Saturday, 21 September 2013

Das Comeback der UKULELE


Sehnsuchtsinstrument
 
Einst verspottet, erlebt die Ukulele aktuell eine Renaissance in Rock und Pop
 

 cw. Früher wurde sie belächelt. Nur Spaßmacher und Varieté-Unterhalter spielten Ukulele - die nervige und etwas vorlaute, kleine Schwester der Gitarre. Niemand nahm sie ernst. Doch seit das Zupfinstrument in der Popmusik immer mehr an Boden gewinnt, hat sich sein Ruf verbessert. Ob Noah And The Whale, The Magnetic Fields, Jack Johnson oder die Fleet Foxes - mehr und mehr Popkünstler schätzen die  Unbekümmertheit  seines Schrammelklangs. Unlängst trat Eddie Vedder von der Rockband Pearl Jam mit einem Soloalbum an die Öffentlichkeit, das für einen weiteren Popularitätsschub sorgte. Auf “Ukulele Songs” finden sich mehr als ein Dutzend Lieder, auf denen sich der Pearl Jam-Sänger auf der Ukulele begleitet und beweist, dass sie auch zu ernsthaftem künstlerischen Ausdruck geeignet ist.
 
“Weniger Saiten, mehr Melodie”, so bringt Vedder die Vorteile der Ukulele auf den Punkt. Verliebt hat er sich in die viersaitige Minigitarre vor mehr als zehn Jahren bei einem Urlaub auf Hawaii, wo er sich von den Strapazen einer Pearl Jam-Tour erholte. In einem Laden stach ihm das Instrument ins Auge, das so billig war, dass er es sofort kaufte. Vor dem Geschäft probierte er darauf herum, bis eine Melodie ertönte. “Ein paar Touristen blieben stehen und warfen mir Geld in die Instrumentenschachtel,” erzählt Vedder. “Ich dachte: Sapperlot, das Ding hat etwas!”
 
Sein radialdemokratischer Charme ist das größte Plus des Instruments -  fast für jeden Geldbeutel erschwinglich. Dazu leicht zu erlernen: “In fünf Minuten Ukulele spielen!” garantiert ein Unterrichtswerk. Die geringe Größe macht sie außerdem für kleine Hände spielbar und zum idealen Schulmusikinstrument. “Mein Daddy zeigte mir ein paar Akkorde auf der Ukulele, bis meine Hände groß genug waren, um Gitarre zu spielen,” erinnert sich Bluesgitarrenlegende Johnny Winter. Diese plebejischen Tugenden machen die Ukulele heute zu einer Art Anti-These zum immer aufgeblaseneren und hochpolierteren Musikbusiness.
 
Die Vorteile scheinen sich langsam herumzusprechen, denn die Verkaufszahlen klettern nach oben. In Großbritannien, dem führenden Land der neusten Ukulele-Welle, ist das Instrument ein Verkaufsschlager. Allein im letzten Jahr wurde im Vereinigten Königreich mehr Ukulele verkauft als E-Gitarren. Mit mehr als 40 % verzeichnete das Instrument den größten Umsatzzuwachs von allen Musikinstrumenten.
 
Und sie werden auch gespielt, am liebsten im Verein. Auf der Insel schießen Spielvereinigungen wie Pilze aus dem Boden und das nicht nur in größeren Städten. Selbst auf dem Land grassiert der Ukulele-Virus, wie in Hebden Bridge (Nordengland), wo sich ein halbes Dutzend Hobbymusiker zum gemeinschaftlichen Musizieren einmal im Monat im “Cross Inn Pub” treffen, oder im benachbarten Halifax, wo eine “Ukulele Gang” regelmäßig zusammenkommt. In Deutschland haben sich ebenfalls bereits erste Vereine gebildet.
 
“Jung und alt kommen zum Übungsabend - von Teenagern bis zu Rentnern. Menschen aus den unterschiedlichster Berufen  - das ganze Spektrum!” erzählt Rob Collins, der vor ein paar Jahren im Hebden Bridge den Spielkreis ins Leben rief. Collins hatte sich in das Instrument vernarrt, als er vor zehn Jahren auf die Idee kam, Ukuleles aus blechernen Keksdosen zu bauen, die unerwarteten Anklang fanden. Als er dann letztes Jahr arbeitslos wurde, machte er aus seinem Hobby einen Vollzeitberuf und liefert nun hochwertige Instrumente aus makellos gedrechselten Rosenholz oder Eichenholz in die ganze Welt. Von Japan bis in die USA treffen Bestellungen ein. Die Auftragsbücher sind bis zum Jahresende voll.
 
Ursprünglich war die Ukulele in Hawaii aus einem Zusammenprall zweier Kulturen entstanden. 1879 hatten portugiesische Auswanderer traditionelle Zupfinstrumente wie die Braguinha und das Cavaquinho von der Insel Madeira in die Südsee gebracht. Auf Hawaii wurden die Instrumente den lokalen Bedürfnissen angepasst, in der Form vereinfacht, in der Stimmung simplifiziert und in “Hüpfender Floh” umbenannt: Ukulele!
 
Nach der Annexion durch die USA, avancierte Hawaii 1898 zum beliebten Ferienziel amerikanischer Urlauber. Bei den Touristen erfreuten sich die traditionellen Hula-Tänze und hawaiianische Folksongs besonderer Wertschätzung, die oft von einer Ukulele und einer Slide-Gitarre begleitet wurden. Die Gitarre wurde mit einem Metallstück gespielt, das man über die Saiten gleiten ließ, um heulend-wimmernde Töne zu erzeugen.
 
Der exotische Sound von Ukulele und “Steel-Gitarre” (auch “Slide-Gitarre” oder “Hawaii-Gitarre” genannt) avancierten zur Projektionsfläche eskapistischer Sehnsüchte. In den Südsee-Fantasien vollführten braune Schönheiten am Strand im Mondschein unter Palmen exotische Tänze zu den sanft-wiegenden Melodien der Saiteninstrumente. Dieses Motiv wurde von Songs wie “Ukulele Sweetheart” oder “My Honolulu Ukulele Baby” um die Welt getragen. In einem Song lautete der Refrain: “The Ukulele melody is nice, the music seems to come from paradise.”
 
Nach der Jahrhundertwende tourten erste Musikgruppen aus Hawaii mit solchen “Hapa-baole”-Songs durch die USA: “halbweiße” Lieder aus Südsee-Melodien und englischem Text. Meistens bestanden die Ensembles aus vier Musikern, die ausnahmslos Zupfinstrumente spielten: Ukulele, Gitarre, Steel-Gitarre, Mandoline oder Kontrabaß. Manchmal kam noch eine Hula-Tänzerin dazu.
 
Zwei Ereignisse brachten den Durchbruch. 1912 lief die erst Hawaii-Show namens “Bird of Paradise” im Daly’s Theater am Broadway in New York. Zu den Südsee-Szenen und bunten Kostümen kamen diverse Lieder zur Aufführung, begleitet von einer Musikcombo in typischer hawaiianischer Besetzung. Die Kritik schwärmte von der “unheimlich sinnlichen Musik der Inselbewohner”. Nach dem Broadway-Erfolg tourte die Show ausgiebig durch die gesamten Vereinigten Staaten und Kanada. Der Triumphzug war ausschlaggebend dafür, dass Musiker aus den Sparten Blues und Hillbilly die “Hawaii-Gitarre” aufgriffen und die heulenden Töne ihren Musik einverleibten. Ausverkaufte Häuser sorgten dafür, das “Bird of Paradise” 1919 nach Europa kam, wo die Show volle acht Jahre lang unterwegs war.
 
1915 sorgte die “Panama-Pacific International Exhibition” von San Francisco für einen weiteren Popularitätsschub. Viele der 17 Millionen Besucher hörten dort zum ersten Mal hawaiianische Musik mit Ukulele, vorgestellt vom “Royal Hawaiian Quartet”. Die Begeisterung schlug hoch. 1926 war der Höhepunkt erreicht, als die amerikanische Gitarrenfirma Martin - ein Gitarrenhersteller unter vielen - allein 14000 Ukulele verkaufte.
 
Ähnlich dem Tango, der ein paar Jahre zuvor weltweit für Furore gesorgt hatte, avancierte nun Hawaii-Musik zum “dernier cri”. Schallplattenlabels veröffentlichten Schellacks mit Südsee-Klängen. In Hotels, Casinos und Varieté-Theaters unterhielten Hawaii-Combos die Besucher. Amerikanische, englische, deutsche und tschechische Musiker sprangen auf den Zug auf und versuchten sich ebenfalls im Südsee-Stil. Felix Mendelssohn & His Hawaiian Serenaders brachte es dabei in Großbritannien zu beträchtlicher Beliebtheit.
 
Hawaii-Musik feierte weltweite Triumphe. Die Südsee-Musik bahnte den Weg für andere exotische Stile, die - befeuert durch die neuen Medien Schellackplatte und Rundfunk - in westlichen Nachtclubs für Aufregung sorgten. Rumba kam in den 1930er Jahren auf, kubanische und “latin” Musik in den 40ern, sowie Mambo in den 50er Jahren.
 
Die Tau Moe Family Band kann als Pionierensemble für den weltumspanenden Erfolg der Hawaii-Musik gelten. Die Gruppe, die auch unter dem Namen “The Aloha Four” firmierte, war von Ende der 1920er Jahre permanent auf Gastspielreise: von Asien nach Indien in die Türkei, von Rumänien über Griechenland in den Libanon und nach Ägpyten. Während der 1930er Jahre hatten sie eine Wohnung in Berlin und lebten längere Zeit in Paris und Brüssel
 
Als 1933 die Ukulele in einem Film mit Laurel & Hardy auftauchte, sowie ein paar Jahre später in “Waikiki Wedding” mit Bing Crosby, war die Mode wieder im Abklingen begriffen. Erst in den 50er Jahren bescherte  Marilyn Monroe in “Some like it hot” dem Instrument ein Comeback, zu dem auch Elvis mit dem Film “Blue Hawaii” beitrug, für den er auf dem Plakat mit Ukulele posierte. Ende der 60er Jahre wirbelte der schrille Entertainer Tiny Tim noch einmal Staub auf, dessen Markenzeichen die  Ukulele war. Dann wurde es stiller um das Instrument aus der Südsee.
 
Heute ist das Ukulele-Fieber wieder erwacht. Nicht ganz unschuldig ist daran das Ukulele Orchestra of Great Britain, das seit 1985 unermüdlich als Missionsorganisation für das Instrument fungiert und mittlerweile selbst in Japan große Säle füllt. Das professionelle Ensemble aus acht Ukulele-Spielern, zumeist ehemaligen Gitarristen, bietet ein buntgewürztes Programm aus klassischen Vaudeville-Nummern, alten Schlagern und Rock-Bearbeitungen von Klassikern wie “Born to Be Wild”, “Sex and Drugs and Rock ‘n’ Roll” oder “Anarchy in the UK”. Selbst Hawkwinds “Silvermachine” wird die Ukulele-Behandlung zuteil, wobei die Diskrepanz zwischen Pling-Plong-Tönen und dem Heavy-Rock der Originale die komische Wirkung nicht verfehlt.

 
Im deutschsprachigen Raum sind Coconami die Speerspitzen des Trends. Das japanische Musikerehepaar aus München hat dem Rock ‘n’ Roll ade gesagt, ihre E-Gitarren bei ebay verkauft, um jetzt eine unbeschwerte und charmante Musik zu machen, zu der die Ukulele bestens passt. Nami singt wie ein Vogel beim Sonnenaufgang, nur lieblicher, während Miyaji auf den Saiten zirpt. Ob bayrisches Landler-Lied, japanische Folkmelodie oder ein Punk-Song der Ramones - Coconami macht die Ukulele zum kulturübergreifenden Weltenversöhner. “Jeder sollte eigentlich eine Ukulele besitzen,” meint Eddie Vedder. “Die Leute müssen sich ausdrücken können, das braucht es einfach!”
 
Auswahldiskographie:
Eddie Vedder: Ukulele Songs (Monkeywrench/Universal-Island)
Ukulele Orchestra of Great Britain: Still live (UOGB)
Coconami: Ensoku (Trikont)

No comments:

Post a Comment