Magier kosmischer Klänge
Im April hat der elektronische Musikpionier, Komponist und „kosmische Kurier“ Klaus Schulze im Alter von 74 Jahren den Planeten Erde verlassen. Jetzt erscheint posthum noch ein neues Album, sein letztes
cw. Für manche gilt er als Urvater von Techno, andere sehen in ihm den Erfinder der Ambient-bzw. der New-Age-Musik. Fest steht: Klaus Schulze (1947 geboren) war einer der Pioniere der elektronischen Musik. In seiner langen Karriere, die Ende der 1960er Jahre in Berlin begann und sich über mehr als ein halbes Jahrhundert spannte, hat er viele der Musikströmungen maßgeblich beeinflußt, die heute die Popmusik bestimmen.
Alles fing Ende der 1960er Jahre in Berlin an. Im Stadtteil Wilmersdorf hatte die Jugendmusikschule ein kleines „Beat-Studio“ eingerichtet, das vom Schweizer Experimentalkomponisten Thomas Kessler geleitet wurde. Hier gingen Klaus Schulze und seine Bandkollegen von der Gruppe Tangerine Dream ein und aus. “Wir waren im Rock verwachsen, wollten aber darüber hinaus,“ erinnerte sich Schulze. „Wir wollten keine Bands aus England und den USA mehr nachahmen, sondern unsere eigene Musik finden.“
Schulzes musikalische Interessen waren breit gestreut. In der Berliner Szene kannte man ihn anfangs als Schlagzeuger mit einer äußerst agile Baßdrum. Doch angeregt von den Experimenten im Wilmersdorfer „Beat Studio“ begann er nun auch bei sich zuhause, mit Tonbandgeräten herumzuwerkeln. “Ich habe Tonbänder vor- und rückwärts laufen lassen, geschnitten und wieder zusammengeklebt. Diese Bänder habe ich bei Konzerten mit Tangerine Dream laufen lassen. Das kam bei meinen Bandkollegen nicht so gut an. Deshalb habe ich die Band verlassen.”
Schulze fand schnell neue Mitstreiter. Mit anderen Musikern aus dem „Beat-Studio“ gründete er 1970 Ash Ra Tempel. Es lief vielversprechend an. Die Musik hob in weite Klangsphären ab. Doch die Zusammenarbeit währte nicht lange. “Ich wollte noch mehr Elektronik machen, aber die anderen zogen nicht mit,” gab er später zu Protokoll. Genervt warf er das Handtuch und trat von nun an nur noch als Solokünstler auf.
Mit anfangs äußerst primitivem Equipment gelangen ihm erstaunliche Klanglandschaften. Seine Debut-Album “Irrlicht” von 1972 war ein Werk von funkelnder Fantasie. Schulze ersetzte Töne durch Klänge. Rhythmen kamen anfangs nicht vor. Ein untergründiges Dröhnen bildet die Hintergrundfarbe. Darüber legen er schillernde Sounds, die in wellenartigen Bewegungen auf- und abbrandeten. „Ambient Music” sagte man ein paar Jahre später dazu.
Bald kaufte sich Klaus Schulze seinen ersten Synthesizer, direkt beim Hersteller in London, „weil es dort viel billiger war.” Daheim ging dann die Puzzlearbeit los: Da es keine Betriebsanleitung für das Elektronikinstrument gab, mußte jeder Sound eigenhändig erkundet werden. „Was da manchmal bei Konzerten rauskam, hat mich noch mehr überrascht als die Zuhörer,” so Schulze.
Der Elektronik-Nerd stockte auf. Jeden neuen Synthesizer gliederte er sofort in sein Instrumentarium ein, das immer mehr zu einem Instrumentenpark anwuchs. Auf der Bühne sah es bald so aus, als ob er in einem Raumschiff agieren würde, soviele Keyboards und Gerätschaften türmten sich auf. Das passte, waren es doch wirklich kosmische Klänge, die Schulze seinen Maschinen entlockte.
Ab Mitte der 1980er Jahre kamen Computer, später Laptops dazu und viele andere digitale Klangmaschinen wie der Sampler. Mit dem Sequenzer kehrte der Rhythmus ins Schulzes Musik zurück, was seine Stücke zugänglicher machte. Technologisch war Klaus Schulze immer ganz vorne mit dabei.
Der Wechsel zum britischen Virgin-Label brachte den weltweiten Durchbruch. Nun trat er in großen Konzertsälen in Amerika, Japan und Europa auf und produzierte ein Album nach dem anderen – insgesamt über 50 – mit anhaltendem Erfolg. David Bowie und Brian Eno outeten sich als Fans. Regisseure und -regisseurinnen wie Michael Mann und Sofia Coppola verwendeten seine Titel für die Soundtracks ihrer Filme. Bald war Schulze international weit bekannter als in Germany, wo er nie die Anerkennung fand, die ihm eigentlich gebürte.
Vor zehn Jahren zog sich Klaus Schulze, der von Berlin aufs Land in die Lüneburger Heide gezogen war, aus gesundheitlichen Gründen aus dem Konzertbetrieb zurück. Eine Muskelschwäche in den Beinen und Probleme mit der Bauchspeicheldrüse machten ihm zu schaffen. Dennoch bastelte er weiter unermüdlich in seinem Heimstudio an neue Sounds.
Dabei ist 2021 ein Album mit dem Titel „Deus Arrakis“ entstanden, zu dem Schulze vom renommierten Filmkomponisten Hans Zimmer angeregt worden war, der ihn zuvor für die Arbeit am Soundtrack für den Film „Dune“ von Denis Villeneuve ins Boot geholt hatte. „Deus Arrakis“ ist ein Album voll typischer Schulze-Musik mit weiten elektronischen Klangfelder und pulsierenden Sounds, die auf- und abebben und bei denen man meint, durch sämtliche Galaxien des Universums zu segeln. Schulze entfaltete hier zum letzten Mal mit Hilfe des Cellisten Wolfgang Tiepold die ganze Magie seiner kosmischen Klänge.
„Deus Arrakis“ sollte sein letztes Album werden. Es ist posthum erschienen. Am 26. April 2022 ist Klaus Schulze 74jährig überraschend verstorben.
Klaus Schulze – Deus Arrakis (SPV Recordings)