Wednesday, 17 February 2016

RHIANNON GIDDENS verhilft dem Minstrel-Banjo zu neuem Leben

Oh nein, ein Banjo!

Die neue Aktualität eines diskriminierten Instruments

cw. Lange wurde das Banjo als ein Instrument betrachtet, dass nur noch von verschrobenen Hinterwäldler im tiefen Süden der USA gespielt wird – das typische “Redneck”-Instrument! Das gilt inzwischen nicht mehr: Seit ein paar Jahren hat die Popmusik das Zupfinstrument entdeckt und es zum Sinnbild für unangepassten Individualismus gemacht, mit dem Stars wie Mumford & Sons und Taylor Swift kokettieren. Ja selbst in der alternativen Popszene steht das Banjo hoch im Kurs, ob bei Rachael Dadd oder der neuen englischen Indie-Hoffnung This is the Kit. Doch alte Vorurteile sterben langsam. Kate Staples, die Frontfrau er Band, berichtet, dass sie laufend Leuten begegnet, die die Augen verdrehen und verzweiflelt ausrufen: “Oh nein, ein Banjo!”
 
Eine, die in das Zupfinstrument vernarrt ist, ist Rhiannon Giddens, ehemals das Gesicht der Carolina Chocolate Drops, heute in eigener Mission unterwegs. “Ich bin fasziniert von Dingen, die verschüttet sind,” sagt die afro-amerikanische Musikerin und Sängerin, weswegen es kaum verwundert, dass in ihrer Musik das Banjo ein Comeback erlebt. Giddens spielt kein konventionelles Instrument, sondern ein rares Modell: den Nachbau eines Minstrel-Banjo von 1858. Es hat keine Bünde und benutzt Darmsaiten, anstatt der üblichen Stahlsaiten, was ihm einen vollkommen anderen, viel weicheren Klang gibt.

Dieser Banjo-Typ hat Giddens den Weg zum vergessenen Repertoire der alten Minstrel-Shows erschlossen, die im 19. Jahrhundert die populärste Form der öffentlichen Unterhaltung waren. “Das war die erste wirklich amerikanische Musik, weil in ihr afrikanische und europäische Traditionen zusammenflossen,” bemerkt die Musikerin. In ihrer eigenen Musik mischt sie diese uramerikanischen Klänge mit zeitgenössischen Sounds: “Ich krame diese alten Stücke hervor und blase ihnen das Leben unserer modernen Welt ein.”

Um die Vorfahren des Banjos aufzuspüren, ist Giddens bis nach Afrika gereist. In Senegal und Gambia traf sie auf das Akonting, ein Saiteninstrument. “Als ich es spielte, kam das einer Erleuchtung gleich,” berichtet sie von ihrer ersten Begegnung. “Es wurde mir schlagartig klar, dass aus diesem Instrument das Minstrel-Banjo hervorgegangen sein muß, so ähnlich sind sich die beiden. Ganz klar: Sklaven haben es nach Amerika gebracht, wo es zum Banjo wurde.”


Weniger mit der Geschichte als mit der Zukunft des Instruments ist der Saitenvirtuose Brandon Seabrook befasst. Der New Yorker Avantgarde-Musiker kam zu der Erkenntnis, dass in der Welt des Banjos seit längerem nichts wirklich Innovatives mehr passiert ist. Und da das Banjo eigentlich ein lautes, knallig-perkussives Instrument ist, schien eine kraftvolle Rhythmusgruppe aus Baß und Schlagzeug genau das Richtige zu sein. Mit seinem Speed-Core-Jazzpunk-Trio Power Plant hebt Seabrook die traditionelle Spielweise auf ein anderes Geschwindigkeitslevel und katapultiert so das Banjo in neue Umlaufbahnen. Vielleicht kann Seabrook die Zweifler überzeugen! Oder wird es immer Leute geben, die stöhnen: “On nein, ein Banjo!”?

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