Oh
nein, ein Banjo!
Die
neue Aktualität eines diskriminierten Instruments
cw. Lange
wurde das Banjo als ein Instrument betrachtet, dass nur noch von verschrobenen
Hinterwäldler im tiefen Süden der USA gespielt wird – das typische “Redneck”-Instrument!
Das gilt inzwischen nicht mehr: Seit ein paar Jahren hat die Popmusik das
Zupfinstrument entdeckt und es zum Sinnbild für unangepassten Individualismus
gemacht, mit dem Stars wie Mumford & Sons und Taylor Swift kokettieren. Ja
selbst in der alternativen Popszene steht das Banjo hoch im Kurs, ob bei
Rachael Dadd oder der neuen englischen Indie-Hoffnung This is the Kit. Doch
alte Vorurteile sterben langsam. Kate Staples, die Frontfrau er Band,
berichtet, dass sie laufend Leuten begegnet, die die Augen verdrehen und verzweiflelt
ausrufen: “Oh nein, ein Banjo!”
Eine,
die in das Zupfinstrument vernarrt ist, ist Rhiannon Giddens, ehemals das
Gesicht der Carolina Chocolate Drops, heute in eigener Mission unterwegs. “Ich
bin fasziniert von Dingen, die verschüttet sind,” sagt die afro-amerikanische
Musikerin und Sängerin, weswegen es kaum verwundert, dass in ihrer Musik das
Banjo ein Comeback erlebt. Giddens spielt kein konventionelles Instrument,
sondern ein rares Modell: den Nachbau eines Minstrel-Banjo von 1858. Es hat
keine Bünde und benutzt Darmsaiten, anstatt der üblichen Stahlsaiten, was ihm
einen vollkommen anderen, viel weicheren Klang gibt.
Dieser
Banjo-Typ hat Giddens den Weg zum vergessenen Repertoire der alten Minstrel-Shows
erschlossen, die im 19. Jahrhundert die populärste Form der öffentlichen
Unterhaltung waren. “Das war die erste wirklich amerikanische Musik, weil in ihr
afrikanische und europäische Traditionen zusammenflossen,” bemerkt die
Musikerin. In ihrer eigenen Musik mischt sie diese uramerikanischen Klänge mit
zeitgenössischen Sounds: “Ich krame diese alten Stücke hervor und blase ihnen
das Leben unserer modernen Welt ein.”
Um
die Vorfahren des Banjos aufzuspüren, ist Giddens bis nach Afrika gereist. In
Senegal und Gambia traf sie auf das Akonting, ein Saiteninstrument. “Als ich es
spielte, kam das einer Erleuchtung gleich,” berichtet sie von ihrer ersten
Begegnung. “Es wurde mir schlagartig klar, dass aus diesem Instrument das
Minstrel-Banjo hervorgegangen sein muß, so ähnlich sind sich die beiden. Ganz
klar: Sklaven haben es nach Amerika gebracht, wo es zum Banjo wurde.”
Weniger
mit der Geschichte als mit der Zukunft des Instruments ist der Saitenvirtuose
Brandon Seabrook befasst. Der New Yorker Avantgarde-Musiker kam zu der
Erkenntnis, dass in der Welt des Banjos seit längerem nichts wirklich
Innovatives mehr passiert ist. Und da das Banjo eigentlich ein lautes,
knallig-perkussives Instrument ist, schien eine kraftvolle Rhythmusgruppe aus
Baß und Schlagzeug genau das Richtige zu sein. Mit seinem
Speed-Core-Jazzpunk-Trio Power Plant hebt Seabrook die traditionelle Spielweise
auf ein anderes Geschwindigkeitslevel und katapultiert so das Banjo in neue
Umlaufbahnen. Vielleicht kann Seabrook die Zweifler überzeugen! Oder wird es
immer Leute geben, die stöhnen: “On nein, ein Banjo!”?
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