung in
der Ludwigsburger Musikhalle zu den Anfängen des Zeichentrickfilms
zurückkehrte. Wie zu Stummfilmzeiten interpretierte der Elektroniker Thomas
Köner mit ausgefallenen Klängen den ersten, heute noch erhaltenen Silhouettenfilm
„Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ von Lotte Reiniger, der vor knapp hundert
Jahren entstanden ist und als Startschuß für das ganze Genre wirkte. Damals
standen in den Kinos noch große Orgeln, wo findige Tastenmusiker für die
musikalische Untermalung des jeweiligen Stoffs sorgten. Heute übernimmt ein
Laptop diese Aufgabe, mit dem Thomas Köner die buntesten Sounds herbeizauberte.
Die
Trickfilmpionierin Lotte Reiniger (1899-1981), die in der Nazi-Ära lange Zeit
im Londoner Exil lebte, ihre Lebensabend aber in Dettenhausen bei Tübingen
verbrachte, hatte mit einem Team von Helfern von 1923 an drei Jahre am „Prinzen
Achmed“ gearbeitet. Dabei wurden fein zisellierte Scherenschnitt-Figuren aus
schwarzer Pappe verwendet, die als einzelne Bilder abfotografiert, dann
geringfügig verändert wurden, um damit einen Bewegungseffekt zu erzielen. Eine
Viertel Million Einzelbilder schoß das Reiniger-Team, von denen letztlich 96000
verwendet wurden, was bei einer Abspielgeschwindigkeit von 24 Bildern pro
Sekunde eine Filmlänge von 65 Minuten ergibt. Das Ergebnis war der erste abendfüllende
Trickfilm der Filmgeschichte, den nun Thomas Köner (Jahrgang 1965) in
Ludwigsburg ‘live’ mit zeitgenössischer Musik untermalte.
„Prinz
Achmed“ spielt im Orient und verarbeitet verschiedene Motive aus dem
Märchenwerk „Tausendundeine Nacht.“ Es geht um schöne Prinzessinnen, edle
Prinzen, böse Zauberer und Hexen, um fliegende Pferde, Riesenschlangen und
Wunderlampen, um Geister und Dämonen. Am Ende kommt es zum dramatischen
„Show-Down“, wobei der Prinz in der turbulenten Schlacht siegt und seine
Prinzessin schließlich heiraten kann.
Dem
renommierten Elektroniker Thomas Köner gelang es ausgezeichnet, die Atmosphäre
des Films musikalisch einzufangen und gekonnt zu dramatisieren. Wenn anfangs die
knarzenden Geräusche, Melodiefetzen und Klangflächen noch etwas
gewöhnungsbedürftig waren, tauchte man doch recht schnell in diese andere
Klangwelt ein und nahm nach einiger Zeit den fast hundert Jahre alten
Silhouetten-Film und die avantgardistischen Sounds als eine Einheit wahr, was
„Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ zusätzlich zu einem echten musikalischen
Abenteuer machte.
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