Im 600. Jubiläumsjahr beleuchtet ein
Festival die Musik beim Konstanzer Konzil
cw. Vor 600 Jahren war Konstanz für einen
historischen Augenblick lang der Nabel der Welt. Vier Jahre von 1414-18
versammelten sich in der Bodenseestadt die Mächtigen aus Religion und Politik,
um die drohende Spaltung der Kirche abzuwenden, in der damals mehrere Päpste um
die Macht kämpften. Im Troß von Bischöfen, Kardinälen, Fürsten und Herzögen kamen
auch viele Musiker in die Stadt, was das Konstanzer Konzil zu einer einmaligen Begegnungstätte
und Tauschbörse von musikalischen Ideen machte.
“Europäische Avantgarde um 1400” war
ein viertägiges Festival in Konstanz überschrieben, das in einer Kooperation
zwischen dem Südwestrundfunk und der Bodenseestadt nunmehr im dritten Jahr die
“Musik zum Konstanzer Konzil” wieder aufleben ließ. Dieses Jahr wurden die
Scheinwerfer auf die musikalischen Traditionen der verschiedenen Religionen
gerichtet, die damals in Konstanz präsent waren, ob russisch-orthodox,
griechisch-byzantinisch oder muslimisch.
Unter den Teilnehmern des Konzils
befand sich auch der junge Sänger und Komponist Guillaume Dufay (geboren ca.
1400), der im Gefolge des Bischofs von Cambrai nach Konstanz gekommen war und
hier vielfältige musikalische Anregungen erhielt. Dufay hörte die Konzilkapelle
musizieren und lernte womöglich auch andere Komponisten kennen, um sich mit
ihnen auszutauschen. Darüber hinaus kam er in Kontakt mit reichen und
einflussreichen Würdenträgern, wie der italienischen Adelsfamilie Malatesta,
die sich als Mäzene betätigten und den Komponisten aus Flandern später an ihren
Hof in Rimini holten.
Das holländische Spezialistenensemble
Cappella Pratensis bot im Konstanzer Münster ein Konzert, das Guillaume Dufay
und seine Zeitgenossen in den Mittelpunkt stellte. Dabei kamen Kompositionen
zur Aufführung, die nach dem Vorbild der repräsentativen Musik entstanden
waren, wie sie einst die offiziellen Zeremonien des Konzils umrahmt hatten.
Während seiner langen Karriere schrieb Dufay Würdigungsstücke und
Huldigungsmotetten in erklecklicher Zahl.
Wie im 15. Jahrhundert üblich,
versammelten sich die Sänger der Cappella Pratensis um nur einen einzigen
zentralen Notenständer, auf dem ein großes Notenblatt in alter Notenschrift
lag. Im Unterschied zu damals brachte das Ensemble auch Frauenstimmen zum
Einsatz, was im 15. Jahrhundert in der Kirche nicht denkbar gewesen wäre, wo
Sängerknaben die Sopranstimmen intonierten. Dezent mit Harfe sowie einer
Zugtrompete und einer Renaissance-Posaune instrumentiert, präsentierte die
Cappella Pratensis ein Programm von enormer Spannbreite. Von Solostücken für
Harfe sowie Chansons für Stimme mit Instrumentalbegleitung über Trio- und
Quartettbesetzungen bis hin zum vollen Ensembleklang kam alles vor. Oft wurde
eine Vokalstimme von der Zugposaune übernommen, was dem Gruppenklang eine ganz
spezielle Färbung gab. Einige der Werke besaßen noch den Klang des
Mittelalters, während spätere Kompositionen schon im neueren Stil verfaßt
waren, den Dufay möglicherweise bei seinem Aufenthalt in Konstanz aufgeschnappt
hatte und der sein weiteres Schaffen bestimmte.
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