Friday, 6 April 2018

Nachruf auf Cecil Taylor (1929 - 2018)

Das Tastentier 

Zum Tod von Cecil Taylor  

cw. Gewissenhaft bereitete er sich auf jedes Konzert vor. Schon Tage zuvor absolvierte er ein rigoroses Übungsprogramm. Was dann folgte, ist die Attacke eines Karatekämpfers. Mit Intensität sausten die Hände auf die Tasten nieder und schleuderten dissonante Akkorde, wuchtige Cluster und wilde Tonkaskaden hervor. Mit Fäusten, Ellbogen und Unterarmen bearbeitete er das Klavier. Cecil Taylors hob den Jazz aus den Angeln. Das machte ihn zu einer der umstrittensten Figuren des Genres.
“Meine Mitmusiker packten schnell ihre Instrumente ein, als er eines Nachts nach einem Gig auftauchte,“ erinnert sich Schlagzeuger Sunny Murray an seine erste Begegnung mit dem Pianisten im Jahr 1959. “Sie sagten: ‘Das ist ein Verrückter - völlig durchgedreht!‘” Murray ließ sich nicht beirren und musizierte spontan mit dem Fremden, der ihn ziemlich aus dem Konzept brachte. “Ich hörte mittendrin einfach auf, so irritiert war ich.” 
Die Begegnung mit Cecil Taylor markierte einen Wendepunkt in Murrays Karriere, stellte der Pianist doch alle Konventionen des Jazz in Frage. Bei ihm gab es weder einen swingenden Ryhthmus noch fortschreitende Akkordwechsel, keine Themen, keine Soli - nichts! Nur das wilde Durcheinander freier Improvisation. Doch je tiefer Murray in Taylors Klangwelt eintauchte, desto logischer kam sie ihm vor. “Seine Musik ist nicht chaotisch, sondern entlang eigener Parameter sorgfältig konstruiert und voller Rhythmus,” erläutert der Schlagwerker.
Konzertbesucher sahen das anders. Manche warfen auf der Flucht nach draußen Tische und Gläser um, während Kritiker erklärten, “daß jeder mit einem Vorschlaghammer zu ähnlichen Ergebissen kommen könne.” 
Hätten es nicht auch Zuspruch gegeben, wäre Taylor vielleicht ausgestiegen. “Zum erstes Clubgastspiel im New Yorker Five Spot kamen zur Eröffnungsnacht alle: John Coltrane, Eric Dolphy und Charles Mingus”, erzählt er. “Das gab uns Auftrieb, weil wir spürten, daß wir uns in die richtige Richtung bewegten.” 


Solche Ermutigungen waren hoch willkommen im zermürbenden Kampf um Akzeptanz und Auftritte. Kein Jazzclub wollte den Publikumsschreck engagieren. Kleine Cafes im East Village waren die einzigen Orte, wo sein Ensemble gelegentlich auftreten konnte. Auch Künstler und Fotografen stellten ihre Studios zur Verfügung. Aber mehr als ein paar Dollar warf das nicht ab. Um seine Musik in die Öffentlichkeit zu bringen, veranstaltete Taylor Privatkonzerte spätnachts in seiner Dachwohnung in Lower Manhattan. Als Drinks bot er den Besuchern Wasser an. Manchmal spielte er vor einer Handvoll Zuhörer, manchmal nur für sich alleine.  
Mit fortschreitendem Alter gewann seine Musik an Variationsbreite. Zwischen dem eruptiven Powerplay klang nun auch manchmal lyrisches Spiel an, kurze Blues- und Bebop-Phrasen, ein nachhallender Akkord, eine kleine Melodie. Damit gewann sein Stil wieder etwas von der luftige Qualität  zurück, die sie Mitte der  50er Jahre besaß, als sich Taylor aus Bebop und Hardbop in freies Terrain vortastete. Damals war er ein 25-jähriger Niemand und Außenseiter. Über die Jahrzehnte hat er sich zu einem der wichtigsten Musiker des modernen Jazz entwickelt. Neben Ornette Coleman und Albert Ayler ist Cecil Taylor einer der Väter des Freejazz. Am 5. April 2018 ist er 89jährig in seiner New Yorker Wohnung verstorben. 

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