Tradition und Imagination
Der Schweizer Akkordeonist Hans Hassler
cw. Ist es nostalgische Sehnsucht oder
künstlerische Selbstvergewisserung, die Musiker dazu bringt, sich im
fortgeschrittenen Alter wieder der Musik ihrer Jugendzeit zu zuwenden? Der
68jährige Hans Hassler, Schweizer Akkordeonist avantgardistischer Prägung, ist
mit traditionellen Melodien aufgewachsen. Er hat in jungen Jahren in
Ländlerkapellen Klarinette geblasen, ganz in der Spur seines Vaters, der neben
seinem Beruf als Stadtarbeiter in Chur vor allem ein eingefleischter
Volksmusikant war. Obwohl traditionelle Klänge immer schon in Hasslers Musik
präsent waren, wenn auch eher untergründig, setzt sich der Akkordeonist auf der
neuen Einspielung intensiver mit seiner volksmusikalischen Sozialisation
auseinander.
Hassler schürft im Unterbewußtsein
und fördert eine ganze Reihe vergessener Tanzmelodien zu Tage, Stücke von Paul
Kollegger, Luzi Brüesch und Kasi Geisser, die allesamt zum Traditionsschatz der
Schweizer Volksmusik gehören. Unterstützt vom Klarinettisten Jürgen Kupke, dem
Baßklarinettisten Gebhard Ullmann und dem Perkussionisten Beat Föllmi
interpretiert Hassler dieser Kompositionen auf seine eigene Art. Er seziert und
fragmentiert die Melodien, verfremdet die Harmonien und setzt sie collagenhaft
wieder zusammen. Hassler läßt sich von der Tradition nicht an die Kette legen,
sondern gibt sich der musikalischen Tagträumerei hin, die ins Geisterreich
zwischen Wachsein und Versunkenheit führt.
Natürlich ist es für einen Musiker
ein törichtes Unterfangen, die Entzauberung, die das Erwachsenwerden mit sich
bringt, rückgängig machen zu wollen: Es gibt keinen Weg zurück zum rein
sinnlichen Musizieren! Das weiß Hassler nur zu gut. Dennoch ist ihm mit der
Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln ein interessantes und vielschichtiges
Stück Musik gelungen: Ländlerklänge zwischen Tradition und Imagination!
Hans Hassler: Hassler (Intakt)
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