One Scotch, one Bourbon, one Beer
Alexis Korner zum 30. Todestag
Wie ein österreichischer Nazi-Flüchtling den europäischen Blues erfand
Ein gewaltiger Ruf eilte
ihm voraus. Bei seinen Auftritten wurde er als “Vater des weißen Blues”
vorgestellt, von dem man wußte, daß durch seine Schule viele der Giganten der
Rockmusik gegangen waren, etwa Mick Jagger, Charlie Watts, Jack Bruce und Ginger
Baker. Aber auch viele Jazzmusiker hatten in seinen Bands gespielt von Dave
Holland und John Surman über Ray Warleight und Phil Seaman bis zu Lol Coxhill
und Chris McGregor.
Bei den Konzerten von Alexis Korner fiel besonders auf, daß der
kraushaarige Engländer mit mächtigem Backenbart und der obligaten Zigarette im
Mundwinkel, seine Songs in makellosem Deutsch ankündigte und auch sonst auf
sympathische Weise angeregt mit dem Publikum auf deutsch plauderte. Seine
polyglotten Fähigkeiten hatten biographische Gründe. 1928 als Sohn eines
österreichischen Geschäftsmanns und seiner griechischen-türkischen Frau in
Paris zur Welt gekommen, war Alexis mehrsprachig aufgewachsen. Die Familie
Körner gehörte zur quasi
kosmopolitischen europäischen Kaufmannsschicht, war viel unterwegs,
lebte zeitweise in London und Paris.1940 wurden die Körners vom Einfall der
deutschen Truppen in Frankreich überrascht und brachten sich in letzter Minute
mit einem Flüchtlingsschiff nach England in Sicherheit. Die Situation hätte
brenzlig werden können, da der Vater aus einer Familie konvertierter Wiener
Juden stammte.
Nach Kriegsende tat der junge Alexis Korner als britischer
Besatzungssoldat bei einem Militärsender in Hamburg Dienst, wo er als
Diskjockey erstmals in intensiveren Kontakt mit Jazz- und Blues-Platten kam,
was der Beginn einer lebenslange Leidenschaft bedeutete.
Nach dem Militärdienst kehrte Korner nach England zurück und stieg
in die Londoner Jazzszene ein. Zuerst spielte er Rhythmusgitarre in der Band
von Chris Barber, der ihm pro Auftritt ein kleines Bluesintermezzo gewährte.
Als der Traditionsjazz Mitte der 50er Jahre vom Skiffle als neuster Mode
abgelöst wurde, war Korner in der Gruppe von Ken Colyer mit von der Partie,
weil Skiffle-Bands, als britische Versionen der amerikanischen Jugbands, auch
Songs von Bluessängern wie Big Bill Broonzy und Huddie Ledbetter im Repertoire
hatten. Nach dem Vorbild der Jazz- und Folkclubs, die meistens in den
Hinterzimmern von Pubs stattfanden, gründete er 1962 im Londoner Stadtteil
Ealing einen Blues-Club, der zu einem Kristallisationspunkt für all diejenigen
wurde, die in den Bann der
amerikanischen Musik geraten waren. Jeden Samstagabend fanden hier die
heißesten Sessions statt. Während Alexis Korner mit seiner Gruppe Blues
Incorporated auftrat, drückten sich junge Gleichgesinnte wie Rod Stewart oder
Eric Clapton am Bühnenrand herum, in der vagen Hoffnung einmal
kurz einsteigen zu können.
Als mit den Rolling Stones, der Spencer Davis Group, den Animals
und Yardbirds 1963 in England die
Blues-Revolution ausbrach, geriet Alexis Korner ins Hintertreffen. Während die
Jungen absahnten, wartete er vergeblich auf den großen Durchbruch. Sein jazzig
angehauchter Blues wurde vom neuen Bluesrock ausgestochen, der sich am
elektrischen Rock ‘n Roll von Chuck Berry und Bo Diddley orientierte.
Alexis Korner & Snape, 1972
Alexis Korner & Snape, 1972
Alexis Korner blieb in den 70er Jahren höchstaktiv. Er war an den
Londoner Sessions von B.B. King beteiligt, gründete die Gruppen New Church und
Snape und landete mit der Rockstudio-Bigband CCS sogar in den Hitparaden. Er spielte häufig in der West-Deutschland, das mehr und mehr zu seinem Hauptauftrittsland wurde. In der musikalischen Abenteuerlust kann man einen
wichtigen Charakterzug Alexis Korners erkennen, den künstlerischen Drang, nicht
still zu stehen und immer wieder Neues zu wagen. Dem Grundsatz ist er bis zuletzt treu geblieben. Vor 30 Jahren, am Neujahrstag 1984, ist der “Vater des weißen
Blues” in einem Londoner Krankenhaus an Lungenkrebs gestorben. Am 19. April
2014 wäre Alexis Korner 86 Jahre alt geworden.
No comments:
Post a Comment