Im Museum der vergessenen Klänge
Peter Pichler und das Trautonium im Alten Schlachthof in Sigmaringen
cw. Es ist ein Holzkasten mit zwei Manualen plus Knöpfen, Schaltern und Reglern dran, der bei oberflächlicher Betrachtung wie eine Hammond-Orgel aussieht. Erst bei genauerem Hinsehen springt der Unterschied ins Auge: Anstelle einer Tastatur besitzt der Klangkasten eine Stahlsaite, die über eine Metallleiste gespannt ist. Wenn man diese Saite niederdrückt, schließt sich der Schaltkreis und es erklingt ein Ton. Dieses Prinzip der Tonerzeugung macht das Trautonium zu einem einzigartigen Klangerzeuger und zu einem der ersten elektronischen Musikinstrumente überhaupt.
Nachbau eines frühen Trautoniums (Foto: C. Wagner)
1929 von Friedrich Trautwein in Berlin erfunden, beflügelte das Instument die Visionen einer neuen Klangfarbenmusik und inspirierte namhafte Komponisten zu Stücken. Erste Werke für drei Trautonium-Instrumente entstanden, die der berühmte Komponist Paul Hindemith unter dem Titel „Des kleinen Elektromusikers Lieblinge“ veröffentlichte.
Seinen großen Auftritt hatte das Trautonium dann 1963, als Alfred Hitchcock mit dem Instrument seinen heute als Klassiker geltenden Film „Die Vögel“ klanglich untermalen ließ, wobei der Trautonium-Solist Oskar Sala zum Einsatz kam. Sala besaß lange Jahre ein Quasi-Monopol auf das Instrument, mit dem er für mehr als 300 Werbefilme den Soundtrack lieferte.
Die spannende Geschichte dieses außergewöhnlichen Klangapparats erzählte der Münchner Musiker Peter Pichler im ersten Teil seines Konzertprogramms im Alten Schlachthof in Sigmaringen, wobei er die verschiedenen Etappen der Entwicklung mit Klangbeispielen und Kompositionen eindrucksvoll dokumentierte. Pichler, der sonst in der Band des bayrischen Liedermachers Hans Söllner seine Brötchen verdient, ist heute einer der wenigen Musiker, die überhaupt noch dieses rare Instrument spielen, das ansonsten vollständig in Vergessenheit geraten ist.
In der zweiten Konzerthälfte stand dann der Film „A Voyage to the Moon“ (=Eine Reise zum Mond) im Zentrum des Auftritts, den die NASA 1975 bei Manfred Durniok in Auftrag gegeben hatte. Der bekannte Filmemacher erstellte seine Dokumentation aus dem originalen Filmmaterial der Apollo-Mondlandungen und ließ sie komplett vom Trautoniumspieler Oskar Sala klanglich kolorieren.
Sala zog dabei alle Register seines Könnens und entlockte dem Trautonium alle nur erdenklichen Töne und Geräusche, die jetzt Peter Pichler „live“ zum NASA-Film wieder lebendig werden ließ, was deutlich machte, über welch ungeheure Palette an Möglichkeiten das Trautonium verfügt und die Frage aufwarf, warum das Instrument in den 1970er Jahre vom Synthesizer verdrängt wurde? Pichler erwies sich als ebenso kompetenter Kenner der Materie wie als virtuoser Instrumentalist, der die fast grenzenlos erscheinende Klangvielfalt des Trautoniums eindrucksvoll zu nutzen wußte und mit seinen Weltraumsounds das Publikum ein ums andere Mal in Erstaunen versetzte. Seine Leistung wurde am Schluß mit reichlich Applaus belohnt.
Die Konzertbesprechung erschien zuerst in der Schwäbischen Zeitung
Die Konzertbesprechung erschien zuerst in der Schwäbischen Zeitung
No comments:
Post a Comment