Werbekarte: The Who plus Bluesmusiker James Cotton mit Band 'in concert' in Santa Monica an der amerikanischen Westküste im August 1968
Sunday, 30 December 2012
Wednesday, 26 December 2012
SOULFOOD: Afro-American Cooking & Soulmusic
SOULFOOD - Seelennahrung
Foto: Axel Kuestner CW. Als einst Jimi Hendrix im Januar 1969 auf Tournee in Deutschland war, versuchte ihm in Stuttgart sein Tourneeveranstalter Fritz Rau das schwäbische Nationalgericht Linsen mit Spätzle und Saitenwürstle nahe zu bringen. “Hendrix begann tapfer mit dem Verzehr. Aber sehr bald ließ er den kaum angerührten Teller stehen und entschuldigte sich für einen Moment,” schreibt Rau in seinen Memoiren. “Er kam nicht wieder. Wahrscheinlich war ihm schlecht geworden. Sein Tourmanager sagt mir: ‘Er kriegt dein Lieblingsessen beim besten Willen nicht runter, aber er möchte deine Gefühle nicht verletzen.’” Hätte Rau die Linsen als schwäbisches “Soulfood” angepriesen, wäre seine Mission vielleicht erfolgreicher verlaufen. Denn “Soulfood” ist neben “Soulmusic” ein Grundbestandteil afro-amerikanischer Kultur. Der Slang-Begriff steht für die schwarze Küche des amerikanischen Südens, für Essen, das nicht nur dem Magen guttut, sondern auch der Seele – Seelennahrung eben!
Soulfood ist nicht, was die Ernährungsberaterin empfiehlt. Diese Gerichte scheren sich keinen Deut um Kalorien oder die Gesundheit – im Gegenteil: Je fetter, desto besser, scheint das Motto zu sein. “Fat and yummy!” Hauptsache: deftig! Kein Wunder, dass aus Bayern, dem Land der Schweinshaxn, Semmelknödeln und Weißwürste, dieses Kochbuch kommt. Seit fünfzehn Jahren sammelt der Münchner Spitzenkoch und Soulmusik-DJ Sven Christ sowohl Rezepte schwarzer Hausmannskost, als auch alte Soul-Platten. Dazu ist er etliche Male in den USA unterwegs gewesen, hat Schallplattenläden nach gebrauchtem Vinyl abgeklappert und bei Leuten, wo er unterkam, nach alten Familienrezepten und speziellen Zutaten gefragt, wobei er sowohl Klangvolles als auch Leckeres zu Tage förderte: “Den Alligator in Würfel schneiden und in einem großen Topf in Öl anbraten”, lautet etwa die Kochanweisung für “Gator Stew” – Alligator Eintopf, während der Rhythm & Blues-Musiker Junior Walker inbrünstig vom “Home Cooking” singt. Doch um die hiesigen Kochfans nicht gleich zu entmutigen (denn in welchem Feinkostgeschäft gibt es schon Alligator?), zeigt der Chefkoch kompromißbereit einen Ausweg: “Wem Alligator zu unheimlich ist, der kann auch Kalb verwenden.” Foto: Axel Kuestner Als Küche der Afro-Amerikaner war “Soulfood” ursprünglich ein Arme-Leute-Essen. Sein Merkmal: der äußerst kreative Umgang mit dem Wenigen, was es gab. Reste gab es nicht, alles wurde verwertet. “Das wichtigste in der Soulfood-Küche ist aber die Lust, mit der diese Gerichte zubereitet werden, dieser unbedingte Wille sich selbst etwas zu gönnen, in einer Welt, in der so etwas wie Luxus nicht vorkommt”, schreibt Christ.
Wer mit der Küche des (deutschen) Südens vertraut ist, dem wird hier einiges bekannt vorkommen: Was in Louisiana unter “Southern Style Barbequed Pig’s Feet” läuft, ist in Bayern schon seit ewig als weißblaues Nationalgericht bekannt. Unterhalb des Weißwurstäquators sagt man schlicht “Schweinshaxn” dazu.
Der Beitrag erscheint in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift JAZZTHETIK (www.jazzthetik.de)
Sunday, 23 December 2012
KIMMO POHJONEN und das KRONOS QUARTET
Widerspenstige Zähmung
CW. Das Kronos Quartet ist das bekannteste Streichquartett der Welt. Seit den 70er Jahren hat das Ensemble aus Kalifornien das Image des Streichquartetts radikal modernisiert, als eines Kammerensembles, das nicht nur klassische Musik präsentiert, sondern sich Pop, Jazz und Welmusik öffnet, ohne dabei künstlerische oder kommerzielle Zugeständnisse zu machen. Das Kronos Quartet hat “Purple Haze” von Jimi Hendrix für Streicher arrangiert, dazu mit einer enormen Bandbreite von Künstlern zusammengearbeitet, ein Spektrum, das vom Beat-Poeten Allen Ginsberg über Tango-Meister Astor Piazzolla bis zu Björk, Tom Waits und David Bowie reicht. Ähnlich revolutionär hat Kimmo Pohjonen in Bezug auf das Akkordeon gewirkt. Der Finne hat der Ziehharmonika zu einem neuen Profil verholfen, es zu einem Instrument gemacht, auf dem man spielen kann wie Jimi Hendrix auf der Gitarre: wild, energiegeladen und aufpeitschend!
Was den Akkordeon-Rabauken Kimmo Pohjonen mit den Feingeistern des Kronos Quartets verbindet, ist die Lust, Neues auszukundschaften und sich in unbekanntes musikalisches Terrain vorzuwagen. Vor Tabus fürchten sich beide nicht! Zusammen mit Samuli Kosminen hat Pohjonen sieben Stücke entworfen, von denen einige eher träumerische Stimmungen heraufbeschwören. In solch versonnenen Passagen verschmilzt das Akkordeon wunderbar mit dem Streicherklang. Die Musik segelt dann so nahe an der Stille, dass die Instrumente fast zu verstummen scheinen und minimalistische Klangflächen entstehen, die wie Schneefelder in der Morgensonne funkeln. Das Kronos Quartet hat den wilden Akkordeonmann gezähmt. Es hat ihn veranlaßt, in sich hineinzuhören und seine sensiblere Seite zum Vorschein zu bringen. In anderen Kompositionen bricht dagegen Pohjonen ungestümes Temperament hervor. Harte Brüche und dynamische Ausschläge sorgen für Kontrast. Galoppierende Maschinen-Rhythmen werden von scharfkantige Melodien der Streicher überlagert, elektronische Klangverfremdungen schaukeln sich zu aufbrausenden Tongewittern hoch, wobei Samuli Kosminen mit knarzige Störgeräusche dazwischen funkt.
Aktuelles Album: Kronos Quartet / Kimmo Pohjonen / Samuli Kosmimen: Uniko (Ondine)
Tuesday, 18 December 2012
Jazztrends: Interview mit HANK ROBERTS
In den Augenblick hineinhören
Der amerikanische Jazzcellist Hank Roberts
Hank Roberts (Jahrgang 1954) hat das Cello im modernen Jazz etabliert in Gruppen von Bill Frisell oder dem Arcado String Trio. Das Spiel auf dem Streichinstrument empfindet er als Therapie, als Tanz oder als Yoga-Übung. Jetzt legt der amerikanische Saitenvirtuose ein Album vor, das das stilistische Spektrum weit auffächert
Christoph Wagner: Sie spielen in der Band Buffalo Collison mit dem Saxofonisten Tim Berne sowie dem Pianisten Ethan Iverson und dem Schlagzeuger Dave King von The Bad Plus zusammen - zwei verschiedene Generationen von Musikern, die aus unterschiedlichen Traditionen kommen. Wie funktioniert das? Hank Roberts: Bei dieser Gruppe ist keine Musik vornotiert. Wir musizieren spontan. Die Musik entwickelt sich von einem Moment zum nächsten. Wir sprechen uns nicht ab, sondern einer fängt an und die anderen reagieren darauf. Da jeder von uns auch Komponist ist, hoffen wir, das eine kompositorische Logik entsteht. Je mehr wir zusammenspielen, umso besser verstehen wir unsere unterschiedlichen Ausdrucksweisen. Es ist sehr offen - ein idealer Rahmen für Experimente.
Hank Roberts: Ich ließ mich von jeder Art von Jazz anregen, von allem, was ich zu hören bekam. Ich las die Zeitschrift Down Beat, hörte von John Coltrane, ging in den örtlichen Plattenladen und kaufte mir eine LP von Trane, dann von Miles Davis. Später stieß ich auf Platten des Art Ensemble of Chicago und kam in Berühung mit der freien Improvisationsszene. Ich entdeckte Derek Bailey, Dave Holland, LPs von ECM. Wie sind sie überhaupt zum Cello gekommen? Hank Roberts: Nicht ohne Umwege. Als ich neun Jahre alt war, wollte ich Jazzdrummer werden, aber an meiner Schule gab es keine Perkussioninstrumente, nur Saiteninstrumente. Da ich ein hochgewachsener Junge war, wählte ich das Cello. Es fühlte sich gut an. Dann hörte ich einen Jazzposaunisten, und fing neben dem klassischen Cello an, Jazzposaune zu spielen - Standards. Gleichzeitig begeisterte ich mich für Blues, kaufte mir einen Gitarre, wollte ungedingt Bluesgitarrist werden. Ich betrieb das Musikmachen sehr ernsthaft, übte 5 Stunden am Tag Jazzposaune auf der Highschool. Weil ich zu viel übte, beschädigte ich ein paar Muskeln der Lippen und musste eine Weile pausieren. In dieser Zeit trat wieder das Cello in den Vordergrund. Ich spielte die selben Sachen, die ich zuvor auf der Posaune gespielt hatte. Und es ging leichter, ohne derart große Anstrengung. Ein ganz neuer Horizont tat sich auf, weshalb ich mich von da an aufs Cello konzentrierte. Ich erkundigte mich nach anderen Cellisten im modernen Jazz, aber es gab keine. Andere Musiker wie der Vibrafonist Gary Burton wurden zu einem Einfluss, bei dem ich studierte. 1975 traf ich Bill Frisell, auch Marty Ehrlich. Es war also nur logisch, mit dem Cellospiel fortzufahren.
Das Interview erschien ursprünglich in der Zeitschrift JAZZTHETIK (www.jazzthetik.de)
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