Tuesday 24 May 2022

Daniel Erdmanns samtene Revolution

Musik wie auf Wolken 

Daniel Erdmann‘s Velvet Revolution mit schwebenden Klängen beim Jazzclub in Singen 


Fotos: christoph wagner

 



 

cw. Es gibt Kammermusik, und es gibt Jazz – aber gibt es auch kammermusikalischen Jazz? Normalerweise ist mit der Bezeichnung eine Spielart der improvisierten Musik gemeint, die leiser, dezenter und intimer auftritt und aufs Schlagzeug verzichtet. 

 

Daniel Erdmann und sein Ensemble „Velvet Revolution“ fällt in diese Kategorie. Das Trio besteht aus dem deutschen Bandleader, der Tenorsaxofon spielt, sowie dem Engländer Jim Hart am Vibrafon und dem französischen Geiger Théo Ceccaldi – eine wahrhaft internationale Besetzung also! Beim Jazzclub Singen gab das Ensemble am Freitagabend vor beachtlicher Kulisse in der „Gems“ eine überzeugende Vorstellung, die trotz des fehlende Schlagzeugs alle Kriterien erfüllte, die zeitgenössischen Jazz so spannend macht.

 

Nur drei Musiker – das ist nicht viel, da gilt es mit den begrenzten musikalischen Möglichkeiten in optimaler Weise umzugehen, sonst könnte es schnell eintönig und langweilig werden. Erdmann und seine Mannen ziehen daraus den Schluß, dass jeder sowohl als Solist als auch als Begleiter in Erscheinung tritt, und außerdem als Komponist Stücke zum Repertoire der Gruppe beisteuert.

 

Dazu kommt: Auch das Klangspektrum der Instrumente wird erweitert, wobei die Geige häufig anstatt gestrichen, pizzicato wie eine Rhythmusgitarre gezupft wird. Ähnlich das Vibrafon: Es wird nicht nur virtuos mit vier Klöppeln angeschlagen, sondern auch mit zwei Bögen aus Roßhaar gestrichen, wobei ein wunderbar flirrender Klang entsteht, der an die Glasharmonika erinnert, jenem obskuren Instrument aus der Vergangenheit, bei dem Weingläser mit angefeuchteten Fingern gerieben werden.  



  

 

Die drei Musiker haben interessante Kompositionen zum Programm beigesteuert, die in ihrer Art recht unterschiedlich ausfallen, aber am überzeugensten sind, wenn sie sich in die Sphäre der schwebenden Klänge begeben. Dann segelt die Musik wie auf Wolken dahin und entfaltet auf wunderbare Weise ihr poetisch-träumerisches Potential. 

 

Daniel Erdmann reißt die Zuhörer mit aufgerauhtem Ton aus den Schwelgereien. Er macht bei den großen Saxofonisten der Jazztradition Anleihen (etwa bei Ben Webster) und bläst einfache singbare Melodien mit viel hörbarer Luft. Verwoben mit den Klängen von Vibrafon und Violine entfalten sich eine Musik, die so stimmig, intensiv und atmosphärisch ist, dass man das Schlagzeug keine Sekunde lang vermißt. Kammermusikalischer Jazz in vollendeter Form! 

 

Die Konzertkritik erschien zuerst im SÜDKURIER (suedkurier.de)

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