Klänge
aus Kirche und Kneipe
Ein
Festival präsentierte Musik aus der Zeit des Konstanzer Konzils
cw. Einmal
in seiner langen Geschichte stand Konstanz im Brennpunkt Europas. Vier Jahre
lang von 1414 bis 1418 tagte das Konstanzer Konzil. Dafür kamen alle
kirchlichen und weltlichen Authoritäten und Würdenträger in die Bodenseestadt:
Könige, Fürsten, Bischöfe und Kardinäle. Selbst die Päpste gaben sich ein
Stelldichein. Denn das war das Problem: Die katholische Kirche hatte sich im
14. Jahrhundert gespalten und nun stritten sich zeitweise drei Päpste um den
Titel, “Stellvertreter Gottes auf Erden” zu sein. Diesen Mißstand sollte das
Konstanzer Konzil beheben.
Um
den 600. Jahrestag gebührend zu feiern, findet in den Jubiläumsjahren alljährlich
ein viertägiges Festival unter dem Titel “Musikalische Avantgarde um 1400”
statt. Die Konzertreihe präsentiert Klänge, die während des Konstanzer Konzils in
der Bodenseestadt erschallten – in Kirchen, Kneipen und auf der Straße. Der diesjährige
zweite Durchgang dieser hochkarätigen Veranstaltungsreihe, für die der SWR2 und
die Stadt Konstanz verantwortlich zeichnen, ging gerade an verschiedenen Orten
der Konzilstadt über die Bühne.
Das
Schisma der Kirche und die daraus resultierende Rivalität verschiedener Päpste tat
dem europäischen Musikleben Ende des 14. Jahrhunderts keinen Abbruch, sondern
belebte es sogar. In seinem Palast in Avignon versammelte der französische Papst
Clemens VI. die besten Sänger der damaligen Zeit. Komponisten schrieben Werken,
die von der Hofkapelle aufgeführt wurden und – selbstverständlich! - den Papst
in den höchsten Tönen lobten. Musik avancierte zur Propagandawaffe.
Begleitet
von einer kleinen mittelalterlichen Handorgel mit Blasebalg intonierten die
vier Sänger des französischen Spezialistenensembles La Main Harmonique eine Huldigungsmesse
an den Papst von Avignon, sowie Motetten von Philippe de Vitry und Guillaume
Dufay. Weil die Hauptstimme im Tenor lag, kam es den beiden Falsettstimmen zu,
mit reicher Ornamentik die Melodie auszuschmücken und damit den Worte “Es
findet sich niemand, der ihm gleicht” noch mehr Gewicht zu verleihen. Mit
makelloser Stimmführung gelang es der französischen Gruppe die rhythmisch oft
komplexe Polyphonie eindrucksvoll in Szene zu setzen, wobei die gotische
Architektur des Konstanzer Münsters dafür die passende Kulisse abgab.
Das
Gegenstück zu diesen geistlichen Gesänge bot in einem anderen Konzert, das passenderweise
im Konzilgebäude direkt am See stattfand, das deutsche Ensemble Capella de la
Torre. Es ließ die Musik der mittelalterlichen Stadtpfeifer aufleben. Diesen
Musikanten oblag es mit lautem Instrumentarium wie Pommern, Trompeten, Posaunen
und Trommeln offizielle Umzüge und Anlässe zu umrahmen, und auch gelegentlich
zum Tanz aufzuspielen. Angeführt von den Schalmeienklänge der Ensembleleiterin
Katharina Bäuml offerierte die Formation ein Programm aus vielen Teilen
Europas, was den zahlreichen Musikstilen entsprach, die während des Konzils in
den Straßen und Tanzsälen ertönten. Im Troß der Würdenträger tummelten sich damals
Spielleute aus ganz Europa in der Stadt. Vielleicht liegt es an unseren mittlerweile
verfeinerten Hörgewohnheiten oder am Funktionswandel dieser Tanzweisen, dass
die einstmalige Gebrauchsmusik heute als Konzertmusik doch etwas eintönig wirkt.
Die Festivalbesprechung erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Zeitung in Ba-Wü.
Die Festivalbesprechung erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Zeitung in Ba-Wü.
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