Alte
und junge Wilde
Intakt
Records aus Zürich zu Gast in London
cw. So
ehrt London seine Jazzmusiker: Der Platz vor dem Dalston Culture House, einem
modernistischen Flachdach-Bau im Stadtteil Dalston, ist nach Derek Bailey (1930
– 2005) benannt. Das macht Sinn, beherbergt das Gebäude doch eines der Zentren
für zeitgenössischen Jazz in der englischen Hauptstadt: den Vortex Jazzclub, wo
der Freejazzgitarrist häufig aufgetreten ist.
Von
Ostern an hätte der Club eigentlich die Schweizer Fahne hissen können, denn
zwölf Tage lang gestaltete das Zürcher Schallplattenlabel Intakt Records das
Programm. Es präsentierte eine hochkarätige Liste eidgenössischer Jazzmusiker
häufig in Kombination mit englischen Kollegen, dazu Improvisatoren aus Deutschland,
Japan, den USA, Südafrika und der Elfenbeinküste, die alle zum Stall von Intakt
gehören.
Vor
vollem Haus eröffnete der Bassist und Komponist Barry Guy aus Anlaß seines 70.
Geburtstags die Konzertreihe. In mehreren knappen Sets präsentierte sich der
Engländer, der seit längerem in der Schweiz lebt, mit verschiedenen Partnern,
wie dem Saxofonisten Evan Parker, der Barockviolinistin Maya Homburger oder
einem Trio mit dem Schweizer Schlagzeuger Lucas Niggli und dem Engländer Howard
Riley. Mit dem Pianisten spielte Guy bereits vor 50 Jahren zusammen, als beide
noch zur Clique der jungen Wilden gehörten, die in der Themsestadt die
Freejazz-Revolution ausriefen.
Zwei
Abende später abermals ein Treffen großer Namen: Aus Zürich war die Pianistin
Irène Schweizer angereist und hatte den südafrikanischen Schlagzeuger Louis
Moholo-Moholo zum Tête-à-Tête geladen. Die beiden kennen sich seit den 1960er
Jahren aus dem Zürcher Africana-Jazzclub. Über die Jahre haben sie immer wieder
miteinander musiziert, was eine große Vertrautheit wachsen ließ: Mit blindem
Verständnis zauberten sie eine dicht gesponnene Improvisationsmusik voller
Dynamik und Intensität.
Bei
aller Hochachtung vor den Pionieren kam die junge Generation dennoch nicht zu
kurz. Vom coolen Elektrojazz von Weird Beard über die explosive Perkussion von
Julian Sartorius (der mit dem englischen Tastenmann Steve Beresford auftrat)
bis zu den spannungsreichen Songs von Sarah Buechi & Shadow Garden wurde
das Terrain des aktuellen Jazz immer wieder neu vermessen.
Pianist
Stefan Aeby, der sich schon mit Sarah Buechi bestens eingeführt hatte, schlug
mit seinem Trio anfangs eher poetische Töne an, die sich dann allmählich zu
einem ekstatischen Furioso steigerten. Bassist André Pousaz, in der Bühnenmitte positioniert, sorgte mit federndem
Pizzicato für ein tragfähiges Fundament. Das
nutzten Drummer Michi Stulz und Stefan Aeby, um sich in virtuoser Manier die
Bälle zuzuspielen, wobei der aktustische Pianoklang sich mittels Laptop
gelegentlich in bunt schillernde Elektroniksounds verwandelte.
Mit
dem Festival in London hat Intakt Records nicht nur sein Profil als eines der
wichtigen europäischen Jazzlabels schärfen können, sondern insgesamt das
Ansehen des Schweizer Jazz gehoben. Der große Zuspruch von Seiten des
englischen Publikums und der Medien belegte mit Nachdruck, dass auf
internationaler Ebene auch mit dieser Sparte Schweizer Kultur zu punkten ist.
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