Thursday, 21 November 2024

James Brandon Lewis mit dem Red Lily Quintet in Singen

Aus Gospel wird Jazz

James Brandon Lewis würdigt Mahalia Jackson beim Jazzclub Singen 


Fotos: C. Wagner

 

Im Kinofilm „Selma“ von 2014, der den Protestmarsch der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung 1965 von Selma nach Montgomery nachzeichnet, hat sie einen kurzen Auftritt. Am Telefon macht Mahalia Jackson dem verzweifelten Martin Luther King Mut, indem sie ihm ein Spiritual singt. Jackson (1911-1972) gilt als die Urmutter des religiösen Gesangs des schwarzen Amerikas und genießt als „Gospelkönigin“ höchstes Ansehen.

 

Der amerikanische Saxofonist James Brandon Lewis, der in seiner Jugend viel in Kirchen musizierte und dem seine Oma Mahalia Jackson nahe brachte, hat mit „For Mahalia, with love“ 2023 der Gospelsängerin ein ganzen Album gewidmet, als Würdigung der großen Vokalistin, die ihr Leben lang gegen die Erniedrigung und Herabwürdigung ihrer schwarzen Landsleute mit religiösen Hymnen ansang. Der Glaube an einen gerechten Gott ließ sie die Hoffnung auf ein Ende der Rassendiskriminierung nicht verlieren. 

 

Zu seinem Konzert beim Jazzclub Singen brachte James Brandon Lewis das hochkarätige Red Lily Quintet mit, das allerdings im Unterschied zu der Besetzung, die letztes Jahr das Album einspielte, inzwischen mehrheitlich aus Jazzmusikerinnen besteht, ein weiterer Beweis dafür, dass die Frauen im Jazz mächtig auf dem Vormarsch sind. 


 

Herausragend Tomeka Reid, momentan die tonangebende Cellistin im modernen Jazz. Ebenso überzeugend die Schlagzeugerin Lily Finnegan aus Chicago. Das Spiel der beiden besticht durch Präzision, Virtuosität und Energie, was auch für die Kontrabassistin Silvia Bolognesi aus Italien gilt, das einzige Mitglied der Band, das nicht aus den USA kommt. 

 

Angesichts solcher Power-Frauen muß sich Flügelhornspieler Kirk Knuffke mächtig ins Zeug legen, was ihm problemlos gelingt, gilt er doch als einer der besten Blechbläser der New Yorker Szene: Sein Ton ist glasklar, seine Melodielinien messerscharf. Über all dem schwebt der Geist von John Coltrane, dem Urvater des modernen Jazz, dessen tiefe Spiritualität in jeder Note von James Brandon Lewis‘ Saxofonspiel schwingt. Mit bebendem Ton schmettert der 41jährige die Gospelmelodien nur so heraus und treibt so die anderen zu immer größeren Höchstleistungen an.  


 

Aus dem riesigen Repertoire von Mahalia Jackson hat Brandon Lewis ein halbes Dutzend Gospels und Spirituals ausgewählt – so „Swing Low, Sweet Chariot“ oder „Wate in the Water“ – und sie für Jazzensemble arrangiert. Oft wird die Melodie nur angespielt, dann variiert, bevor der Faden improvisatorisch bis ins Freie weitergesponnen wird, wodurch ein fast hymnischer Sog entsteht, der die Zuhörer mitreist. In solch einem Moment springen in den schwarzen Kirchen der USA die Leute auf und tanzen und singen in ekstatischer Verzückung. So weit kam es bei den Zuhörern in der Gems allerdings nicht, die trotzdem vor Begeisterung eine Zugabe erklatschten.

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