Monday, 24 February 2020

Theaterkollektiv Familie Flöz: Fulminantes Maskentheater

Körpersprache statt Worte

Fulminantes Maskentheater der Familie Flöz im Stuttgarter Theaterhaus 

Fotos: Promo



















cw. Masken verfremden. Sie verwandeln den Maskenträger in eine undurchschaubare Kunstfigur, der jede Mimik abgeht, um gleichzeitig einen bestimmten Menschentypus zu repräsentieren. Auf Masken baut die Theatergruppe Familie Flöz ihre Konzeption auf, wobei sie einer uralten Theatertradition folgt, die im antiken Griechenland begann und von der Commedia dell’arte in der italienischen Renaissance fortgeführt wurde. 

Natürlich handelt es sich bei der Familie Flöz um keine echte Familie, sondern um ein Künstlerkollektiv, das intensiv zusammenarbeitet und jedes Stück gemeinsam entwickelt. Die Gruppe aus Berlin hat seit Jahren eine höchst eigenständige Form des Maskenspiels entwickelt, mit dem sie international erfolgreich ist, weil es weltweit verstanden wird. Es basiert nicht auf gesprochenem Text, sondern vermittelt seine Botschaft mittels Bewegungen, Gesten und Posen: Körpersprache statt Worte.

Das Stück „Dr. Nest“, mit dem Familie Flöz seit 2018 unterwegs sind, ist in einer Nervenheilanstalt angesiedelt. Die Patienten haben bestimmte psychischen Defekte und Fobien: Einer ist ein überspanntes Klaviergenie, ein anderen ein obsessiver Eintrittskartenknipser und eine dritter trommelt fortwährend auf seiner Bongo. Sie treffen auf Ärzte, die allerdings auch nicht ganz frei von Absonderlichkeiten sind, wobei mit der Zeit die Grenzen immer mehr verschwimmen. Gegen Ende ist man gar nicht mehr so sicher, wer hier normal und wer leicht skurril und verschroben ist. 

Musik und Geräusche sind ein wichtiger Bestandteil der Inszenierung: Türen knallen, die Schreibmaschine rattert, dazu spielt ein Instrument namens Theremin geisterhafte Töne, während sich Bühnenteile von unsichtbarer Hand immer wieder anders formieren und neu aufstellen. Die Schauspieler agieren virtuos und schaffen es, mit kleinsten Gesten maximale Wirkung zu erzielen. 

Doch reicht diese fulminante Körperartistik und eine Vielzahl verblüffender Effekte nicht aus, dem Stück einen roten Faden und eine stringente Handlung zu geben, wobei das Verwirrspiel einen gelegentlich etwas ratlos zurückläßt. Nach vielerlei Irrungen und Wirrungen läuft am Ende alles auf ein großes Happy-End hinaus: Im Zuge einer spontanen Musiksession beginnt das Anstaltspersonal und die Patienten zaghaft miteinander zu tanzen. Doch das Glück ist zerbrechlich und währt nicht lange.

Zum Abschluß eines sowohl amüsanten wie charmanten Theaterabends gab es brausenden Applaus für Familie Flöz, die in Stuttgart schon öfters aufgetreten ist und bereits eine treue Fangemeinde besitzt – kein Wunder, dass das Gastspiel restlos ausverkauft war. Doch keine Panik: Für Zukurzgekommene kehrt Familie Flöz mit zwei Vorstellungen am 20. und 21. März ins Stuttgarter Theaterhaus zurück. 

Monday, 17 February 2020

Marc Copland Trio in Singen

Meister der Jazzmeditation

Das Marc Copland Trio vor große Kulisse beim Jazzclub Singen


cw. Drei Instrumente – das genügt! Mehr braucht es nicht als Klavier, Kontrabaß und Schlagzeug, um eine veritable Jazzcombo zu bilden. In den letzten zwei Jahrzehnten erlebte das Jazzpianotrio einen regelrechten Boom, nicht zuletzt durch Ensembles wie The Bad Plus, die bekannte Poptitel von Black Sabbath oder Nirvana in ihr Repertoire aufnahmen. Auf solche Kapriolen läßt sich das Marc Copland Trio erst gar nicht ein, sondern führt die Tradition des Jazzpianotrios konzequent fort, indem es Jazzstandards, Evergreens und eigene Kompositionen präsentiert. Dass man auch mit so einem recht konventionellen Konzept Erfolg haben kann, erwies sich beim Konzert der Gruppe beim Jazzclub Singen im Kulturzentrum Gems, wo man wegen des großen Publikumandrangs noch zusätzliche Stuhlreihen aufstellen mußte. 

Die Bedingung für einen derartigen Publikumszuspruch ist allerdings ein ganz simpler: hohe Meisterschaft! Copland, inzwischen 71 Jahre alt, hat sich ein Leben lang in die Jazztradition vergraben, über Jazzstandards aus dem „Great American Songbook“ meditiert und es dadurch zu einem Können gebracht, das jetzt Früchte trägt. In der Jazzszene hat sich seine Exzellenz mittlerweile herumgesprochen. Dabei ist Copland einer der Stillen im Land, der kein großes Aufsehen von sich macht, sondern mit Qualität zu überzeugen hofft. Das ist der einzige Trumpf, auf den er setzt. 

Begleitet wurde der amerikanische Pianist von einer vorzüglichen Combo mit dem Ausnahmebassisten Drew Gress, einem der meistbeschäftigten Musiker der New Yorker Jazzszene, der mit allen musikalischen Wasser gewaschen ist und vom konventionellen Spiel bis zur avantgardistischen Improvisation jeden Stil beherrscht. Für den erkrankten Superdrummer Joey Baron, der wegen einer Infektion das Bett hüten musste, half kurzfristig der belgische Schlagzeuger Dré Pallemaerts aus, ein ausgefuchster Routenier, der schon früher mit Copland gespielt hatte. Vom ersten Takt an fügte er sich ideal in die Musik ein und sorgte für federnden Swing und dynamische Akzente. 

Tief über die Tasten gebeugt, begann Copland seine Jazzmeditationen. Nicht zufällig machte der Klassiker „All Blues“ von Miles Davis den Anfang, der 1959 auf dem Album „Kind of Blue“ erschien. Bei dieser Plattensession saß Bill Evans am Piano, der für Marc Copland so etwas wie ein Leitstern ist. Introvertiert, sensibel und einfühlsam waren die Qualitäten des berühmten Pianisten, Eigenschaften, die auch Copland kultiviert hat, wobei er es schafft, mit seinem Spiel eine intime, andächtig-verträumte Stimmung zu erzeugen, die das Publikum über die Dauer des Konzerts mehr und mehr in den Bann zog.

Ob Copland Melodien und Gegenmelodien ineinander verschränkte, Akkorde und Intervalle aufbaute und dann wieder auflöste, immer bewegte er sich vollkommen sicher in der labyrinthischen Architektur seiner Jazznummern und schaffte es, selbst einem Evergreen wie „You do something to me“ von Cole Porter noch neue Seiten abzugewinnen, einem Titel, der einst von Frank Sinatra, Ella Fitzgerald und Doris Day bekannt gemacht wurde. Dabei verfehlte Marc Coplands Tastenmagie ihre Wirkung nicht: Man befand sich nach dem Auftritt in einer anderen, besinnlicheren Stimmung als vor dem Konzert. Nur große Kunst schafft solch eine Verwandlung.

Tuesday, 11 February 2020

Der Süden dreht auf: Badische Neuste Nachrichten


Urknall des Heavy Metal: Vor 50 Jahren erschien Black Sabbaths erste LP

„Die Presse machte uns nieder!“

Vor 50 Jahren erschien das erste Album von Black Sabbath – es war der Urknall des Heavy Metal-Rock. Jim Simpson, der erste Manager von Black Sabbath, erinnert sich

Tony Iommi mit Jim Simpson (rechts)





 













Interview von Christoph Wagner

Wie haben Sie Ozzy Osbourne und die Jungs von Black Sabbath kennengelernt?

Jim Simpson: Ich hatte als Profimusiker gearbeitet und war dann Manager verschiedener Bands aus Birmingham geworden. Mein Management hieß „Big Bear Management“. Weil es damals nicht viele Auftrittsmöglichkeiten gab, organisierte ich eine wöchentliche Bluesnacht – immer dienstags – in einem Raum im ersten Stock eines Pubs namens The Crown in Birmingham. Wir nannten die Veranstaltung „Henry’s Blueshouse“. Sie bot meinen Bands die Chance, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zu den ersten Besuchern am ersten Abend gehörten zwei Jungs, die sofort Mitglieder unseres Blues-Clubs wurden und sich als Ozzy Osbourne und Tony Iommi vorstellten. Sie kamen jeden Dienstag und sagten, sie spielten in einer Band und ob sie nicht einmal in den Pausen auftreten könnten. Ich stimmte zu. Damals nannten sich Black Sabbath noch Earth. So habe ich sie kennengelernt und so fing alles an. 

Black Sabbath Pressefoto von 1970 von Jim Simpson's Big Bear Management

Wie haben sie für Black Sabbath Auftritte gefunden?

Jim Simpson: Das war nicht leicht. Um Abhilfe zu schaffen, habe ich selber Auftritte organisiert, wo an einem Abend vier meiner Bands jeweils eine halbe Stunde spielten. Black Sabbath war mit von der Partie. Dann versuchte ich natürlich den Radius zu vergrößern und Auftritte auf dem europäischen Festland zu finden. Wir spielten im Star-Club in Hamburg und dann in einer Rundfunksendung bei Radio Bremen. Auch der Süddeutsche Rundfunk in Stuttgart lud die Band zu einer Fernseh-Show ein. So wurden wir langsam bekannt. Ich hatte kaum Kontakte nach Deutschland und habe versucht, Black Sabbath in kleinen Clubs unterzubringen. Sie gastierten im Club Manufaktur in Schorndorf und im Jazzclub in Esslingen. In Deutschland waren die Leute offen für diesen harten Rock, in England machte uns dagegen die Presse das Leben schwer. Kritiker machten Black Sabbath nieder. „Was für ein blöder Name! Was für eine bekloppte Musik!“ hieß es in den Zeitungen. Es war so schlimm, dass ich selbst eine monatliche Zeitschrift namens „Big Bear“ herausgab, nur um meine Bands zu promoten.

Wie kam es dann zum Durchbruch in England?

Jim Simpson: In Mittelengland – um Birmingham herum – trat Black Sabbath häufig auf. Dagegen war es schwer für eine Band aus Birmingham in London Fuß zu fassen. Sie ignorierten uns. Wir nahmen dann das erste Album in einer langen Session im Oktober 1969 an einem Tag auf. Erst als sich diese Platte als Erfolg erwies, öffneten sich langsam die Türen auch in London für Black Sabbath.

War es leicht eine Schallplattenfirma für Black Sabbath zu finden?

Jim Simpson: Im Gegenteil – sie lehnten alle ab. Ich machte die Runde mit den Demo-Bändern – vergeblich! Schließlich biß doch eine kleine Firma an: Vertigo Records. Als das Album dann endlich am 13. Februar 1970 herauskam, stellte sich der Erfolg realtiv rasch ein. Es kletterte in den Charts nach oben. Wir bekamen nun Angebote, auf großen Festivals vor Zehntausenden von Leuten auf dem europäischen Festland zu spielen. Und auch die Gagen stiegen entsprechend. Wer hätte geglaubt, dass dieses Album der Startschuß für das ganze Heavy Metal-Genre war.