Wednesday 7 May 2014

Interview mit FRANZ HOHLER

Mann der feinen Töne

Seit fast 50 Jahren befindet sich Franz Hohler auf poetischer Mission – jetzt erhält der Schweizer Liedermacher, Kabarettist und Schriftsteller den Literaturpreis des Landes Baden-Württemberg


                                                                                                                Foto: Manuel Wagner
cw. Er singt Balladen zum Cello, tritt mit Kabarettprogrammen auf, schreibt Kurzgeschichten, Kinderbücher und Romane – und das seit fast einem halben Jahrhundert. Franz Hohler (geboren 1943) erhält am 10. Mai den mit 10000 Euro dotierten Johann-Peter-Hebel-Preis, den das Land Baden-Württemberg alle zwei Jahre vergibt. Die Preisverleihung findet in Hausen im Wiesental im Rahmen des ‘Hebelfests’ statt. Christoph Wagner hat Hohler in Zürich-Oerlikon besucht und ihm in seinem Studierzimmer zwischen Holzofen, Bücherregalen und Manuskript-Stapeln ein paar Fragen gestellt.




Mit der Liedermacherei fing es in Deutschland um 1963 an. Die Waldeck-Festivals fanden dann ab 1964 statt. Hörte man davon auch in der Schweiz?

Franz Hohler: Ich glaube schon, wobei ich sagen muß, dass ich mit meiner Auftrittstätigkeit erst 1965 begonnen habe und hatte vorher nicht so ein scharfes Auge auf deratige Anlässe. Aber ich weiß, als ich 1969 gefragt wurde, ob ich mitmachen wollte, ich schon wusste, worum es ging.  Ich hatte davon gehört von den Leuten, die ich kannte aus der Szene. Das waren etwa die Leute aus dem ‘Unterhaus’ in Mainz, C.F. Krüger und Reinhard Hippen. Mit Liedermachern wie Hannes Wader war ich damals schon befreundet und er hat mir davon erzählt, wie auch Hans-Dieter Hüsch. Und Wader war auch 1969 dabei, als ich zum ersten Mal eingladen wurde. Die Waldeck schien mir ein  interessanter Ort zu sein.

Als sie 1965 anfingen, gab es da schon eine Liedermacher-Szene?

Franz Hohler: Ich selbst bin mit einem literarisch-musikalischen Soloprogramm aufgetreten und habe noch nicht so viel gesungen in diesem ersten Programm. Ich sah mich eher als Kabarettist. Aber von meinem zweiten Programm an, habe ich zunehmend Chansons gesungen, die ich auch mit dem Cello begleitet habe, aber ich habe nie reine Chansonabende gemacht. Damals gab es in der Schweiz eine sehr lebendig Dialect-Chanson-Szene. Das waren vor allem die Berner, die sich ‘Berner Troubadours’ nannten. Das war eine lockere Vereinigung mit Mani Matter, der beaknnteste war, aber auch Sänger wie Fritz Widmer, Jacob Stickelberger oder Bernhard Stirnemann. Aber natürlich: Wer im Dialekt singt, bleibt im Lande und nährt sich redlich und wird jenseits der Grenzen nicht verstanden.

Sie haben Wert darauf gelegt, auch in Deutschland verstanden zu werden?

Franz Hohler: Ja, mein erstes Programm war praktisch nur hochdeutsch. Aber ich nie richtig darüber nachgedacht. Die Programme fielen mir einfach auf Deutsch ein, nicht im dialect. Ich habe später begonnen, etliches im Dialekt zu machen. Also ich habe heute, wenn ich zurückblicke, ein ganz schönes Dialektrepertoire. Aber damals, diese frühen Lieder, die ich gemacht habe, diese ‘Cello-Balladen’, die waren alle auf deutsch. Deshalb war ich auch für die Waldeck-festival ein potentieller Kandidat.

Wie hat das Waldeck-Festival auf sie gewirkt?

Franz Hohler: Rückblickend weiß man: Das war das letzte der Waldeck-Festivals. Das wusste man damals aber nicht und so habe ich das nicht erlebt als etwas, das in Auflösung begriffen war. Ich empfand es eher als das Gegenteil: ein Aufbruch, und zwar auch ein politischer Aufbruch! Da war viel Programm dahinter, aber auch viel Ideologie. Man hatte das Gefühl, man sollte schon etwas sagen, das links von der Mitte ist, wobei diese politischen Kategorien – sobald es um Kunst geht – ziemlich fragwürdig sind. Ich weiß, dass ich schon ein bisschen nervös war wegen meines Auftritts, weil ich hab nicht wirklich politische Lieder gemacht, sondern skurrile Lieder, wie “Vom Mann, der durch die Wüste ging”, “Die Ballade vom Computer PX” oder “Wenn die Totengräber streiken”. Das waren ja nicht die ausgesprochen politischen Renner. Deshalb war ich mir nicht sicher, ob ich auf der Waldeck nicht fehl am Platz wäre. Aber es lief alles gut. Ich wurde wahrgenommen als skurrile Randfigur einen Szene, der irgendwie aus einem außereuropäischen Land kam, wie es ja heute noch der Fall ist.

Es kam ja auf der Waldeck 1967 zu Auseinandersetzungen innerhalb der Liedermacherszene. Es wurden Auftritte sogenannter ‘Privatlieder’-Sänger gestört, die sich nicht direkt als politisch verstanden.  War das der Grund für ihre Nervosität?

Franz Hohler: Davon hatte ich gehört, aber gleichzeitig wurde ich eingeladen. Also dachte ich: ‘Wahrscheindlich wird mir da ein Platz zu geordnet.’ Wie ich mich erinnere, war das Klima sehr stark politisch aufgeheizt. Es war ganz klar - das war Programm: Wir müssen die Gesellschaft verändern! Lieber die Gesellschaft verändern, als uns selbst. Es gab etliche radikal-politische Darbietungen. Da war ein Aktiontheater aus Wien, das etwas über die Hungerkatastrophe in Biafra gemacht haben und dabei ständig gegessen haben, immer gegessen und nur mit vollem Mund über Biafra gesprochen. Ein Afrikaner im Publikum fand das so unerträglich, dass er geweint hat, obwohl es natürlich als Fabel gedacht war: “Wir empören uns über Biafra und fressen uns voll dabei.” Oder Rolf Schwendter, der zu seiner Kindertrommel diese briachalen Lieder gesungen hat. Er hat großen Erfolg, was mir nicht einleuchtete.


Gab es auch Leute, die sie beeindruckt haben?

Franz Hohler: Natürlich, aber alle eigentlich schon bevor ich auf die Waldeck kam. Hanns Dieter Hüsch war eine meiner Leitplanken. Schon als Schüler hat der mich sehr beeindruckt. Ich bin sogar einmal nach Basel gereist, um ihn zu sehen. Diese Leichtigkeit, wie er sich an Themen des Lebens herangemacht hat. Hüsch wurde auf der Waldeck auch ein Opfer von Bühnenbesetzungen. Es gab aus einer bestimmten Ecke eine Erwartungen an die Kabarettisten und Liedermacher, Agitprop-Programme zu machen. Man erwartete eine ganz klare Stellungnahme und war nicht wirklich interessiert an der künstlerischen Form. Hüsch war ein Mann der feinen Töne und kam da schon unter die Räder. Wenn man sich die ganze Liederszene anschaute, war es doch eine recht bunte gesellschaft, die sich da zusammenfand.

Wie haben sie das wahrgenommen?

Franz Hohler: Das war durch den Nationalsozialismus vergiftet. Jedes Lied, das von Whrmachtssoldaten gesungen worden war, konnte man nicht mehr singen. Mir hat diese besondere Situation dieser Generation in Deutschland schon eingeleuchtet. Das war für mich durchaus logisch, dass das aufgearbeitet warden musste in den Kreisen der Liedermacher, der Theatermenschen und Kabarettisten. Was sich auf der anderen Seite nie ertragen habe, war der ideologische Anspruch: Es gibt nur das und sonst interessiert uns nichts! Etwa die ‘private’ Kunst, ein Liebeslied – was soll das? Das schien mir dann doch auf eine Art wieder typisch deutsch, wobei man auch sagen muss: Die Schweiz hatte auch ihre unbewältigte Vergangenheit. Das war das Zurückweisen der jüdischen Flüchtlinge oder die nachrichtenlosen Vermögen von jüdischen Menschen, die ihr Geld in die Schweiz gerettet hatten. Oder die Frage wie die Schweiz durch den Krieg gekommen ist, unter anderem mit einem florierenden Handel mit Waffen, der nicht nur die Alliierten, sondern auch die deutsche Wehrmacht beliefert hat. Oder die Kredite Schweizer Banken an die Nationalsozialisten und zwar bis zuletzt. Diese dumpfe Schweigen darüber war auch in der Schweiz spürbar, deshalb hat Achtundesechzig auch in der Schweiz stattgefunden. Ich war auch bei einer großen Studentendemonstration und bin abgespritzt worden. Die 68er-Bewegung hat auch etwas aufgetan auch bei uns hier in der Schweiz, den Anspruch auf eine Geradlinigkeit, eine Ehrlichkeit und ein Stück Befreiung – es gab in der Schweiz damals noch nicht einmal das Fraunstimmrecht - obwohl das für mich in meiner Arbeit nicht die Hauptthemen waren. Deshalb war es für mich keine völlig fremde Welt, die ich beim Festival auf der Burg Waldeck antraf.


In Deutschland war ja fast alles durch den Nationalsozialismus kontaminiert – Volkslied, Liedersingen etc.- und die Liederszene musste sich mühsam einen Raum schaffen. Wie war das in der Schweiz?

Franz Hohler: Die Schweiz hat ja im 2. Weltkrieg auf die politische Situation in Europa reagiert mit einem Rückzug auf sich selbst. Die Schweiz hat sich eingeigelt und auf die eigenen konservativen Werte besonnen. Es gab bei uns deshalb einen großen konservativen Liederschatz, Volklieder, patriotische Lieder, die die Heimat beschwörten und verklärten. Es war geprägt von einer biederen Rückschau auf ein Geschichtsbild, das so nie zugetroffen hat, sowie einer harmlosen Fröhlichkeit. Und dort kamen die neuen Liedermacher wie der Mani Matter mit anderen Tönen und auch sprachlich mit anderen Formen, auch Fremdwörter. Das waren urbane Töne, während das Volklied davor in der Schweiz geprägt war von einer Agraridylle – Heidiland!

Sie waren nicht wie die üblichen Liedermacher mit einer Gitarre unterwegs, sondern mit einem Cello. Sie fielen auf der Rolle. Wie wurde das aufgenommen?

Franz Hohler: Das war ein leichtes Identifikationsmerkmal. Man kannte mich dann als ‘der Mann mit dem Cello’. Nach meinem ersten Programm, wo ich zwei Nummern mit dem Cello begleitet habe, habe ich gedacht: ‘Das ist eigentlich mein Instrument!’ Man kann es wie eine zweite Stimme einsetzen. Die tieferen Cellolagen waren in einem ähnlichen Register wie meine Baritonstimme. Man kann auch zupfen darauf oder die Saiten schlagen, dazu den Korpus benützen, darauf trommeln. Es ist also sehr sehr reichhaltiges, sehr schönes Begleitinstrument. Das wurde bemerkt, das da einer ist, der sich mit dem Cello begleitet.

Da muss man jung sein, um die Festivalqualen ertragen zu können?

Franz Hohler: Ja, da war das Woodstock-artige, da haben viele in Zelten übernachtet oder in den Autos.

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