Wednesday 14 May 2014

COCO SCHUMANN - Happy Birthday!

Der Ghetto-Swinger  

Der Berliner Jazzgitarrist und KZ-Überlebende Coco Schumann wird 90


cw. Bis vor ein paar Jahren trat er noch regelmäßig öffentlich in Berliner in Jazzclubs und Cocktail-Bars auf. Mit seinem Trio und seiner halbakustischen Gitarre spielte Coco Schumann geschmeidigen Swing und gedämpfte Jazzstandards. Seine Finger huschten nur so über die Saiten. Jetzt im hohen Alter machen die Gelenke nicht mehr mit, doch der 90jährige trägt es mit Galgenhumor. Auf die Frage, ob es schlimm sei so alt zu werden, meint er trocken:
„Schlimmer ist es, wenn man es nicht wird.“

Sein Humor hat ihn nie verlassen, selbst in den düstersten Zeiten nicht. Und davon hat Schumann einge durchlebt. Als Heinz Jakob Schumann am 14. Mai 1924 in Berlin geboren, wurde der Teenager unter der Nazi-Diktatur wegen seiner jüdischen Abstammung – sein Vater war katholisch, seine Mutter jüdisch –nach Ausschwitz deportiert, wo er den ganzen Horror der Vernichtungsmaschinerie tagtäglich hautnahm erfuhr und nur durch Glück überlebte. Musik spielte dabei eine entscheidende Rolle. Schumann musizierte in der Lagerkapelle, die die Lagerinsaßen auf dem Weg in die Gaskammern begleiten musste.

Das heraufziehende Unheil hatte Schumann lange ignoriert. Irgendwie hoffte er, dass der “Nazi-Spuk” bald vorbei sein würde. Anfangs war er sich seiner jüdischen Herkunft gar nicht bewußt. Erst als ein Lehrer dem 11jährigen kundtat: “Du gehörst nicht zu uns, die Hitlerjugend ist nur für Deutsche,“ begann es ihm langsam zu dämmern. Er flüchtete sich in Musik, Jazz wurde seine Leidenschaft. “Die vielen unsinnigen Verbote nahm ich gar nicht ernst. Die täglichen Schikanen ignorierte ich. Selbst als die Judenverfolgung begann, verdrängte ich, was ich sah.”
 
Schumann stand bald jeden Abend auf der Bühne und spielte eine Musik, die eigentlich verboten war. “Wenn eine Razzia war, stellten wir schnell auf Volkslieder um, wenn Bombenalarm war, spielten wir im Luftschutzkeller weiter,” erinnert er sich. “Kneipen am Kurfürstendamm wie die ‘Hasenschaukel’ waren meine Verstecke. Dort interessierte es niemanden, dass ich ‘Halbjude’ war.” Im März 1943 wird Schumann verpfiffen und verhaftet, weil er den gelben Judenstern nicht trug. Jetzt beginnt ein sein Leidensweg ins Grauen menschlicher Existenz, täglich den Tod vor Augen.

Nach dem Krieg und all den Greuel wandert Schumann mit seiner Frau nach Australien aus. Doch das Heimweh ist stärker. In den fünfziger Jahren kehrt er nach Berlin zurück. Er spielt in einer Jazzcombo mit Helmut Zacharias, nimmt Engagements auf Kreuzfahrtschiffen an und diverse Schallplatten auf. Schumann tritt mit Heinz Erhardt im Film “Witwer mit fünf Töchtern” als Rock ‘n’ Roll-Gitarrist auf, spielt in der Begleitband von Roberto Blanco und schlägt sich mehr recht als schlecht als Entertainer durch. Langsam gerät er in Vergessenheit. 1989 erhält er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.


1997 stößt das Münchner Trikont-Label auf den Pensionär, was den Startschuß zu einer zweiten Karriere bedeutet. Im Keller seines kleinen Reihenhauses werden alte Platten gesichtet und durchgehört, darunter viele Schellacks sowie verstaubte Tonbänder aus Clubs und von Auftritten auf Kreuzfahrtschiffen - Coco Schumanns persönliches Archiv. Vieles davon ist unveröffentlicht. Trikont-Schallplatten bringt nach und nach die Aufnahmen im CD-Format heraus. „Coco Double“ erscheint 1997, „Coco Now!“ 1999 und „Rex Casino“ 2008. Sein Leben wird filmisch dokumentiert, ein Theaterstück mit dem Titel “Der Ghetto-Swinger” entsteht. So heißt auch seine Autobiographie, die bei DTV erschienen ist. Und jetzt kommt zu seinem neunzigsten Geburtstag das Buch “I got rhythm. Das Leben der Jazzlegende Coco Schumann” auf den Markt, neben einer limiterten Sonderausgabe seiner Musik auf Vinyl - genau rechtzeitig zur offiziellen Geburtstagsparty am 14. Mai im Rathaus Schöneberg, zu der sich möglicherweise sogar der Bundespräsident einfinden wird.

Der Artikel erschien zuerst im Schwarwälder Bote, große Tageszeitung in Südwestdeutschland.

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