Sunday, 15 January 2017

Gruppenmusik: der Drummer JIM BLACK

Die Magie des Augenblicks

Der amerikanische Schlagzeuger und Bandleader Jim Black lebt momentan in Berlin und macht mit zwei neuen Gruppen Furore


cw.Jim Black (Jahrgang 1967) war der “shooting star” im Jazz der 1990er Jahre. Damals ließ er im Trio mit Ellery Eskelin und Andrea Parkins aufhorchen,  dazu als Sideman von Dave Douglas, Uri Caine oder Tim Berne. Pachora und Alas No Axis hießen seine eigenen Bandprojekte, mit denen er seinen Ruf zementierte, einer der besten Drummer und kreativsten Musiker der aktuellen Szene zu sein. Jetzt legt er mit zwei neuen Gruppen nach.

Du lebst momentan in Berlin. Wieso?

Jim Black: Ich habe eine Gastprofessur am Berliner Jazz-Institut, wo ich für sechs Monate meinen Freund John Hollenbeck vertrete. Es war der ideale Anlaß, einmal nach Berlin zu ziehen und in die dortige Szene einzutauchen nach 25 Jahren in New York.

Hast du vor länger zu bleiben?

Keine Ahnung. Ich denke, dass sich für mich durch den Ortswechsel nicht allzu viel ändern wird. Ich verlagere nur meine Basis, mein Musikerleben wird das gleiche bleiben. Ideal wäre wohl, mit einem Bein in New York und mit dem anderen in Berlin zu stehen. Ich plane nicht weit im voraus, sondern lebe mein Leben von einem Monat zum nächsten, weshalb es mir schwerfällt irgendwelche Prognosen zu machen.

Welchen Eindruck hast du von der Berliner Jazzszene?

Ich habe das Gefühl, dass sich die Berliner und die New Yorker Szene nicht so stark von einander unterscheiden. Es gibt fantastische Musiker in beiden Städten. Was die Auftrittssituation betrifft, gibt es ebenfalls Ähnlichkeiten: Gelegentlich läßt man bei Konzerten den Hut rumgehen. Ein Unterschied ist jedoch: Mit dieser Methode kann man in Berlin ganz gut Geld verdienen - in New York nicht. Darüber hinaus gibt es natürlich in beiden Städten etliche Clubs und Auftrittslokale, wo regulärer Eintritt bezahlt wird und die Musiker eine feste Gage bekommen. Was die Qualität der Musiker anbelangt, gibt es zwischen den USA und Europa keinen Unterschied mehr. Die besten spielen heute weltweit auf gleich hohem Niveau - eine einzige große Party.

Das spiegelt sich in deinen verschiedenen Gruppen wider. Du arbeitest häufig mit Europäern zusammen…..

Schon immer! Frank Möbus, der Berliner Gitarrist, ging mit mir aufs College und brachte mich danach als erster nach Europa. Das war 1989. Damals lebte ich mit Chris Speed für ein halbes Jahr in Deutschland. Wir hatten ein Trio mit Möbus und traten überall auf. Wir spielten unsere eigene Musik und wurden dafür auch noch bezahlt, was unglaublich war für drei Burschen, die frisch vom College kamen. Seither war ich wieder und wieder in Europa und habe hier vielleicht mehr Zeit verbracht als in den Staaten.

Gerade ist das Debutalbum deines neuen Trios erschienen….

10 Jahre lang komponierte ich die Musik für meine Gruppe Alas No Axis auf der Gitarre. Dann verliebte ich mich erneut ins Klavier. Bei einem Workshop in Salzburg begegnete ich diesem absolut superben jungen Pianisten: Elias Stemeseder. Wir spielten danach weiter zusammen. Ich besuchte ihn und seine Familie auf ihrem Bauernhof in der Nähe von Salzburg. Er ist der erste Musiker in einer Familie von Bauern, deren Geschichte vierhundert Jahre zurückreicht. Stemeseder war der Grund, dieses Trio zu gründen. Ich bin doppelt so alt wie er, aber wir liegen absolut auf der gleichen Wellenlänge. Wir nahmen Thomas Morgan als Bassist dazu. Mit ihm hatte ich zuvor nur ein paar Mal in New York gespielt und suchte nach einer Gelegenheit, die Zusammenarbeit zu intensivieren.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit über solch weite Distanzen?

Ich schreibe die Musik im Wissen, dass zwei bis vier Bandproben genügen, um die Kompositionen auf das Niveau für eine Plattenaufnahme zu heben, derart versiert sind meine Bandkollegen. Wenn man dann auf Tourneen jeden Abend zusammenspielt, entsteht eine zusätzliche Intimität. Unser Repertoire ist völlig offen. Es können meine Kompositionen sein oder Standards, wir können frei improvisieren oder über ein Thema – alles ist möglich. Wir zerbrechen uns nicht die Köpfe darüber, sondern spielen einfach drauflos und sehen, was dabei herauskommt. Das ist das tolle an dieser Band, dass sie musikalisch äußerst wendig, flink und flexibel ist.

Was unterscheidet dein Pianotrio von den vielen anderen Gruppen in dieser Besetzung?

Es wäre mir im Traum nicht eingefallen, ein Jazzpianotrio zu gründen. Aber ich erinnerte mich an das Trio von Paul Motian mit Joe Lovano und Bill Frisell, was für mich die ultimative Band war. Sie haben mir ein Licht aufgesetzt, wie man Musik als Gruppe macht. Mit solch intensivem Interplay, so sensibel und mit solch offenen Ohren habe ich selten eine Gruppe spielen gehört. Dieses Trio ist das Vorbild für jede meiner Bands. Was nun das Jazzpianotrio betrifft, lerne ich immer noch, welche Möglichkeiten an Klangfarben und dynamische Abstufungen es bietet. Wie kann man mit einem Pianotrio wie eine Rockband klingen oder Ambient Music machen? Die Palette ist längst nicht ausgereizt. Jeder Moment unseres Zusammenspiels enthält alle nur erdenklichen Möglichkeiten. Von diesem Gedanken lassen wir uns leiten. Es geht weniger um Soli, sondern um das kollektive Zusammenspiel. Es ist Gruppenmusik, die sich der Magie des Augenblick hingibt.

 
Gilt das auch für dein neues Quartett Malamute?

Absolut! Neben Elias Stemeseder sind der New Yorker Bassgitarrist Christopher Tordini und der isländische Tenorsaxofonist Oskar Gudjonsson mit von der Partie, der äußerst gedämpft spielt wie ein moderner Stan Getz. Um was geht es? Wir suchen nach einem anderen Zugang zum Quartettspiel, einem Ansatz, der sich von meinen früheren Quartetten abhebt. Ich machte Elias Stemeseder den Vorschlag, ausschließlich Synthesizer zu spielen, damit der Gruppensound elektronischer wird. Es ist Musik mit geringer Aufmerksamkeitsspanne, fast wie ein ‘Mixtape’, wo viele divergierende Stile und Stimmungen rasch aufeinander folgen. Laufend wechseln die Farben, die Grooves und die Melodien. Eine enorme Palette an Möglichkeiten tut sich auf – alles frei improvisiert. Es ist wie DJ-Culture, die alles miteinander mixt. Das Konzept basiert auf der Einsicht, dass alle Musik gleichwertig ist und es keine Hierarchie der Stile gibt. Früher verlangten Leute gelegentlich ihr Eintrittsgeld bei meinen Konzerten zurück, weil meine Band nicht das spielte, was sie erwarteten. Das gibt es heute nicht mehr. Die Leute sind offener geworden. Sie sind neugierig und haben einen viel weiteren Horizont als damals. Da klingen Stilbegriffe wie “Rock” oder “Jazz” ziemlich überholt. Heute bewegen wir uns musikalisch in freiem Gelände. Grenzen existieren kaum mehr.

Welchen Einfluß hatten deine musikalischen Erfahrungen der letzten 25 Jahre auf dein Schlagzeugspiel. Spielst du heute anders Drums?

Ich arbeite im Moment an einem Album mit der New Yorker Songwriterin Emma Frank. Dabei versuche ich, nicht wie ein normaler Rockschlagzeuger zu klingen, sondern urtümlichere Klänge, Geräusche und Rhythmen zu finden. Ich plane reduzierter zu spielen - unkonventioneller, erdiger, archaischer. Es kommt mir nicht darauf an, technisch ein besserer Drummer zu werden, sondern ein besserer Musiker, was nicht unbedingt das gleiche ist.

Jim Black Trio: The Constant (Intakt)

Jim Black: Malamute (Intakt)

17.01.2017 BERLIN/Germany - Tiyatrom
20.01.2017 ROTTERDAM/Netherlands - Lantaren Venster
21.01.2017 GENEVA/Switzerland - A.M.R.
22.01.2017 FRANKFURT/Germany - Titania
23.01.2017 WIEN/Austria - Porgy & Bess Jazz Club
24.01.2017 PARIS/France - La Dynamo de Banlieues Bleues

Das Interview erschien zuerst in der Zeitschrift JAZZTHETIK (jazzthetik.de)

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