Monday, 17 March 2014

POP-RECYCLING: 'Live'-Aufnahmen von Popfestivals in den 70ern


Fundgrube musikalischer Schätze
                                               
Immer mehr Auftrittsmitschnitte von Popfestivals der siebziger Jahre finden ihren Weg in die Öffentlichkeit


cw. Die Ruhrpottstadt Essen machte den Vorreiter. Nach den “Internationalen Essener Songtagen 1968” und dem “Internationalen Essener Pop- und Bluesfestival 1969” brach 1970 der Damm: eine wahre Popfestivalwelle überflutete die Bundesrepublik und zog in der ersten Saison eine halbe Million Besucher an. Rockfestivals wirkten damals wie Magnete auf alle Jugendlichen, die sich als Teil der “Woodstock Generation” fühlten. Oft hatte der eine oder andere Fan ein tragbares Tonbandgerät dabei, um die Auftritte der Stars mitzuschneiden, was damals problemlos durchging und keine aggressiven Ordner auf den Plan rief.

In den letzten Jahren haben sich verstärkt kleine Plattenfirmen daran gemacht, solche Festival-Mitschnitte von Privatpersonen ausfindig zu machen, zu sichten und - falls die Tonqualität es erlaubt - auf CD zu veröffentlichen. Seit Jahren gibt es eine “Taper”-Szene, in der Mitschnitte von Konzert- und Festivalauftritte der Hippie-Ära zirkulieren, oft von bekannten Bands wie Pink Floyd oder Deep Purple. Nicht selten finden solche Aufnahmen den Weg ins Internet, wo sie dann auf der Plattform “youtube” landen, wie der Mitschnitt des Auftritts von Jimi Hendrix in der Stuttgarter Liederhalle im Januar 1969.

                                                                                              EuroPop-Festival, Aachen 1970
Eines der herausragenden Popereignisse des Jahres 1970 war das Euro-Pop-Festival in Aachen, das über Pfingsten stattfand und mit großen Namen wie Deep Purple, Taste und Pink Floyd 40000 Fans anlockte. “Angenehmes Wetter, fantastische Bands – tolles Festival!” erinnert sich Herbert Grab, Drummer der Rockband Steinefresser, der von Reutlingen nach Aachen pilgerte.

Die große Frage eines jeden Festivals damals war: Welche Bands werden überhaupt kommen? Wer fällt aus? In Aachen wartete man vergeblich auf Traffic und Fairport Convention. Alle anderen angekündigten Gruppen traten auf – insgesamt 23 an der Zahl, darunter mit Kraftwerk, Amon Düül und Can auch ein paar deutsche Formationen und mit Krokodil eine Band aus Zürich.

In der riesigen Publikumsmenge im Aachener Reiterstadion saß auch der Teenager Dirk Krause, der sein Tonband mitgenommen hatte, ein paar Mikrofone an die Balustrade hängte und kräftig mitschnitt. Den Auftritt der Keef Hartley Band aus England - die Band war auch beim berühmten Woodstock-Festival ein Jahr zuvor mit von der Partie gewesen - fing Krause ohne Störungen komplett ein. Die Formation präsentierte sich dabei in Hochform. Schlagzeuger Keef Hartley, der sich seine Meriten beim Bluesguru John Mayall verdient hatte, spielte mit seine, Quintett eine brodelnde Mischung aus Jazz, Rock und Blues. Vor allem der Gitarrist verstand mit virtuosen Solos und einer meisterhaften Beherrschung des Wah-Wh-Pedals das Publikum auf die Beine zu bringen. Offenbar war die Verstärkeranlage einigermaßen ordentlich ausgepegelt, denn der Sound der Aufnahme ist von passabler Qualität, wenn man einmal von leichten Verzerrungen des Gesangs und der Bläser sowie einer zu lauten Gitarre im Mix absieht.

Sireena Records, wo die CD erschienen ist, haben sich auf die Veröffentlichung solcher verschollener Aufnahmen spezialisiert. Im Katalog des Labels aus Lübeck finden sich neben dem Mitschnitt eines Konzerts der Edgar Broughton Band aus der Hamburger “Fabrik” von 1973, auch “Live”-Aufnahmen von Mott The Hoople (Schweden 1971) und Stone The Crows (Montreux 1972). Für den nostalgischen Rockfan verwandelt sich die Vergangenheit in eine Fundgrube musikalischer Schätze, aus der sicher noch einige Kostbarkeiten ans Tageslicht gefördert werden.

Der Artikel erschien zuerst im SCHWARZWÄLDER BOTE, große Tageszeitung in Südwestdeutschland

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