Tuesday, 18 August 2015

NILS FRAHM spielt das 'grösste Klavier der Welt'

Tastenträume

Pianostar Nils Frahm gab in Tübingen auf dem “größten Klavier der Welt” ein Konzert, um den Bau eines noch größeren Modells zu finanzieren
                                                                                                                                     Foto: Rose Revitt

 cw. In der Popmusik erlebt das Klavier momentan einen Boom. Eine ganze Reihe junger Pianisten gewinnen dem Tasteninstrument neue Facetten ab, indem sie es mit elektronischen Gerätschaften zum Hyperklavier entgrenzen. Der Berliner Nils Frahm, der gerade mit der Filmmusik zu “Victoria” viel Beachtung findet, ist einer der führenden Musiker dieses Genres. Seine visionären Gedanken treffen sich mit denen von David Klavins, einem Klavierbauer aus Balingen-Frommern, der nicht daran glaubt, dass die technische Entwicklung des Pianos bereits abgeschlossen ist und über neue Modelle nachdenkt. Klavins meint etwa den Klang der tiefen Töne dadurch verbessern zu können, dass er längere Baßsaiten verwendet, die er nicht horizontal, sondern aufrecht anordnet. Das macht das Klavier zu einem Rieseninstrument. Ein solches Modell ist seit zwei Jahren im Tübinger Pfleghof installiert. Es trägt den Namen M370, weil es 3,70 Meter hoch ist, wobei man über ein Treppchen aufs Spielpodest hinaufsteigt. Auf diesem “größten Klavier der Welt” hat Nils Frahm sein letztes Solo-Album eingespielt.

Doch Frahms und Klavins’ Träume reichen darüber hinaus: Den beiden schwebt ein noch größeres Klavier vor! Klavins hat Entwürfe für ein Instrument mit 4,50 Meter Höhe entwickelt, dessen tiefste Saite eine Länge von 3,90 Meter haben soll. Um die nötigen Finanzmittel von ca. 120 000 Euro für den Bau aufzubringen, gab Frahm in Tübingen ein Benefizkonzert, zu dem die Zuhörer trotz des stolzen Eintrittspreises von 35 Euro nur so strömten. Der mittelalterliche Saal im Pfleghof – spärlich beleuchtet – bot die passende Kulisse für ein stimmungsvolles Konzert, das restlos ausverkauft war.
                                                                                                                                                                                 Foto: Rose Revitt
Nils Frahm gab sich als Romantiker, dessen liebste Stimmung die Melancholie ist und dessen bevorzugte Ausdrucksform die Elegie. Der Berliner Tastenvirtuose schlug über weite Strecken zarte Töne an und schwelgte in wohligen Durakkorden. Seine Melodien bestechen durch Einfachheit und verströmen manchmal folkloristisches Flair. Dazu werden Stilmittel der Minimal Music einbezogen. Dann hämmert Frahm über längere Zeit einen Grundton in rhythmisch bewegter Manier, um darum herum eine Melodie aus gebrochenen Akkorden zu flechten, bevor er die Töne mehr und mehr verdichtet und zu einer düsteren Klangwolke auftürmt.


In einem anderen Stück des Abends warf der Berliner den Synthesizer an, um einen elektronischen Loop ins Spiel zu bringen, der dann melodisch mit dem Großklavier umspielt wurde. Im Publikum saßen - andächtig lauschend - viele junge Klavierfans, die Frahm wie einen neuen Keith Jarrett feierten und ihn nicht ohne Zugaben ziehen ließen. Das Riesenklavier M450 ist mit diesem Konzert seiner Realisierung einen bedeutenden Schritt näher gekommen.

Der Konzertbericht erschien zuerst im Schwarzwälder Bote.

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