FREUND JAKI
Foto: C. Wagner
Im scheinbar immer dichter werdenden Getöse und Gebrabbel der Gegenwart sind
sie selten geworden: Menschen mit einer unverkennbar eigenen Stimme, die in
Literatur, Journalismus, Musik, Kunst oder Film etwas eigenes, unverwechselbares zu sagen
haben, etwas, das Bedeutung hat und sich von allem anderen unterscheidet. Jaki
Liebezeit war so eine Person. Sein Trommelspiel war einzigartig, auch wie er
darüber (und über Musik überhaupt) dachte und sprach. Da wurde sofort klar:
Hier macht sich jemand seine eigenen Gedanken.
Doch anders wäre es für ihn auch gar nicht möglich gewesen, ein Künstler zu sein. “Wenn Du Picasso gut findest und dann so malst wie Picasso, bist Du kein Künstler, sondern ein Imitator,” war sein Diktum. Sein ästhetisches Bewußtsein war glasklar und unbestechlich. Hans Joachim Irmler und Andreas Schmid (Tontechniker im Faust-Studio), die mit ihm in den letzten Jahren zwei Alben abgemischt haben, können davon ein Lied singen. Deshalb war es auch kaum begreifbar für ihn, dass es heute mehr Schlagzeuger gibt als je zuvor „und alle spielen gleich!“ Nicht Jaki Liebezeit. Wie er trommelte, so spielte sonst niemand Schlagzeug. Ein paar Mal in seinem Leben hat er sein Schlagzeugspiel komplett umgestellt und wieder ganz von vorne begonnen, weil er das Gefühl hatte, in einer Sackgasse gelandet zu sein.
„A true innovator”, mailte mir der englische Jazzdrummer Tom Skinner heute morgen. Laurence Hunt, der Schlagzeuger von Pram, sendet folgende Erinnerung: „Seeing and hearing him play at Klangbad festival with Burnt Friedman was one of, if not the most memorable, refined and considered drum performances I have seen. I literally stood right up to the stage barrier, what a thrill!“ Und Florian Egli von der Züricher Gruppe Weird Beard, die im Sommer im Vorprogramm von Liebezeit & Irmler beim Sigmaringer Schlachthof-Festival aufgetreten waren, schreibt: „Den Zauber von Jaki's unaufgeregtem Spiel, dass die Energie nicht in der Dichte und nicht in der Lautstärke sucht, sondern in den langen und sehr feinen Bögen, welche er über einen ganzen Song drüber gespannt hat, das haben wir mitgenommen von dem Abend im Schlachthof.“
Doch anders wäre es für ihn auch gar nicht möglich gewesen, ein Künstler zu sein. “Wenn Du Picasso gut findest und dann so malst wie Picasso, bist Du kein Künstler, sondern ein Imitator,” war sein Diktum. Sein ästhetisches Bewußtsein war glasklar und unbestechlich. Hans Joachim Irmler und Andreas Schmid (Tontechniker im Faust-Studio), die mit ihm in den letzten Jahren zwei Alben abgemischt haben, können davon ein Lied singen. Deshalb war es auch kaum begreifbar für ihn, dass es heute mehr Schlagzeuger gibt als je zuvor „und alle spielen gleich!“ Nicht Jaki Liebezeit. Wie er trommelte, so spielte sonst niemand Schlagzeug. Ein paar Mal in seinem Leben hat er sein Schlagzeugspiel komplett umgestellt und wieder ganz von vorne begonnen, weil er das Gefühl hatte, in einer Sackgasse gelandet zu sein.
„A true innovator”, mailte mir der englische Jazzdrummer Tom Skinner heute morgen. Laurence Hunt, der Schlagzeuger von Pram, sendet folgende Erinnerung: „Seeing and hearing him play at Klangbad festival with Burnt Friedman was one of, if not the most memorable, refined and considered drum performances I have seen. I literally stood right up to the stage barrier, what a thrill!“ Und Florian Egli von der Züricher Gruppe Weird Beard, die im Sommer im Vorprogramm von Liebezeit & Irmler beim Sigmaringer Schlachthof-Festival aufgetreten waren, schreibt: „Den Zauber von Jaki's unaufgeregtem Spiel, dass die Energie nicht in der Dichte und nicht in der Lautstärke sucht, sondern in den langen und sehr feinen Bögen, welche er über einen ganzen Song drüber gespannt hat, das haben wir mitgenommen von dem Abend im Schlachthof.“
Ich hatte Jaki Liebezeit 2009 kennengelernt, als er beim Klangbad-Festival in Scheer mit Burnt Friedman auftrat. Davor hatte ich ihn in Liverpool mit dem Turntable-Artisten Philip Jeck und Jah Wobble am Bass gehört. Ich, der in meinem ersten Leben selbst mal Schlagzeuger gewesen war, stand das ganzen Konzert hindurch wie gebannt vor der Bühne und habe Liebezeit die ganze Zeit genau auf die Finger geschaut – und nichts verstanden, nicht kapiert, was er macht. Wahrscheinlich waren es seine ungeraden Metren, die mich verwirrten. Darin war er ein Meister. Er spielte in einem 7/4- oder 11/8-Metrum so selbstverständlich wie in einen 4/4-Takt.
2010 wollten wir ihn dann zusammen mit Jah Wobble für einen Auftritt beim „Klangbad“ mit Hans Joachim Irmler gewinnen. Wobble winkte ab und wir dachten, dann würde auch Jaki einen Rückzieher machen. Doch Pusteblume! „Ich brauche keinen Bassisten,” meinte er am Telefon. „Geht auch ohne! Auf was ich allerdings Wert lege, ist eine ausführliche Probe.” So kam es zum Auftritt von B.I.L.L. (Bell, Irmler, Liebezeit, Lippok) beim Klangbad-Festival im August 2010 – ein wunderbarer Gig! Das Album – äußerst hörenswert!
2010 wollten wir ihn dann zusammen mit Jah Wobble für einen Auftritt beim „Klangbad“ mit Hans Joachim Irmler gewinnen. Wobble winkte ab und wir dachten, dann würde auch Jaki einen Rückzieher machen. Doch Pusteblume! „Ich brauche keinen Bassisten,” meinte er am Telefon. „Geht auch ohne! Auf was ich allerdings Wert lege, ist eine ausführliche Probe.” So kam es zum Auftritt von B.I.L.L. (Bell, Irmler, Liebezeit, Lippok) beim Klangbad-Festival im August 2010 – ein wunderbarer Gig! Das Album – äußerst hörenswert!
Ich habe noch Anfang Januar mit Jaki telefoniert, um ihm ein „gutes neues Jahr“ zu wünschen. Da schien er noch in guter Form zu sein. “Nicht
viel los im Moment!” sagte er, weil kaum Auftritte anstanden. Er wollte sobald
der Schnee weg war nach Scheer fahren, um die Aufnahmen abzumischen, die nach
dem Auftritt mit Hans Joachim Irmler beim Sigmaringer Schlachthof-Festival im Juli 2016
im Faust-Studio entstanden waren: 22 Stunden Musik hatten die beiden in ein
paar Tagen eingespielt. Damals beim Gespräch am Kaffeetisch kamen wir auf das
Thema „Arbeit“ zu sprechen, und da zog Jaki eine Art Lebensbilanz, die gar
nicht so schlecht ausfiel: „Ich hab noch nie in meinem Leben gearbeitet,” meinte er.
„Ich hab mein Hobby zum Beruf gemacht, musste also nie arbeiten.”
Jaki Liebezeit war ein äußerst netter Mensch: offen, klug, zurückhaltend,
zuvorkommend, freundlich, ja fast sanft, interessiert, mit wachem Geist. Am
Sonntag, den 22. Januar 2017 ist er in Köln an den Folgen einer Lungenentzündung
gestorben. Er hatte schon seit längerem mit Herz- und Lungenproblemen zu kämpfen. Beim Schlachthof-Festival im Sommer 2016 schien er mir zum ersten Mal gealtert. Wir mussten ihm eine Zwischenstufe an die Bühne stellen, damit er leichter hinauf kam. Seinem Trommelspiel war allerdings absolut nichts anzumerken: Das war so präzise, makellos und federnd wie eh und je.
Mit Liebezeit ist eine eigenständige Stimme verstummt, die unsere Gegenwart so bitter nötig hätte. Wir werden ihn schwer vermissen. Wer wird nun die geheimen Rhythmen und magischen Beats trommeln?
Mehr zu Jaki Liebezeit:
http://christophwagnermusic.blogspot.co.uk/2013/07/trommelmaschinenmensch-jaki-liebezeit.html
http://christophwagnermusic.blogspot.co.uk/2014/12/nachdenken-uber-musik-mit-jaki_29.html
http://christophwagnermusic.blogspot.co.uk/2014/12/nachdenken-uber-musik-mit-jaki_26.html
Mit Liebezeit ist eine eigenständige Stimme verstummt, die unsere Gegenwart so bitter nötig hätte. Wir werden ihn schwer vermissen. Wer wird nun die geheimen Rhythmen und magischen Beats trommeln?
Mehr zu Jaki Liebezeit:
http://christophwagnermusic.blogspot.co.uk/2013/07/trommelmaschinenmensch-jaki-liebezeit.html
http://christophwagnermusic.blogspot.co.uk/2014/12/nachdenken-uber-musik-mit-jaki_29.html
http://christophwagnermusic.blogspot.co.uk/2014/12/nachdenken-uber-musik-mit-jaki_26.html
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