Faustrecht
der Prärie
Mexikanisch-amerikanische
Impressionen von Stefan Hiss und Markus Raab
cw. Sie nennen es “einen musikalisch-philosophischen Grenzritt” zwischen Mexiko und den USA. Unlängst machten Stefan Hiss und Markus “Doc” Raab in der Balinger Stadthalle Station, banden ihre imaginären Pferde draußen an, packten das Akkordeon und einen Stapel literarischer Notizen aus und berichteten dann unter der Überschrift “Go West – Viva Mexico” in Texten und Liedern von ihren Abenteuern entlang des Rio Grande.
Mexiko
erscheint aus europäischer Perspektive als ein Land zwischen antiken Maya-Tempeln
und aktuellem Drogenkrieg, wobei Sombrero, Tequila und Mariachi als kulturelle Aushängeschildern
dienen. In seinen Texten , die manchmal persönliche Erfahrungen verarbeiteten,
manchmal politisch-kulturelle Reflexionen einflochten, ging es Markus Raab, im
bürgerlichen Beruf Kulturbürgermeister in Esslingen, darum, unter die
Oberfläche von Klischees und Vorurteilen zu gelangen. Dabei rief er eine ganze
Phalanx von philosophischen und literarischen Kronzeugen auf: von Kafka und
Ernst Jünger bis zu Nietzsche und Heidegger.
Akkordeonist
Stefan Hiss lieferte dazu die musikalische Wegzehrung, sang Lieder, die die angesprochenen
Themen ausmalten und konkretisierte. Dabei zauberte er ein paar Klassiker aus
dem Repertoire seiner Gruppe Hiss hervor, intonierte aber auch Evergreens von
Johnny Cash und aus der Texmex-Tradition, die er souverän in Spanisch anstimmte
und mit wimmerndem Akkordeon-Tremolo dramatisierte. Das herzerweichende
“Volver, volver” durfte dabei nicht fehlen.
Anfangs
kratzten die beiden am Mythos der USA, indem sie die Expansion der europäischen
Siedler unter dem Motto “Go West” nachzeichneten, der nicht nur die
indianischen Ureinwohner zum Opfer fielen, sondern letztlich auch das Ideal der
Freiheit. Danach überquerten Hiss und Raab den Rio Grande und gelangten ins
Mexiko der Gegenwart. Hier konzentrierten sich die beiden Künstler, die
familäre Verbindungen nach Mexiko haben und dort oft unterwegs waren, auf den
brutalen Drogenkrieg, der das Land seit Jahren im Würgegriff hält. 80000
Menschen sind dem Wüten der Drogenkartelle bereits zum Opfer gefallen, deren
Verbrechen die Gesellschaft inzwischen bis in die letzte Faser hinein vergiften.
Angst und Schrecken sind alltägliche Realität. Der Auftritt war wahrlich keine
Touristenwerbung, obwohl auch immer wieder der Mythos vom alten Mexiko aufleuchtete.
Vielmehr gewannen poetisch-düstere Betrachtungen mehr und mehr die Oberhand. Es
war der Abgesang auf eine Welt, die zunehmend
in Gewalt versinkt, wobei der Untertitel des Programms “Viva Mexico” am Ende wie
ein verzweifelter Hilferuf klang.
Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote.
Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote.
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