Polkas in mondheller Nacht
Die Stuttgarter Polkabilly-Kapelle
Hiss bei ihrem obligatorischen Sommerauftritt in Tübingen
cw. Es ist fast schon Routine. Alle
Jahre wieder – immer im Sommer – kommt die Stuttgarter Polkabilly-Band Hiss
nach Tübingen. Dann lassen die Mannen um Stefan Hiss auf dem Sudhaus-Areal eine
Party unter freiem Himmel steigen, die es in sich hat und Fans aus der ganzen
Region anzieht. Denn eines ist klar: Bei Hiss kann man ein paar ausgelassene,
humorvolle Stunden erleben, die einen aus dem grauen Alltag herauskatapultieren
– hinaus in die weite Welt. „Von Sansibar nach Santa Fe“ heisst bezeichnenderweise
das Programm.
Hiss lassen es mächtig fetzen: Mit
professioneller Gewandtheit machen sich die fünf Musiker ans Werk. Sie spielen
einen Evergreen nach dem anderen – eine Art „Best of“-Programm aus ihrer
nunmehr schon über 20jährigen Bandgeschichte, die auf sieben Alben dokumentiert
ist und die Zuhörer nach kurzer Zeit auf die Beine bringt.
Die fünf Musiker inszenieren sich
als windgegerbte Weltenbummler, die die Segel hissen, um einmal musikalisch um
die Welt zu reisen und von ihren Abenteuern und Amouren als Freibeuter und
Vagabunden „da draußen“ zu berichten. Dabei wird unablässig Seemanns-Garn
gesponnen. Stefan Hiss erweist sich als Münchhausen des Rock ‘n’ Roll und
begnadeter Entertainer. Mit der Schilderung hanebüchener Eskapaden und Episoden
bringt er das Publikum zum Lachen, wobei er mit feiner Ironie sich selbst auch
immer wieder auf den Arm nimmt. Selbst der Schunkel-Animation im
Dreivierteltakt nimmt er durch seine spöttischen Einlassungen alles Dumpf-Spießige,
ein rhetorisches Kunststück, über das man sich nur wundern kann.
Stilistisch ziehen Hiss alle
Register der tanzbaren Weltmusik, wobei sie sich am liebsten in den heißeren
Regionen des Planeten bewegen: im Süden der USA und Lateinamerika. Die
schweißtreibenden Rhythmen aus dem Fundus der dortigen Traditionen erweisen
sich als das Terrain, in welchem die Band sich am wohlsten fühlt und zur
Hochform aufläuft! Ob Tex-Mex-Polka, Cumbia, Zydeco oder Rhythm & Blues,
Hiss bewegt sich durch das Unterholz der traditionellen Musikstile in souveräner
Manier und mit großer instrumentaler Meisterschaft. Wie Michael Roth die kleine
Mundharmonika zu einem Rieseninstrument macht, ist nicht weniger als atemberaubend.
Selbst die virtuosesten Läufe und ekstatischsten Trillern spielt er in absolut lässiger
Manier. Dazu entwindet Stefan Hiss dem Schifferklavier große Gefühle, läßt es winseln,
wimmern und jammern, während Thomas Grollmus der Mandoline glockenhelle Tremoli
und der Gitarre heulende Töne und kreischende Klänge entlockt. Dahinter agiert
eine abgeklärte Rhythmusgruppe, die durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist,
aber im entscheidenenden Moment auch mächtig aufs Gaspedal treten kann. Es war
mal wieder schön! Nach einem überaus beschwingten Abend verabschiedeten Hiss
sich mit ein paar „Polkas in mondheller Nacht“ von einem Publikum, das sich
schon aufs nächste Mal freut.
Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Baden-Württemberg
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