Die Magie des Augenblicks
Der amerikanische Schlagzeuger und
Bandleader Jim Black lebt momentan in Berlin und macht mit zwei neuen Gruppen Furore
cw.Jim Black (Jahrgang 1967) war der
“shooting star” im Jazz der 1990er Jahre. Damals ließ er im Trio mit Ellery
Eskelin und Andrea Parkins aufhorchen, dazu
als Sideman von Dave Douglas, Uri Caine oder Tim Berne. Pachora und Alas No
Axis hießen seine eigenen Bandprojekte, mit denen er seinen Ruf zementierte,
einer der besten Drummer und kreativsten Musiker der aktuellen Szene zu sein. Jetzt
legt er mit zwei neuen Gruppen nach.
Du lebst momentan in
Berlin. Wieso?
Jim Black: Ich habe eine Gastprofessur
am Berliner Jazz-Institut, wo ich für sechs Monate meinen Freund John
Hollenbeck vertrete. Es war der ideale Anlaß, einmal nach Berlin zu ziehen und
in die dortige Szene einzutauchen nach 25 Jahren in New York.
Hast du vor länger zu
bleiben?
Keine Ahnung. Ich denke,
dass sich für mich durch den Ortswechsel nicht allzu viel ändern wird. Ich
verlagere nur meine Basis, mein Musikerleben wird das gleiche bleiben. Ideal
wäre wohl, mit einem Bein in New York und mit dem anderen in Berlin zu stehen.
Ich plane nicht weit im voraus, sondern lebe mein Leben von einem Monat zum nächsten,
weshalb es mir schwerfällt irgendwelche Prognosen zu machen.
Welchen Eindruck hast
du von der Berliner Jazzszene?
Ich habe das Gefühl, dass
sich die Berliner und die New Yorker Szene nicht so stark von einander
unterscheiden. Es gibt fantastische Musiker in beiden Städten. Was die
Auftrittssituation betrifft, gibt es ebenfalls Ähnlichkeiten: Gelegentlich läßt
man bei Konzerten den Hut rumgehen. Ein Unterschied ist jedoch: Mit dieser Methode
kann man in Berlin ganz gut Geld verdienen - in New York nicht. Darüber hinaus
gibt es natürlich in beiden Städten etliche Clubs und Auftrittslokale, wo regulärer
Eintritt bezahlt wird und die Musiker eine feste Gage bekommen. Was die
Qualität der Musiker anbelangt, gibt es zwischen den USA und Europa keinen
Unterschied mehr. Die besten spielen heute weltweit auf gleich hohem Niveau -
eine einzige große Party.
Das spiegelt sich in
deinen verschiedenen Gruppen wider. Du arbeitest häufig mit Europäern zusammen…..
Schon immer! Frank Möbus,
der Berliner Gitarrist, ging mit mir aufs College und brachte mich danach als
erster nach Europa. Das war 1989. Damals lebte ich mit Chris Speed für ein
halbes Jahr in Deutschland. Wir hatten ein Trio mit Möbus und traten überall
auf. Wir spielten unsere eigene Musik und wurden dafür auch noch bezahlt, was
unglaublich war für drei Burschen, die frisch vom College kamen. Seither war ich
wieder und wieder in Europa und habe hier vielleicht mehr Zeit verbracht als in
den Staaten.
Gerade ist das Debutalbum
deines neuen Trios erschienen….
10 Jahre lang komponierte ich
die Musik für meine Gruppe Alas No Axis auf der Gitarre. Dann verliebte ich
mich erneut ins Klavier. Bei einem Workshop in Salzburg begegnete ich diesem
absolut superben jungen Pianisten: Elias Stemeseder. Wir spielten danach weiter
zusammen. Ich besuchte ihn und seine Familie auf ihrem Bauernhof in der Nähe
von Salzburg. Er ist der erste Musiker in einer Familie von Bauern, deren
Geschichte vierhundert Jahre zurückreicht. Stemeseder war der Grund, dieses
Trio zu gründen. Ich bin doppelt so alt wie er, aber wir liegen absolut auf der
gleichen Wellenlänge. Wir nahmen Thomas Morgan als Bassist dazu. Mit ihm hatte ich
zuvor nur ein paar Mal in New York gespielt und suchte nach einer Gelegenheit, die
Zusammenarbeit zu intensivieren.
Wie funktioniert die
Zusammenarbeit über solch weite Distanzen?
Ich schreibe die Musik im
Wissen, dass zwei bis vier Bandproben genügen, um die Kompositionen auf das
Niveau für eine Plattenaufnahme zu heben, derart versiert sind meine
Bandkollegen. Wenn man dann auf Tourneen jeden Abend zusammenspielt, entsteht eine
zusätzliche Intimität. Unser Repertoire ist völlig offen. Es können meine
Kompositionen sein oder Standards, wir können frei improvisieren oder über ein
Thema – alles ist möglich. Wir zerbrechen uns nicht die Köpfe darüber, sondern
spielen einfach drauflos und sehen, was dabei herauskommt. Das ist das tolle an
dieser Band, dass sie musikalisch äußerst wendig, flink und flexibel ist.
Was unterscheidet
dein Pianotrio von den vielen anderen Gruppen in dieser Besetzung?
Es wäre mir im Traum nicht eingefallen,
ein Jazzpianotrio zu gründen. Aber ich erinnerte mich an das Trio von Paul
Motian mit Joe Lovano und Bill Frisell, was für mich die ultimative Band war.
Sie haben mir ein Licht aufgesetzt, wie man Musik als Gruppe macht. Mit solch intensivem
Interplay, so sensibel und mit solch offenen Ohren habe ich selten eine Gruppe spielen
gehört. Dieses Trio ist das Vorbild für jede meiner Bands. Was nun das
Jazzpianotrio betrifft, lerne ich immer noch, welche Möglichkeiten an
Klangfarben und dynamische Abstufungen es bietet. Wie kann man mit einem
Pianotrio wie eine Rockband klingen oder Ambient Music machen? Die Palette ist
längst nicht ausgereizt. Jeder Moment unseres Zusammenspiels enthält alle nur
erdenklichen Möglichkeiten. Von diesem Gedanken lassen wir uns leiten. Es geht
weniger um Soli, sondern um das kollektive Zusammenspiel. Es ist Gruppenmusik,
die sich der Magie des Augenblick hingibt.
Gilt das auch für
dein neues Quartett Malamute?
Absolut! Neben Elias
Stemeseder sind der New Yorker Bassgitarrist Christopher Tordini und der isländische
Tenorsaxofonist Oskar Gudjonsson mit von der Partie, der äußerst gedämpft
spielt wie ein moderner Stan Getz. Um was geht es? Wir suchen nach einem anderen
Zugang zum Quartettspiel, einem Ansatz, der sich von meinen früheren Quartetten
abhebt. Ich machte Elias Stemeseder den Vorschlag, ausschließlich Synthesizer
zu spielen, damit der Gruppensound elektronischer wird. Es ist Musik mit
geringer Aufmerksamkeitsspanne, fast wie ein ‘Mixtape’, wo viele divergierende
Stile und Stimmungen rasch aufeinander folgen. Laufend wechseln die Farben, die
Grooves und die Melodien. Eine enorme Palette an Möglichkeiten tut sich auf – alles
frei improvisiert. Es ist wie DJ-Culture, die alles miteinander mixt. Das Konzept
basiert auf der Einsicht, dass alle Musik gleichwertig ist und es keine
Hierarchie der Stile gibt. Früher verlangten Leute gelegentlich ihr
Eintrittsgeld bei meinen Konzerten zurück, weil meine Band nicht das spielte,
was sie erwarteten. Das gibt es heute nicht mehr. Die Leute sind offener
geworden. Sie sind neugierig und haben einen viel weiteren Horizont als damals.
Da klingen Stilbegriffe wie “Rock” oder “Jazz” ziemlich überholt. Heute bewegen
wir uns musikalisch in freiem Gelände. Grenzen existieren kaum mehr.
Welchen Einfluß
hatten deine musikalischen Erfahrungen der letzten 25 Jahre auf dein
Schlagzeugspiel. Spielst du heute anders Drums?
Ich arbeite im Moment an
einem Album mit der New Yorker Songwriterin Emma Frank. Dabei versuche ich,
nicht wie ein normaler Rockschlagzeuger zu klingen, sondern urtümlichere Klänge,
Geräusche und Rhythmen zu finden. Ich plane reduzierter zu spielen - unkonventioneller,
erdiger, archaischer. Es kommt mir nicht darauf an, technisch ein besserer Drummer
zu werden, sondern ein besserer Musiker, was nicht unbedingt das gleiche ist.
Jim Black Trio: The Constant (Intakt)
Jim Black: Malamute (Intakt)
17.01.2017 BERLIN/Germany - Tiyatrom
20.01.2017
ROTTERDAM/Netherlands - Lantaren Venster
21.01.2017
GENEVA/Switzerland - A.M.R.
22.01.2017 FRANKFURT/Germany
- Titania
23.01.2017 WIEN/Austria - Porgy & Bess
Jazz Club
24.01.2017 PARIS/France - La Dynamo
de Banlieues Bleues
Das Interview erschien zuerst in der Zeitschrift JAZZTHETIK (jazzthetik.de)
Das Interview erschien zuerst in der Zeitschrift JAZZTHETIK (jazzthetik.de)
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