Thursday, 23 October 2014

ORLANDO JULIUS trifft die HELIOCENTICS

Psychedelisches Afrika
 
Orlando Julius & The Heliocentics mit neuem Album

 cw. 1963 kehrte ein junger Mann vom Musikstudium in London nach Nigeria zurück. Gelegentlich half der Trompeter bei den Modern Aces aus, einer Afro-Soul-Band angeführt vom Saxofonisten Orlando Julius, die regelmäßig in den Nachtclubs und Hotels von Ibadan und Lagos auftrat. Fela Kuti hörte genau hin, wechselte zum Saxofon und hob bald seine eigene Band aus der Taufe, mit der er zum weltweit berühmtesten Vertreter des “Afrobeat” wurde.
 
Seinem früheren Bandleader Orlando Julius war nicht soviel Ruhm beschieden. Mitte der siebziger Jahre wanderte Julius in die USA aus, wo er 25 Jahre lebte und in Vergessenheit geriet. Im Zuge des aktuellen Afrobeat-Revival wurden die frühen Schallplatten des Saxofonisten neu aufgelegt, was ihm abermals eine gewisse Aufmerksamkeit bescherte. Jetzt hat ihn die englische Formation The Heliocentrics noch stärker ins Rampenlicht gerückt.
 
Für die Londoner Band um den Drummer Malcolm Catto war Julius immer ein Leitstern gewesen. Als die Gruppe nun mit ihrem Idol ins Studio ging, um ein paar seiner Klassiker neu einzuspielen, ging ein Traum in Erfüllung. Die Heliocentrics erwiesen sich als exzellent eingespielte Truppe, deren Rhythmusteam wie eine gut geölte Maschine funktioniert, die höchste Präzision mit reibungsloser Selbstverständlichkeit verbindet. Der vielstimmige Bläsersatz bringt mit messerscharfen Einwürfen die Musik zum Kochen, die Orgel webt psychedelische Klangfäden ein, während Orlando Julius seine markanten Saxofonlinien bläst, deren klare Melodieführung an Soul-Saxofonisten wie King Curtis oder Jr. Walker erinnern. Im Team mit Orlando Julius ist den Heliocentrics eine Einspielung voller Drive, Energie und Ausdruckskraft gelungen.

Orlando Julius with The Heliocentrics: Jaiyede Afro (Strut)

Die Besprechung erschien zuerst in der NZZ.

Friday, 10 October 2014

RADIO RADIO RADIO: Blues Südwest

Sonntag, 19. Oktober 2014 / 23:03 – 24:00 Uhr

SWR2 Musikpassagen

John Lee Hooker in Bad Urach
Die Anfänge des Blues im deutschen Südwesten



                                                          John Lee Hooker mit Jim Kahr in Urach (Fotoalbum J. Kahr)
von Christoph Wagner

Am Sonntag, den 20. Juni 1976 stand Urach Kopf. Schon am Nachmittag strömten Hunderte von jungen Leuten in die Ermstalhalle, um den amerikanischen Bluesstar John Lee Hooker mit seiner Band zu erleben. Der Auftritt bildete den Höhepunkt einer ganzen Reihe von Konzerten, die das Städtchen am Fuße der Schwäbischen Alb zu einem Zentrum des Blues machte. Allerdings begann es schon früher. Bereits in den 60er-Jahren hatte das "American Folk Blues Festival" erstmals die Musik aus dem Mississippi-Delta nach Baden-Baden, Heilbronn und Stuttgart gebracht. Anfang der 70er-Jahre trat dann Alexis Korner häufig zwischen Heidelberg und dem Bodensee auf, ebenso der schwarze Barrelhouse-Pianist Champion Jack Dupree aus New Orleans, der in der Bundesrepublik eine neue Heimat fand. Zeitzeugen wie Dietmar Schrade (Jugendclub Meeting Gomadingen) und Viktor Bröske (Club Monasterie Esslingen) erinnern sich, und Gitarrist Jim Kahr erzählt von seinen Abenteuern mit John Lee Hooker und spielt exklusiv einen 'Hooker-Boogie' auf der akustischen Gitarre.



RADIO RADIO RADIO: Jazz auf der Lower East Side

Deutschlandfunk, 23. Oktober 2014 / 21:05-22:00
Jazzfacts:
Klanglabor des modernen Jazz
 - Die Lower East Side von Manhattan

von Christoph Wagner

                                                                               Sam Rivers betrieb das Studio Rivbea

Die Lower East Side von Manhattan war ursprünglich ein Slum, in dem Einwanderer ihre erste Bleibe fanden. In den 50er-Jahren siedelten sich wegen der billigen Wohnungen viele Jazzmusiker dort an. Darüber hinaus entstanden Jazzclubs wie das Five Spot, das von Cecil Taylor 1957 eröffnet wurde und wo Thelonious Monk regelmäßig auftrat. In den 60er-Jahren wurde der New Yorker Stadtteil zum Zentrum der Freejazz-Revolution, die eine Dekade später von der Loft Szene abgelöst wurde, die eine kreative Explosion auslösten. Der Saxofonist Sam Rivers war einer ihrer 'movers and shakers', der das Studio 'Rivbea' betrieb, wo die atemberaubensten Konzerte stattfanden.

Die Gruppe Muntu im Studio Rivbea, 1978
Später siedelten sich dann die Cliquen um John Zorn und Elliott Sharp dort an, die in kleinen Galerien und Musikclubs wie der Knitting Factory auftraten. Inzwischen haben explodierende Mietpreise die alternative Jazzszene mehr und mehr aus dem südlichen Teil von Manhattan vertrieben. Heute halten nur noch ein paar wenige Konzertlokale wie The Stone die Erinnerung an die kreative Blütezeit dieser Gegend wach. Christoph Wagner zeichnet ein Bild von Geschichte und Gegenwart des Klanglabors Lower East Side. Es kommen zu Wort: Sam Charters, Barry Altschul, Juini Booth, Roswell Rudd, Jay Clayton, Peter Kowald und Bernard Stollman (ESP label).