Friday, 28 April 2017

JAZZTRENDS: Intakt Festival in London

Alte und junge Wilde

Intakt Records aus Zürich zu Gast in London

 Drummer Louis Moholo-Moholo (Foto: David Laskowski)

cw. So ehrt London seine Jazzmusiker: Der Platz vor dem Dalston Culture House, einem modernistischen Flachdach-Bau im Stadtteil Dalston, ist nach Derek Bailey (1930 – 2005) benannt. Das macht Sinn, beherbergt das Gebäude doch eines der Zentren für zeitgenössischen Jazz in der englischen Hauptstadt: den Vortex Jazzclub, wo der Freejazzgitarrist häufig aufgetreten ist.

Von Ostern an hätte der Club eigentlich die Schweizer Fahne hissen können, denn zwölf Tage lang gestaltete das Zürcher Schallplattenlabel Intakt Records das Programm. Es präsentierte eine hochkarätige Liste eidgenössischer Jazzmusiker häufig in Kombination mit englischen Kollegen, dazu Improvisatoren aus Deutschland, Japan, den USA, Südafrika und der Elfenbeinküste, die alle zum Stall von Intakt gehören. 

Vor vollem Haus eröffnete der Bassist und Komponist Barry Guy aus Anlaß seines 70. Geburtstags die Konzertreihe. In mehreren knappen Sets präsentierte sich der Engländer, der seit längerem in der Schweiz lebt, mit verschiedenen Partnern, wie dem Saxofonisten Evan Parker, der Barockviolinistin Maya Homburger oder einem Trio mit dem Schweizer Schlagzeuger Lucas Niggli und dem Engländer Howard Riley. Mit dem Pianisten spielte Guy bereits vor 50 Jahren zusammen, als beide noch zur Clique der jungen Wilden gehörten, die in der Themsestadt die Freejazz-Revolution ausriefen.

Zwei Abende später abermals ein Treffen großer Namen: Aus Zürich war die Pianistin Irène Schweizer angereist und hatte den südafrikanischen Schlagzeuger Louis Moholo-Moholo zum Tête-à-Tête geladen. Die beiden kennen sich seit den 1960er Jahren aus dem Zürcher Africana-Jazzclub. Über die Jahre haben sie immer wieder miteinander musiziert, was eine große Vertrautheit wachsen ließ: Mit blindem Verständnis zauberten sie eine dicht gesponnene Improvisationsmusik voller Dynamik und Intensität.

Bei aller Hochachtung vor den Pionieren kam die junge Generation dennoch nicht zu kurz. Vom coolen Elektrojazz von Weird Beard über die explosive Perkussion von Julian Sartorius (der mit dem englischen Tastenmann Steve Beresford auftrat) bis zu den spannungsreichen Songs von Sarah Buechi & Shadow Garden wurde das Terrain des aktuellen Jazz immer wieder neu vermessen.

Pianist Stefan Aeby, der sich schon mit Sarah Buechi bestens eingeführt hatte, schlug mit seinem Trio anfangs eher poetische Töne an, die sich dann allmählich zu einem ekstatischen Furioso steigerten. Bassist André Pousaz, in der Bühnenmitte positioniert, sorgte mit federndem Pizzicato für ein tragfähiges Fundament. Das nutzten Drummer Michi Stulz und Stefan Aeby, um sich in virtuoser Manier die Bälle zuzuspielen, wobei der aktustische Pianoklang sich mittels Laptop gelegentlich in bunt schillernde Elektroniksounds verwandelte.

Mit dem Festival in London hat Intakt Records nicht nur sein Profil als eines der wichtigen europäischen Jazzlabels schärfen können, sondern insgesamt das Ansehen des Schweizer Jazz gehoben. Der große Zuspruch von Seiten des englischen Publikums und der Medien belegte mit Nachdruck, dass auf internationaler Ebene auch mit dieser Sparte Schweizer Kultur zu punkten ist.

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