Monday 18 April 2022

SCHEIBENGERICHT: COWBOY JUNKIES – SONGS OF THE RECOLLECTION

SCHEIBENGERICHT   1

 

COWBOY JUNKIES – SONGS OF THE RECOLLECTION (Proper Records)

 

Wertung: 3 ½ von 5


cw. Mit Mundharmonika, Akkordeon, Orgel, Pedal-Steel-Gitarre, Schlagzeug und Baß prägten die Cowboy Junkies in den später 1980er und frühen 1990er Jahren den Sound einer alternativen Folk- und Countrymusik, die heute unter der Ruprik „Americana“ firmiert. Die kanadische Band stand für einen sanft-träumerischer Gruppenklang in zumeist gemächlichen Tempi, über dem Margo Timmins‘ engelhafter Gesang schwebte. 

 

Oft besaß ihr reduzierter Folkrock eine experimentelle Dimension, die jedoch immer dem jeweiligen Stück diente und nie zum bloßen Selbstzweck verkam. So nahm die Gruppe 2020 einen Song namens „Ornette Coleman“ auf, mit dem die vier Musiker dem Erfinder des Freejazz die Ehre erwiesen und der im Mittelteil ein verwaschenes Saxofonsolo im explodierenden Coleman-Stil enthielt. Diese Aufnahme war ein Rekurs auf die formative Phase der Band, als Gitarrist Michael Timmins und Bassist Alan Anton in London in einem Ensemble für frei-improvisierte Musik spielten. So faltete sich das kreative Spektrum der Band immer weiter auf.

 

Von Anfang an schulten die Cowboy Junkies ihren Stil an Coverversionen. Auf ihrem Debutalbum von 1986 war nur eine einzige Eigenkomposition zu finden, und danach gab es kaum ein Platte, die nicht mindestens ein oder zwei Covers enthielt. Nachdem sie 2007 mit dem amerikanischen Singer-Songwriter Vic Chesnutt zusammengearbeitet hatten, nahmen sie 2011 nach Chesnutts Selbstmord ein ganzes Album mit seinen Songs auf. 

 

Mehr als 35 Jahre nach ihrem Debut und immer noch in der Urbesetzung spinnt die Band der Geschwister Timmins aus Toronto diesen Faden jetzt mit ihrem 19. Studioalbum weiter, das ausschließlich aus Neufassungen von Songs von David Bowie, Bob Dylan, The Rolling Stones, Neil Young, Gram Parsons, Gordon Lightfoot und The Cure besteht. 

 

Für diese Art von „Recollection“ (=Erinnerung) haben die Cowboy Junkies einfach neun ihrer "favourite songs" ausgewählt, von denen vier bereits veröffentlicht waren. Am überzeugenstens gerät wiederum ein Lied von Vic Chesnutt. Im Original folgt bei „Marathon“ auf Chesnutts Gesang eine längere Passage anschwellender flirrender Geigentöne, ein experimenteller Hakenschlag, den die Cowboy Junkies in ein Crescendo ratternder Gitarrensplitterklänge übersetzen. Durch den zweistimmigen, gehauchten Gesang erhält das Lied eine eindringliche Atmosphäre, ein Düstersong, dessen Grad an Intensität sich ohne Frage mit dem Original messen kann, wobei die Cowboy Junkies im Refrain die Melodie noch markanter akzentuieren, was der Einspielung eine noch singhaftere Qualität verleiht – berührend!

 

Hörproben:

 

Vic Chesnutt – Marathon 




 


Cowboy Junkies – Marathon vom Album "Songs of the Recollection" (youtube)




 

 

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