Bildpostkarte von ca. 1900 einer Musikgruppe vom Kaukasus.
Monday, 25 February 2013
FLASHBACKS 60s: San Francisco Sound
Werbepostkarte für einen Auftritt der Westcoast-Gruppe IT'S A BEAUTIFUL DAY in Seattle unter der Überschrift "San Francisco Sound", Dezember 1968
Friday, 22 February 2013
Jazztrends: MICHAEL WOLLNY mit [em] 'in the UK'
Ein Hit von Kraftwerk als Zugabe
Der deutscher Spitzenjazzer
Michael Wollny mit seinem Trio [em] in England unterwegs
Foto: Grosse-Geldermann
cw. Michael Wollny ist der
bekannteste deutsche Jazzmusiker der jüngeren Generation. Der 35jährige Pianist
sorgt als Solist und mit seinem Trio [em] seit ein paar Jahren mit
spektakulären ‘Live’-Auftritten und Platteneinspielungen für Furore und feiert
daneben mit Altmeistern wie Joachim Kühn und Heinz Sauer Triumphe. 2011 wurde
Wollnys Gruppe [em] zur besten deutschen Jazzcombo gekürt und mit dem ECHO Jazz
Award ausgezeichnet, sein letztes Album “Wasted & Wanted” von der Kritik
mit Begeisterung aufgenommen.
Viel zu Wollnys Erfolg trug seine
Plattenfirma bei. Der Tastenkünstler aus Berlin ist beim rührigen Münchner Act-Label
unter Vertrag, das vom ehemaligen Warner-Manager Siggi Loch geleitet wird. Loch
hat es in den letzten Jahren immer wieder geschafft, Künstler seines Labels
international durchzusetzen, wie
den 2008
verstorbenen Pianisten Esbjörn
Svensson. Mit
seiner Gruppe E.S.T. wurde Svensson zu einem weltweit gefeierten Star. Das mag
ein Ansporn für Michael Wollny gewesen sein, mit seinem Trio [em]
jetzt zu einer ersten Tournee
nach Großbritannien überzusetzen für Auftritte in London, Birmingham,
Barnstaple und Manchester.
Foto: Anna Meuer
Für ausländische Musiker ist England ein hartes Pflaster. Die britische
Jazzszene leidet an chronischem Geldmangel und Inselmentalität, weswegen nur
wenigen Gruppen den Sprung über den Kanal schaffen. Allerdings hat Wollny einen
Trumpf: Er ist auf der Insel längst kein Unbekannter mehr. Seine Alben wurden
derart positiv von der Presse besprochen, dass er letztes Jahr mit ein paar
gefeierten Solokonzerten den Boden für die Tour mit seinem Trio bereiten konnte.
Die britischen Medien geizten dann auch nicht mit Vorschußlorbeeren. Nur
Freejazz-Altmeister Peter Brötzmann kann in England mit ähnlicher Beachtung
rechnen.
In Manchester trat [em] im Club “Band on The Wall” auf, dem gediegensten
Konzertort der nordenglischen Industriemetropole für Klänge jenseits des
Mainstreams. In dieser Lokalität, die von der Stadt Manchester betrieben wird,
wechseln sich sieben Tage die Woche Soul-, Jazz-, Folk-, Reggae- und
Weltmusik-Auftritte ab. Mit ihrem abwechslungsreichen Jazz gelang es den drei Musikern
aus “Germany”, das Publikum rasch auf ihre Seite zu ziehen, und bald brach sich
Begeisterung Bahn. Links auf der Bühne ließ Wollny seine Finger flink über die
Tasten des schwarzen Flügels tanzen, während gegenüber Drummer Eric Schäfer für
komplexe Rhythmen und dynamisches Feuer sorgte. In der Mitte der Bühne bildete
Eva Kruse mit ihrem Kontrabaß den Ruhepol. Sie gab der Musik selbst in den turbulentesten
Passagen Halt. Beeindruckend war die große Bandbreite an Klängen und Stilen,
die die Combo auf ihrem rasanten Parforce-Ritt durchquerte und die von Rock
über Jazz bis zu radikalen Avantgarde-Sounds reichten. Am Ende gab es den Kraftwerk-Hit
“Das Modell” als Zugabe.
Indem Wollny und Mitstreiter alle Register zogen, gelang es ihnen, das
sonst als eher unterkühlt geltende englische Publikum aus der Reserve zu
locken. Um allerdings in Großbritannien größere Konzerthallen zu füllen, wird
noch viel harte Promotion-Arbeit nötig sein. Diese erste Stippvisite kann nur
ein Auftakt gewesen sein.
Tuesday, 12 February 2013
JAZZTRENDS: Neo Fake-Jazz mit Humor
Spielfreude statt Sinnsuche
Die junge New Yorker Band Mostly Other People Do The Killing wirbelt den Jazz mit Humor durcheinander
cw.«Wir spielen alle Jazzstile zur gleichen Zeit und so schnell wie möglich!», proklamiert die Gruppe Mostly Other People Do The Killing mit einem Augenzwinkern. Die New Yorker Combo schreckt vor nichts zurück! Frech, ungestüm und mit rotziger Punk-Attitude pflügt sie durch die Jazzgeschichte und wirbelt dabei Partikel der unterschiedlichsten Stilrichtungen auf, um sie ganz unverblümt und auf verblüffende Weise neu zusammenzusetzen. Das Quartett aus Brooklyn erfindet den Jazz mit parodistischer Punk-Attitude neu.
Kreuz und quer durch alle Stile zu spielen, ist für die Gruppe kein Problem, besteht sie doch aus ein paar der besten Musiker der jungen kreativen Szene von Brooklyn, wohin sich seit ein paar Jahren der innovative Impuls des New Yorker Jazzlebens verlagert hat. Die vier sind Alleskönner. Ob Swing, Bebop oder Freejazz, ob Punk, Funk oder Latein – jeden Stil beherrschen sie aus dem Effeff. Trompete Peter Evans tritt sogar gelegentlich als Solist in Bach’schen Barockkonzerten auf.
Moppa Elliot ist der konzeptionelle Kopf der Formation. Mit wuchtigen Basslinien treibt er die Musik voran, perfekt verzahnt mit den knackigen Drumbeats von Kevin Shea. Peter Evans spielt eine äußerst wendige Hochgeschwindigkeitstrompete, deren rasante Läufe von Jon Irabagons expressiven Saxofonausbrüchen gekonnt pariert und weitergesponnen werden.
Mit ihrer Musik setzt die Band einen bewußten Kontrapunkt gegen die Kopflastigkeit und Esoterik so mancher Jazzband moderner Prägung. Ihr Stil ist ausgelassen statt versonnen. Sie stellen wilde Exzentrik gegen elegische Tonschwelgereien und Spielfreude gegen Sinnsuche! Anstatt griesgrämiger Ernsthaftigkeit wird locker-lässig mit unbändiger Spielfreude musiziert. Diese Band ignoriert alle Stopschilder.
Damit knüpft die Gruppe an Zeiten an, als der Jazz noch ein populärer Stil war, keine Nischenkunst. Ein knackiger Groove – manchmal swingend, manchmal rockig – bildet das Fundament, über dem Saxofon und Trompete ein Feuerwerk an Tönen abbrennen. Parodistische Einlagen und ein anarchischer Humor sorgen dafür, dass nicht nur das Trommelfell sondern auch das Zwerchfell auf seine Kosten kommt. John Lurie’s Lounge Lizards, eine Kultband der achtziger Jahre, lassen grüßen. Mostly Other People Do The Killing unternehmen den Versuch, den Jazz vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen ohne sich dem vermeintlichen Massengeschmack anzubiedern. Diese Band kennt kein Pardon!
Aktuelles Album:
Aktuelles Album:
Mostly Other People Do The Killing: “Slippery Rock!” (Hot Cup Records)
Sunday, 10 February 2013
Die UKULELE - Minigitarre aus Hawaii
Kleines Instrument ganz groß!
cw. Früher wurde sie belächelt. Nur Spaßmacher und Varieté-Unterhalter spielten Ukulele - die nervige und etwas vorlaute, kleine Schwester der Gitarre. Niemand nahm sie ernst. Doch seit das Zupfinstrument in der Popmusik immer mehr an Boden gewinnt, hat sich sein Ruf verbessert. Ob Noah And The Whale, The Magnetic Fields, Jack Johnson oder die Fleet Foxes - mehr und mehr Popkünstler schätzen die Unbekümmertheit des scheppernden Schrammelklangs. Jetzt tritt Popstar Eddie Vedder von der Rockgruppe Pearl Jam mit einem Soloalbum an die Öffentlichkeit, das für einen weiteren Popularitätsschub sorgen dürfte. Auf “Ukulele Songs” finden sich mehr als ein Dutzend Lieder, auf denen sich der Sänger nur auf der Ukulele begleitet und beweist, dass die viersaitige Minigitarre auch zu ernsthaftem künstlerischen Ausdruck geeignet ist. “Weniger Saiten, mehr Melodie”, so bringt Vedder die Vorteile der Ukulele auf den Punkt. Verliebt hat er sich in das Saiteninstrument vor mehr als zehn Jahren bei einem Hawaii-Urlaub, als er sich von den Strapazen einer Pearl Jam-Tournee erholte. In einem Geschäft stach ihm das Instrument ins Auge, das so billig war, dass er es sofort erwarb. Vor dem Laden probierte er darauf herum, bis eine Melodie ertönte. “Ein paar Touristen blieben stehen und warfen mir Geld in die Instrumentenschachtel,” erzählt Vedder. “Ich dachte: Sapperlot, das Ding hat etwas!”
Und sie werden auch gespielt, am
liebsten im Verein. Auf der Insel schießen Ukulele-Clubs
wie Pilze aus dem
Boden und das nicht nur in größeren Städten. Selbst auf dem
Land grassiert der
Ukulele-Virus, wie in Hebden Bridge (Nordengland), wo sich ein halbes Dutzend
Hobbymusiker einmal im Monat zum gemeinschaftlichen Musizieren im “Cross Inn
Pub” treffen, oder im
benachbarten Halifax, wo eine “Ukulele Gang” regelmäßig zusammenkommt. In
Deutschland haben sich ebenfalls bereits erste Vereine gebildet.
“Jung und alt kommen zum
Übungsabend - von Teenagern bis zu Rentnern. Menschen aus den
unterschiedlichster Berufen - das ganze
Spektrum!” erzählt Rob Collins, der vor ein paar Jahren im nordenglischen
Hebden Bridge den Spielkreis ins Leben rief. Collins hatte sich in das
Instrument vernarrt, als er vor zehn Jahren auf die Idee kam, Ukuleles aus
blechernen Keksdosen zu bauen, die unerwarteten Anklang fanden. Als er dann
letztes Jahr arbeitslos wurde, machte er aus seinem Hobby einen Vollzeitberuf
und liefert nun seine hochwertigen Instrumente aus makellos gedrechselten
Rosenholz oder Eichenholz in die ganze Welt. Von Japan bis in die USA treffen
Bestellungen ein. Die Auftragsbücher sind bis zum Jahresende voll.Sunday, 3 February 2013
MAGMA - Interview mit CHRISTIAN VANDER
Musik
von einem anderen Stern
Sie singen
in einer eigenen Sprache und behaupten, vom Planeten Kobaia zu kommen - die
französische Gruppe Magma meldet sich mit einem neuen Album zurück
cw. Was Kraftwerk, Faust oder Can für
Deutschland, war Magma für Frankreich: die Band, die in den
70er Jahren das Land auf die Weltkarte der internationalen Rockmusik setzte.
Nach einigen Jahren Auszeit ist die Formation aus Paris jetzt wieder aktiv und
hat gerade ein neues Studioalbum vorgelegt.
Magma gilt als eine der mysteriösesten
Formationen der Popgeschichte. Die Mitglieder tragen einheitlich schwarze
Kleidung mit dem vielzackigen Magma-Emblem auf der Brust. Sie schufen sich eine
eigene Mythologie, wonach sie einst die immer unbewohnbarer gewordene Erde
verlassen hatten, um sich auf dem Planeten Kobaia niederzulassen.
Von dort unternehmen sie nur noch sporadisch
kurze Stippvisiten auf ihren ehemaligen Heimatplaneten.
Konsequenterweise singt Magma in einer eigens
dafür erfundenen Sprache - “kobaianisch”, das sich wie ein Kauderwelsch aus slawischen Sprachen, Deutsch und Französisch
anhört. Und die Mitglieder treiben das Spiel noch weiter: Sie nahmen
kobaianische Namen an. Dazu machen sie eine Musik, die wie von einem anderen Planeten
klingt.
Schlagzeuger Christian Vander (Jahrgang 1947),
der auf kobaianisch Zebehn Strain De Geustaah heisst, steht im Mittelpunkt der
Gruppe, Magma ist seine Kreation. Vander komponiert die gesamte Musik und
ersinnt die lautmalerischen Texte. Von seinem Schlagzeugstuhl aus dirigiert er
das Ensemble und treibt mit komplexen, kraftvollen Trommelbeats seine
Mitspieler zu Höchstleistungen an. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen.
Vander gibt Magma eine eindeutig europäische
Ausrichtung, mischt vertrakte Rockrhythmen, elektrische Sounds und
Improvisationen mit Stilelementen aus der Klassik. Die Musik besitzt eine
kompromisslose Unbedingtheit, klingt streng, kühl, ja monumental, manchmal
geradezu apokalyptisch, ohne auf ekstatische Momente zu verzichten. Magma schuf
einen völlig eigenständigen Sound, von dem die Gruppe bis heute keinen Millimeter
abgewichen ist.
Stimmt es, dass sie ihr erstes Schlagzeug vom Jazztrompeter Chet Baker
geschenkt bekommen haben?
Christian Vander: Richtig! Damals in den 50er Jahren
lebte Chet Baker in Paris und wohnte zeitweise bei meiner Mutter und mir. Er
war vom Schlagzeug faszinert und wir fingen an zu trommeln. Wir saßen uns gegenüber
und spielten: Er 4 Takte, ich 4 Takte, er 8 Takte, ich 8 Takte usw.
Um die Nachbarn nicht zu stören, trommelten wir meistens
mit Besen auf Löschpapier. Eines Tages sagte Chet: “Du machst dich gut! Du
brauchst ein richtiges Schlagzeug. Ich finde dir eins.” Einige Tage später, als
er im Jazzclub “Chat Qui Peche” ein längeres Engagement hatte, verabretete er
sich mit mir vor dem Konzert. Als ich ankomme, sehe ich, wie Chet mit einem
Schlagzeug unter dem Arm die Treppe des Clubs hochkommt. Wir packten es in ein
Taxi und fuhren zu mir nach Hause ins 10te Arrondissement, in die Rue René
Boulanger. Endlich hatte ich ein Schlagzeug. Ich war verrückt vor Freude - bis
zu dem Tag als die Gerichtsvollzieher kamen. Chet hatte nicht nur das
Schlagzeug von seinem Drummer geklaut, es war außerdem nur gemietet. Es wurde
ein Verfahren eingeleitet und sie fanden schließlich das Schlagzeug. Ich fiel
aus allen Wolken. Als 14jähriger kam ich zum Verhör vor Gericht. Weil ich so
jung war, hatte der Richter ein Nachsehen. Trotzdem wurde ich dazu verurteilt,
die Mietkosten für das Schlagzeug zu bezahlen. Ich habe Chet Baker später
wieder getroffen und wir haben herzlich über die Episode gelacht.
Es heisst auch, dass sie das Schlagzeugspiel von Elvin Jones gelernt
hätten?
Christian
Vander: Ich lernte Elvin Jones durch den
Saxofonisten Bobby Jaspar kennen, der bei uns wohnte. Bobby war der beste Freund
meiner Mutter, ebenso wie Elvin Jones. Damals spielte Bobby Jaspar mit Elvin Jones
im Orchester von Bob Brookmeyer. Bobby stellte mir Elvin mit dem Satz vor: “Von
dem wirst du noch hören!” Kurz darauf
wurde Jones Mitglied im Quartett von John Coltrane. Mit Elvin habe ich über
sein Schlagzeugspiel gesprochen, vor allem auch über die Wahl der richtigen
Schlagzeugstöcke. Mit der Zeit wurde Elvin Jones so etwas wie ein spiritueller
Vater für mich.
Als er mit Coltrane in Paris spielte, saß ich ganz
nah an der Bühne, nur einige Meter vom Schlagzeug entfernt. Nach den Konzerten
gingen wir oft noch zu einer Jam Session etwa ins “Blue Note”, einen Jazzclub. Es
war ein Privileg, dabei zu sein, weil niemand wusste, ob die Musiker nach dem
Konzert noch eine Jam Session bestreiten würden. Manchmal waren nur 10 Zuhörer
im Club, um dem Trio von Elvin Jones, McCoy Tyner und Jimmy Garrison zuzuhören.
Bei Jam Sessions habe ich John Coltrane nie erlebt.
Einmal im “Blue Note” spürte ich jemanden hinter mir – es war Coltrane. Er
hatte sein Saxofon dabei. Er hörte sehr intensiv dem Trio zu, das u.a. Stücke
der Schallplatte “Inception” spielten, dem Debutalbum von McCoy Tyner. Ich war
gepackt von der Musik. Ich ging von meinem Platz weg, und als ich zurückkam,
war Coltrane nicht mehr da.
Paris war in den 60er Jahren vielleicht neben Kopenhagen die Hauptstadt
des Jazz in Europa. Viele amerikanische Musiker lebten zeitweise in der Stadt
etwa das Art Ensemble of Chicago oder Anthony Braxton. Hatten sie Kontakt zu
dieser Szene?
Christian
Vander: Nein, in diesem Milieu
verkehrte ich nicht.
Ich habe diese Musiker gelegentlich gehört. Das
waren tolle Improvisatoren, aber ich war damals total im Bann von John Coltrane
und hatte für nichts anderes Ohren.
John Coltrane war ihr Vorbild. Gab es auch Einflüsse früher englischer Jazzrockformationen
wie Soft Machine auf die Musik von Magma?
Christian
Vander: Ich kannte Soft Machine von
Schallplatten. Aber im Gegensatz zu anderen Leuten, war ich von der Gruppe nicht
überwältigt. Ich hörte zu viele Einflüsse von John Coltrane in ihrer Musik. Sie
nahmen eine seiner Phrasen und formten daraus ein Thema. Im Gegensatz zu Soft
Machine war John Coltrane ein Ozean, eine Sintflut des Ausdrucks, eine Quelle
der Inspiration – unbändig und ständig in Bewegung. Jede Platte hörte sich neu
und überraschend an.
Magma macht eine spezifisch europäische
Musik. War die Abkehr vom anglo-amerikanischen Modell der Rockmusik ihr Ziel?
Christian Vander: Ja, in der Tat. Ich hatte etliche kontinental-europäische
Gruppen gehört, die anglo-amerikanische Musik machten. Wie kann man in England
oder Amerika Beachtung finden, wenn man deren Musik kopiert? Sinnlos! Man musste
also stark dagegen halten. An diesem Punkt setzte Magma an. Unsere Musik wirkte
wie eine Flutwelle.
Warum haben sie für Magma eine eigene Sprache entwickelt?
Christian
Vander: Das war keine
intellektuelle Angelegenheit wie die Kunstsprache “Esperanto”. Vielmehr wurden
Töne und Worte spontan zu der jeweiligen Komposition erfunden. Französisch klang
für mich einfach nicht kraftvoll genug. Mit der Zeit kam ich dazu, bestimmte
Stimmungen und Worte in kobaianisch zu übertragen. Auf jeden Fall unterliegt diese
Sprache einer ständigen Entwicklung, weil für jedes Stück neue Wörter kreiert
werden müssen.
Magma verschwand in den 80er Jahren von der Bildfläche. Warum?
Christian
Vander: Wir haben uns nie aufgelöst. Ich habe auf jedes Album geschrieben:
“Magma – für das Leben, für den Tod und darüber hinaus!” Als Magma aber einen
Sommer lang nicht mehr auftrat, schrieben die Zeitungen gleich: “Magma gibt es
nicht mehr!” Man hatte den Eindruck, sie hätten nur darauf gewartet. 1983
mussten wir die Gruppe in einen erzwungenen Schlaf versetzen, weil wir nicht
mehr genügend Konzerte fanden.
Das
erwies sich als positiv, weil es uns erlaubte, an einem anderen Bandprojekt zu
arbeiten, was zu der Gruppe Offering führte. Mit der Zeit ergänzte die Musik
von Offering die von Magma. Es gibt heute ein echtes Offering-Publikum, obwohl
ein Teil des Magma-Publikums uns diese Band nie verziehen hat. Bei Offering
agierte ich auch als Sänger, aber das Publikum wollte mich am Schlagzeug hören.
Was die Klangfarben anbelangt, machte Offering eine zerbrechlichere Musik als
Magma und ließ mehr Platz für Improvisationen. Es war risikoreicher, aber wenn
es funktionierte, war es magisch.
Auf
Initiative eines Freunds haben wir Magma vor ein paar Jahren wieder ins Leben
gerufen. Er versprach uns, 20 Konzerte zu beschaffen. Ich habe zugesagt, ohne
zu wissen, mit wem ich die Auftritte bestreiten würde. Es passierte einfach und
hat mich auch nicht weiter beunruhigt. Jetzt sind wir zurück!
Wenn sie zurückblicken, wie würde sie die Entwicklung von Magma
beschreiben?
Christian
Vander: Ich
hatte das Glück, John Coltrane als Vorbild zu haben. Jede seiner Schallplatten war
eine Überraschung. Das wurde auch für Magma mein Grundsatz. Jede Schallplatten
sollte eine Weiterentwicklung darstellen – etwas Neues, Unerwartetes bringen.
Niemals etwas zweimal machen, sonst wird man sein eigenes Plagiat. Niemals auf
die Meinung des Publikums hören, das dazu neigt, die Musik in die Vergangenheit
einsperren zu wollen. Niemals eine Schallplatten nur zum Selbstzweck machen. Ich
habe nie auf musikalische Moden geachtet. Magma fließt durch die Zeiten
hindurch.
Neuerscheinung:
Magma: Félicité Thösz (Seventh Records)
Das Interview erschien zuerst in der Zeitschrift JAZZTHETIK (www.Jazzthetik.de)
Übersetzung aus dem Französischen: Ulrike Tyrs
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