Kleines Instrument ganz groß!
Einst verspottet, erlebt die
Ukulele momentan einem Boom
cw. Früher wurde sie belächelt. Nur
Spaßmacher und Varieté-Unterhalter spielten Ukulele - die nervige und etwas
vorlaute, kleine Schwester der Gitarre. Niemand nahm sie ernst. Doch seit das
Zupfinstrument in der Popmusik immer mehr an Boden gewinnt, hat sich sein Ruf
verbessert. Ob Noah And The Whale, The Magnetic Fields, Jack Johnson oder die
Fleet Foxes - mehr und mehr Popkünstler schätzen die Unbekümmertheit des
scheppernden Schrammelklangs. Jetzt tritt Popstar Eddie Vedder von der
Rockgruppe Pearl Jam mit einem Soloalbum an die Öffentlichkeit, das für einen
weiteren Popularitätsschub sorgen dürfte. Auf “Ukulele Songs” finden sich mehr
als ein Dutzend Lieder, auf denen sich der Sänger nur auf der Ukulele begleitet
und beweist, dass die viersaitige Minigitarre auch zu ernsthaftem
künstlerischen Ausdruck geeignet ist.
“Weniger Saiten, mehr Melodie”,
so bringt Vedder die Vorteile der Ukulele auf den Punkt. Verliebt hat er sich
in das Saiteninstrument vor mehr als zehn Jahren bei einem Hawaii-Urlaub, als
er sich von den Strapazen einer Pearl Jam-Tournee erholte. In einem Geschäft
stach ihm das Instrument ins Auge, das so billig war, dass er es sofort erwarb.
Vor dem Laden probierte er darauf herum, bis eine Melodie ertönte. “Ein paar
Touristen blieben stehen und warfen mir Geld in die Instrumentenschachtel,”
erzählt Vedder. “Ich dachte: Sapperlot, das Ding hat etwas!”
Sein demokratischer Charme ist
der größte Vorteil des Instruments -
fast für jeden Geldbeutel erschwinglich. Dazu leicht zu erlernen: “In
fünf Minuten Ukulele spielen!” garantiert ein Unterrichtswerk. Die geringe
Größe macht sie außerdem für kleine Hände spielbar und zum idealen
Schulmusikinstrument. “Mein Daddy zeigte mir ein paar Akkorde auf der Ukulele,
bis meine Hände groß genug waren, um Gitarre zu spielen,” erinnert sich
Bluesgitarrenlegende Johnny Winter. Der geringe Preis und die leichte
Spielbarkeit machen die Ukulele heute zu einer Art Gegenmodell zum immer
aufgeblaseneren und hochpolierteren Musikbusiness.
Die Stärken scheinen sich
langsam herumzusprechen, denn die Verkaufszahlen zeigen nach oben. In
Großbritannien, dem führenden Land der aktuellen Ukulele-Welle, ist das
Instrument ein Verkaufsschlager. Allein im letzten Jahr wurde im Vereinigten
Königreich mehr Ukuleles verkauft als E-Gitarren. Mit mehr als 40 %
verzeichnete das Instrument den größten Umsatzzuwachs unter allen
Musikinstrumenten. Kleine Ukulele - ganz groß!
Und sie werden auch gespielt, am
liebsten im Verein. Auf der Insel schießen Ukulele-Clubs
wie Pilze aus dem
Boden und das nicht nur in größeren Städten. Selbst auf dem
Land grassiert der
Ukulele-Virus, wie in Hebden Bridge (Nordengland), wo sich ein halbes Dutzend
Hobbymusiker einmal im Monat zum gemeinschaftlichen Musizieren im “Cross Inn
Pub” treffen, oder im
benachbarten Halifax, wo eine “Ukulele Gang” regelmäßig zusammenkommt. In
Deutschland haben sich ebenfalls bereits erste Vereine gebildet.
“Jung und alt kommen zum
Übungsabend - von Teenagern bis zu Rentnern. Menschen aus den
unterschiedlichster Berufen - das ganze
Spektrum!” erzählt Rob Collins, der vor ein paar Jahren im nordenglischen
Hebden Bridge den Spielkreis ins Leben rief. Collins hatte sich in das
Instrument vernarrt, als er vor zehn Jahren auf die Idee kam, Ukuleles aus
blechernen Keksdosen zu bauen, die unerwarteten Anklang fanden. Als er dann
letztes Jahr arbeitslos wurde, machte er aus seinem Hobby einen Vollzeitberuf
und liefert nun seine hochwertigen Instrumente aus makellos gedrechselten
Rosenholz oder Eichenholz in die ganze Welt. Von Japan bis in die USA treffen
Bestellungen ein. Die Auftragsbücher sind bis zum Jahresende voll.
Ursprünglich war die Ukulele in
Hawaii aus einem Zusammenprall zweier Kulturen entstanden. 1879 hatten
portugiesische Auswanderer traditionelle Zupfinstrumente wie die Braguinha und
das Cavaquinho von der Insel Madeira in die Südsee gebracht. Auf Hawaii wurden
die Instrumente den lokalen Bedürfnissen angepasst, in der Form vereinfacht, in
der Stimmung simplifiziert und in “Hüpfender Floh” umbenannt, sprich: Ukulele!
Nach der Annexion durch die USA,
avancierte Hawaii 1898 zum beliebten Ferienziel amerikanischer Urlauber. Bei
den Touristen erfreuten sich die traditionellen Hula-Tänze und hawaiianische
Folksongs besonderer Wertschätzung, die oft von einer Ukulele begleitet wurden.
Das Instrument stimulierte Sehnsüchte, dem grauen Alltag zu entfliehen. Es rief
Südsee-Fantasien hervor, in denen braune Schönheiten am Strand im Mondschein
unter Palmen ihre exotischen Tänze zu den Melodien einer Ukulele vollführten.
Das Motiv wurde von Songs wie “Ukulele Sweetheart” oder “My Honolulu Ukulele
Baby” um die Welt getragen, gespielt von Musikgruppen aus Hawaii, die mit
solchen Liedern internationale Erfolge feierten.
Die “Panama-Pacific
International Exhibition” von San Francisco brachte 1915 den Durchbruch. Viele
der 17 Millionen Besucher hörten dort zum ersten Mal hawaiianische Musik mit
Ukulele. Die Begeisterung schlug hoch. 1926 hatte der Höhenflug seinen
Kulminationspunkt erreicht, als die amerikanische Gitarrenfirma Martin - ein
Gitarrenhersteller unter vielen - allein 14000 Ukulele verkaufte. Hawaii-Musik
feierte weltweite Triumphe.
Als 1933 das Instrument in einem
Film mit Laurel & Hardy auftauchte, sowie ein paar Jahre später in “Waikiki
Wedding” mit Bing Crosby, war die Mode bereits wieder im Abklingen begriffen.
Erst in den 50er Jahren bescherte Marilyn Monroe in “Some like it hot” dem
Instrument ein Comeback, zu dem auch Elvis mit dem Film “Blue Hawaii” beitrug,
für den er auf dem Plakat mit Ukulele posierte. Ende der 60er Jahre wirbelte
der schrille Entertainer Tiny Tim noch einmal Staub auf, dessen Markenzeichen
die Ukulele war. Danach wurde es stiller
um das Instrument aus der Südsee.
Jetzt ist das Ukulele-Fieber
wieder erwacht. Nicht ganz unschuldig ist daran das Ukulele Orchestra of Great
Britain, das seit 1985 unermüdlich als Missionsorganisation für das Instrument
fungiert und mittlerweile selbst in Japan große Säle füllt. Das professionelle
Ensemble aus acht Ukulele-Spielern, zumeist ehemaligen Gitarristen, bietet ein
buntgewürztes Programm aus klassischen Vaudeville-Nummern, alten Schlagern und
Rock-Bearbeitungen wie “Anarchy in the UK” von den Sex Pistols. Selbst
Hawkwinds “Silvermachine” wird die Ukulele-Behandlung zuteil, wobei die
Diskrepanz zwischen den Pling-Plong-Tönen und den Rocksounds der Originale ihre
komische Wirkung nicht verfehlt.
Im deutschsprachigen Raum sind Coconami
die Speerspitze des neuen Trends. Das japanische Musikerehepaar aus München hat
dem Rock ‘n’ Roll adé gesagt, ihre E-Gitarren bei Ebay versteigert, um eine
unbeschwerte, heitere Musik zu machen - mit Ukulele. Nami singt wie ein Vogel
beim Sonnenaufgang, nur lieblicher, während Miyaji auf den Saiten zirpt. Ob
bayrisches Landler-Lied, japanische Folkmelodie oder ein Punk-Song - Coconami machen die Ukulele zum
kulturübergreifenden Weltenversöhner. “Jeder sollte eigentlich eine Ukulele
besitzen,” meint Eddie Vedder. “Die Leute müssen sich ausdrücken können, das
braucht es einfach!”
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