Wednesday 19 July 2017

Abenteuer und Amouren: HISS in Tübingen

Polkas in mondheller Nacht

Die Stuttgarter Polkabilly-Kapelle Hiss bei ihrem obligatorischen Sommerauftritt in Tübingen

Foto: C. Wagner


cw. Es ist fast schon Routine. Alle Jahre wieder – immer im Sommer – kommt die Stuttgarter Polkabilly-Band Hiss nach Tübingen. Dann lassen die Mannen um Stefan Hiss auf dem Sudhaus-Areal eine Party unter freiem Himmel steigen, die es in sich hat und Fans aus der ganzen Region anzieht. Denn eines ist klar: Bei Hiss kann man ein paar ausgelassene, humorvolle Stunden erleben, die einen aus dem grauen Alltag herauskatapultieren – hinaus in die weite Welt. „Von Sansibar nach Santa Fe“ heisst bezeichnenderweise das Programm.

Hiss lassen es mächtig fetzen: Mit professioneller Gewandtheit machen sich die fünf Musiker ans Werk. Sie spielen einen Evergreen nach dem anderen – eine Art „Best of“-Programm aus ihrer nunmehr schon über 20jährigen Bandgeschichte, die auf sieben Alben dokumentiert ist und die Zuhörer nach kurzer Zeit auf die Beine bringt.
                                                                                                                         Foto: C. Wagner
Die fünf Musiker inszenieren sich als windgegerbte Weltenbummler, die die Segel hissen, um einmal musikalisch um die Welt zu reisen und von ihren Abenteuern und Amouren als Freibeuter und Vagabunden „da draußen“ zu berichten. Dabei wird unablässig Seemanns-Garn gesponnen. Stefan Hiss erweist sich als Münchhausen des Rock ‘n’ Roll und begnadeter Entertainer. Mit der Schilderung hanebüchener Eskapaden und Episoden bringt er das Publikum zum Lachen, wobei er mit feiner Ironie sich selbst auch immer wieder auf den Arm nimmt. Selbst der Schunkel-Animation im Dreivierteltakt nimmt er durch seine spöttischen Einlassungen alles Dumpf-Spießige, ein rhetorisches Kunststück, über das man sich nur wundern kann.

Stilistisch ziehen Hiss alle Register der tanzbaren Weltmusik, wobei sie sich am liebsten in den heißeren Regionen des Planeten bewegen: im Süden der USA und Lateinamerika. Die schweißtreibenden Rhythmen aus dem Fundus der dortigen Traditionen erweisen sich als das Terrain, in welchem die Band sich am wohlsten fühlt und zur Hochform aufläuft! Ob Tex-Mex-Polka, Cumbia, Zydeco oder Rhythm & Blues, Hiss bewegt sich durch das Unterholz der traditionellen Musikstile in souveräner Manier und mit großer instrumentaler Meisterschaft. Wie Michael Roth die kleine Mundharmonika zu einem Rieseninstrument macht, ist nicht weniger als atemberaubend. Selbst die virtuosesten Läufe und ekstatischsten Trillern spielt er in absolut lässiger Manier. Dazu entwindet Stefan Hiss dem Schifferklavier große Gefühle, läßt es winseln, wimmern und jammern, während Thomas Grollmus der Mandoline glockenhelle Tremoli und der Gitarre heulende Töne und kreischende Klänge entlockt. Dahinter agiert eine abgeklärte Rhythmusgruppe, die durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist, aber im entscheidenenden Moment auch mächtig aufs Gaspedal treten kann. Es war mal wieder schön! Nach einem überaus beschwingten Abend verabschiedeten Hiss sich mit ein paar „Polkas in mondheller Nacht“ von einem Publikum, das sich schon aufs nächste Mal freut.

Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Baden-Württemberg


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