Tuesday, 29 May 2018

Die Frédéric Rabold Crew wird fünfzig

Von höchster Qualität

Eine der besten Jazzgruppen im Südwesten feiert Geburtstag: die Frédéric Rabold Crew wird fünfzig


cw. Mit einem Konzert vor großem Auditorium feierte die Frédéric Rabold Crew unlängst Geburtstagsparty im Theaterhaus in Stuttgart: Seit genau 50 Jahren gibt es die Formation, die als eine der profiliertesten Jazzgruppen Südwestdeutschlands gilt. 1968 gegründet, haben in der „Crew“ über die Jahre etliche der bekanntesten Jazzmusiker Baden-Württembergs gespielt, ob Eberhard Weber (Baß), Herbert Joos (Flügelhorn) oder die amerikanische Sängerin Lauren Newton. 

Für sein Ensemble schreibt Bandleader Rabold bis heute unermüdlich neue Kompositionen, deren Zahl inzwischen in die Hunderte geht. Zum 50. Jubiläum ist ein neues Album der Gruppe mit dem Titel „Northern Lights“ (Nytingale Records) erschienen. Es enthält sieben längere Stücke, die alle von Rabold stammen.

Das Jazz-Handwerk erlernte der Trompeter und Flügelhornspieler in der Band seines Vaters, mit der er schon in jungen Jahren in den “Ami-Clubs” um Heidelberg und Karlsruhe auftrat. “Schwarze GIs wollte Jazz hören,“ erinnert sich Rabold, „und den konnten wir bieten.“ Nach einem klassischen Trompetenstudium und zwei Jahren Dienst beim Bundeswehr-Musikcorps in Bad Cannstadt, rief er 1968 die FrédéricRabold Crew ins Leben, eine mittelgroße Formation aus acht bis zehn Mitgliedern, die einen eigenen Weg im modernen Jazz einschlug. Die Crew verband buntschillernde Arrangements und freie Improvisationen mit groovenden Rockrhythmen und elektrische Sounds von E-Piano und E-Gitarre. 

In den 1970er Jahren hatte die Band ihre ganz große Zeit. Mit hochkarätigen Talenten wie dem Schlagzeuger Manfred Kniel, dem Pianisten Uli Bühl, dem Saxofonisten und dem Bassisten Fritz Heieck machte die Gruppe in ganz Deutschland Furore. „Mal swingte die Musik, mal war sie ‘funky’. Es gab Balladen und dann wieder total freie Sequenzen,“ erinnert sich Rabold. „Diese Mischung machte uns interessant. Die Kompositionen bildeten den Rahmen, in dem dann viel improvisiert wurde.“

Wenn es rund lief, absolvierte die Band 25 Konzerte im Monat – von Kellerclubs bis zu großen Festivals. „In Stuttgart haben wir manchmal unser Equipment nach einem Konzert gleich in den nächsten Club getragen, wo wir am nächsten Tag gebucht waren, so voll war unser Terminkalender,“ erzählt Bassist Fritz Heieck. „Jazzpapst“ Joachim Ernst Berendt produzierte eine Schallplatte der Crew und sorgte für Rundfunkauftritte, auch für eine Veröffentlichung beim renommierten MPS-Label in Villingen. 1974 stieß die amerikanische Vokalistin Lauren Newton zur Gruppe und sorgte mit ihrer exaltierten Vokalistik für frische Impulse. „Wir spielten Musik zwischen Jazz und Rock und waren eine der wenigen Bands damals, die stark in diese Richtung gingen,“ erinnert sich Newton, die heute Jazzgesang an einer Schweizer Hochschule unterrrichtet. „Ausgangspunkt waren immer relativ einfache Themen mit viel Raum für Improvisation.“ 
                                     Foto: Martin Wagner
Doch obwohl es damals richtig rund lief, blieb das große Geld aus, weil die Gagen immer durch 8 bis 10 Mitglieder geteilt werden mussten. „Das war nicht so schlimm,“ meint Newton. „Wichtig war, daß wir spielen konnten und so unsere Musik zu den Leuten brachten.“ Manchmal stiegen “Guest-Stars” wie Albert Mangelsdorff oder Manfred Schoof ein. 

Nach 15 Jahren war der kreative Aku leergelaufen. Rabold legte eine längere Verschnaufspause ein, um danach mit verjüngter Besetzung wieder auf die Szene zurückzukehren. Neben dem Bandleader ist heute von der ursprünglichen Formation nur noch Bassist Fritz Heieck mit von der Partie, wobei es die Gruppe geschafft hat, nahtlos an die Klasse und Qualität von früher anzuknüpfen. Immer noch steht die Crew für einen modernen Jazz, der es in sich hat und mit Drive und Dynamik sowie ausgefeilten Arrangements und exzellenten Soli das Publikum in Begeisterung versetzt, wie der Geburtstagsauftritt im Stuttgarter Theaterhaus zeigte.

Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Boten, große Tageszeitung im Südwesten

Friday, 18 May 2018

Neues Album von HISS: Südsee, Sehnsucht & Skorbut

Von Sansibar nach Santa Fee

Auf ihrem neuen Album präsentieren sich Hiss als Abenteurer der Meere

 
cw. Nachdem sich Schwoißfuaß schon lange und Grachmusikoff zum Jahreswechsel in den Ruhestand verabschiedet haben, ist die Stuttgarter „Rootsmusic“-Band Hiss die letzte der legendären Gruppen aus dem Südwesten, die noch nicht das Handtuch geworfen hat. Natürlich wird das Leben als hartarbeitender Musiker nicht leichter mit zunehmendem Alter: die Kräfte schwinden, Gicht kriecht in die Finger, und das Rückgrat schmerzt vom schweren Schifferklavier. Trotzdem denken die fünf Mannen von Hiss noch nicht daran, die Segel zu streichen. Im Gegenteil: Gegründet vor fast 25 Jahren tingelt die Band um Sänger, Liederschreiber und Akkordeonspieler Stefan Hiss weiterhin unermüdlich durch die Clubs, Kellerbars und Musikkneipen der Republik. Zu ihren besten Zeiten absolvierten sie mehr als 120 Auftritte pro Jahr – von Kiel bis Konstanz, rauf und runter die Autobahn. Heute sind es ein paar weniger. Hiss hat einen Gang zurückgeschaltet – das Alter fordert sein Tribut.

Doch ihre Kreativität ist ungebrochen. Gerade haben die fünf Musiker mit ihrer achten CD „Südsee, Sehnsucht & Skorbut“ erneut ein Meisterwerk vorgelegt, das diesmal in zwölf Songs von Abenteuern auf hoher See erzählt – ein Seemanns- und Piratenalbum also, auf dem selbstverständlich reichlich Seemannsgarn gesponnen wird. Robert Louis Stevensons „Schatzinsel“ und Johnny Depps „Fluch der Karibik“ lassen grüßen, auch Hans Albers und Freddy Quinn. Quinns Evergreen „Die Gitarre und das Meer“ aus dem Jahr 1959 ist dann auch einer der wenigen Songs auf dem Album, die nicht von den Bandmitgliedern selber stammen, wobei Hiss es schaffen, dem ollen Gassenhauer ganz neue Seiten abzugewinnen.

Wie immer schlüpfen die Musiker in die Rollen von Geschichtenerzählern und entführen mit ihren Liedern die Zuhörer in ferne Weltgegenden – von „Sansibar nach Santa Fee“ wie einer der Titel heißt. Die Songs berichten vom aufregenden Leben der Weltenbummler und Draufgänger jenseits unserer blassen Vollkasko-Smartphone-Existenz. Nicht ohne ein Augenzwinkern bedienen Hiss Sehnsüchte nach Abenteuer und Fernweh, von denen die gesamte Urlaubsbranche lebt. 

Allerdings geht es bei Hiss verwegener zu. Ihre Exkursionen sind auch Fahrten in die Vergangenheit, als noch Seeräuber, Freibeuter und Meeresungeheuer die Ozeane beherrschten und die schwarze Totenkopfflagge am Mast baumelte. Sie lassen die Welt von Herman Melvilles „Moby-Dick“ und Jack Londons „Seewolf“ wieder auferstehen, als es noch harte, verwegene Männer gab und verführerische Frauen, wobei in jedem Vers eine gehörige Portion Ironie mitschwingt. Hiss führen die Zuhörer in gefährliche Hafenkneipen irgendwo in der Fremde, in denen der Rum in Strömen fließt und durchtriebene Halunken und leichte Mädchen nach dem Geld und Leben der Matrosen trachten. So bietet die CD ein wildes imaginäres Reiseerlebnis für Süßwassermatrosen im Ohrensessel daheim.

Musikalisch präsentiert sich die Truppe geschlossener denn je. Ihre Musik klingt einmal nach Polka, dann wieder nach Blues oder Cumbia. Bei den irischen Jigs fühlt man sich unweigerlich an die Pogues erinnert. „Hafenstädte waren immer Schmelztiegel, in denen unterschiedliche Einflüsse zusammenkamen: Tango, Reggae, Ska, südamerikanische Rhythmen,“ erklärt Stefan Hiss. „Wir waren schon immer auf der ganzen Welt unterwegs.“

Die „Sea Shanties“ von Hiss sind abgehangene Titel ohne Firlefanz, in originelle Arrangments verpackt und mit brillanten Soli garniert. Einmal mehr offeriert die Band Rootsrock der Extraklasse, gereift durch Tausende von Auftritten in den letzten Jahrzehnten. Je älter die Musiker werden, umso abgeklärter klingt ihre Musik. Noch geht die Mannschaft nicht von Bord.